"
Der Schrei"

"Der Mensch in seiner Angst und Einsamkeit"

Edvard Munch
(1863-1944)
Norwegischer Maler und Grafiker


Lüge und Illusion

Aus:
„Krebs – Sprechstunde. Ein Ratgeber zum Umgang mit einer Zeitkrankheit“

Seite 76 – 80; URACHHAUS 1994, ISBN 3 8251 7006 3


"Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar"

Ingeborg Bachmann
Pseudonym - Ruth Keller
(1926-1973)
Österreichische Schriftstellerin



Neben den beiden so charakteristischen Symptomen der Krebskrankheit, der Angst und dem Schmerz, treten zwei andere Phänomene im Umgang mit den Krebskranken auf, die wiederum außerordentlich charakteristisch genannt werden können, und deren Wurzeln durchschaut werden müssen: Lüge und Illusion.

Bei kaum einer anderen Erkrankung wird so häufig die Unwahrheit gesagt, wird so häufig Illusion erzeugt wie bei der Krebskrankheit. Die Lüge betrifft besonders den Bereich der Diagnose, die Illusion den der Prognose.

Noch vor 30 Jahren war es für Ärzte absolut unüblich, einem Patienten die Diagnose seiner Krebskrankheit ehrlich und ungeschminkt mitzuteilen. Selbst Ärzte, die an Krebs erkrankten, wurden über ihre Diagnose getäuscht und ließen sich täuschen.

Wie oft solche Menschen in ihrer inneren Welt die Diagnose kannten und sie nach außen doch nicht kennen wollten, ist nie erfasst worden. Und doch werden es sicher viele gewesen sein.

Auch heute werden oft Diagnosen „geschönt“, das wahre Ausmaß der Erkrankung verheimlicht, der Name Krebs nicht ausgesprochen. Wie oft finden wir auch in Todesanzeigen Begriffe wie „schweres Leiden“, „unheilbare Krankheit“ oder ähnliches, während die Krebskrankheit als eigentliche Ursache nicht genannt wird.
Das hat nicht nur mit der Intimität und dem Schutz des Erkrankten oder Verstorbenen zu tun, sondern auch mit der auffälligen Scheu, diese Krankheit bei ihrem Namen zu nennen.

Ein eigenes Erlebnis hat schon in frühen Jahren des Berufs diese ganze Problematik gezeigt. Unter dem Verbot des Chefarztes, einer jüngeren Frau ihre schwere, wahrscheinlich unheilbare Krebskrankheit mitzuteilen, hatte diese Patientin in einem Augenblick, als ihr Hausarzt das Sprechzimmer verließ, aus ihrer Karteikarte den Arztbrief unseres Krankenhauses entwendet, um die Wahrheit über ihre Krankheit zu erfahren. Sie suchte mich später auf, um mir klarzumachen, dass sie durch unsere Unaufrichtigkeit zur Diebin werden musste und das Vertrauen ihres Hausarztes brach.

Von diesem Augenblick an wurde meine innere Überzeugung, gerade bei dieser Krankheit immer die Wahrheit sagen zu müssen, trotz aller Verbote oder zuwiderlaufenden Anordnungen tägliche und nie wieder geänderte Praxis.

Heute
haben sich die Anschauungen hierzu gründlich geändert, generell wird die Diagnose mitgeteilt, wenn auch immer noch in einzelnen Fällen nicht uneingeschränkt oder aber nur als das, was heute gerne Teilwahrheit genannt wird. Häufig wird auch dem Patienten die Diagnose nur angedeutet oder umschrieben als Wucherung, Geschwulst und ähnliches, die unmittelbaren Angehörigen aber über den Ernst der Diagnose voll aufgeklärt.

Dann wird die Lüge zwischen den Menschen getragen, die bis dahin als Familie oder andere soziale Gemeinschaft eng und vertrauensvoll zusammenlebten.
Wir konnten oft erleben, welch tragische, zerstörende Veränderungen dann in solche menschlichen Zusammenhänge kamen.

Hat man nämlich erst einmal mit dem Lügen begonnen, so wird sich dieses immer mehr fortsetzen, ausweiten und schließlich ein Gewirr von Verstrickungen erzeugen, in dem offene Worte und ein ehrlicher, direkter Blick gar nicht mehr möglich sind. Ein völliger Verlust an gegenseitigem Vertrauen ist die Folge, welches doch gerade für eine solch schwierige Lebensepoche, wie es die Krebskrankheit ist, eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist, sich dieser Krankheit zu stellen und sie zu überwinden.

Die Illusion wird insbesondere um die Frage des weiteren Fortgangs der Krebskrankheit erzeugt, die Prognose.

Auch heute kann es immer wieder geschehen, dass ein Chirurg nach Entfernung einer größeren Krebsgeschwulst und, nachdem keine von Krebs befallenen Lymphknoten oder ferne Organmetastasen festgestellt werden konnten, diesem Patienten sagt, er sei nun von seiner Krankheit geheilt. Die Frage solcher Patienten, ob sie denn nicht etwas gegen das erneute Auftreten einer solchen Krankheit tun könnten, wird dann mit dem nochmaligen Hinweis der Heilung durch die Operation beschwichtigt und dem Patienten damit eine Chance genommen, sich rechtzeitig darum zu kümmern, was er denn eigentlich gegen die Krebskrankheit selber tun könne.

Auch erzeugen die jeden Tag veröffentlichten, oft ganz unterschiedlichen und sich widersprechenden Zahlen zur Heilbarkeit verschiedener organischer Krebskrankheiten vielfältige Illusionen. Kann man doch oft lesen, bestimmte Krebsarten seien zu 70-80% heilbar, obwohl damit statistisch gefundene Daten bestimmter Überlebenszeiten gemeint sind, z.B. die bekannte Fünf - Jahres - Überlebenszeit. Damit ist ja gemeint, dass ein Patient mit einem bestimmten Organkrebs nach Stellung der Diagnose mindestens fünf Jahre überlebt.

In welcher Weise er diese Jahre lebt und überlebt, wie häufig er ein Rezidiv hatte, welche Therapien angewendet wurden, erscheint in einer solchen Zahl nicht.
Auch bleibt völlig offen, ob der individuelle Krebskranke, dem eine solche Zahl mitgeteilt wird, nun zu den 70-80 % gehört, die eine solche Heilung erleben, oder zu den 20-30 %, bei denen dieses nicht gelingt.

Von Heilung könnte doch nur gesprochen werden, wenn bei dem einzelnen Patienten sichergestellt ist, dass er in seinem ganzen weiteren Leben nie wieder eine Krebskrankheit erleidet.

Zu diesen Fragen wird in dem Kapitel über die Therapie der Krebskrankheit noch viel gesagt werden müssen, doch muss sich jeder einzelne von dieser Krankheit betroffene Mensch ehrlich und uneingeschränkt klarmachen, dass alle diese mitgeteilten, oft Hoffnung erzeugenden Zahlen über die Heilbarkeit oder Unheilbarkeit bestimmter Krebsarten für ihn selbst bestenfalls relative Bedeutung haben können.

Viele solcher Zahlen bergen den Wunsch in sich, die Patienten an bestimmte Therapien zu binden, und ihnen eine freie Entscheidung über den eigentlichen Weg mit der Krebskrankheit unmöglich zu machen.

Das kommt dann besonders häufig vor, wenn bestimmte Therapien in die feste Form einer kontrollierten, randomisierten Therapiestudie eingebunden werden, die ohne jede individuelle Abweichung nach der vor gefassten Form unerbittlich durchgeführt werden muss, will man verlässliche Resultate erhalten.

Mit der Illusion wird auch gearbeitet, wenn gesagt wird, alternative oder unkonventionelle Krebstherapien seien gefährlich, weil sie einem Krebskranken möglicherweise gesicherte Therapieverfahren vorenthielten.

Auf den einzelnen Patienten bezogen gibt es aber praktisch kein gesichertes Therapieverfahren.
Im idealen Fall muss für jeden Patienten die für ihn bestmögliche Therapie individuell bestimmt werden.

Der Nachmittag weiß,
was der Morgen
niemals vermutete
"


Schwedisches Sprichwort

Gerade diese Krankheit, in der das persönliche Ich des Menschen direkt engagiert ist, macht es notwendig, dass der Betroffene eine ehrliche, offene, uneingeschränkte Aufklärung erfährt.

Alle Fortschritte unserer Zeit, die wir für unverzichtbar halten, die wir als Ereichnisse der modernen Entwicklung preisen, entstammen dem vorausgegangenen Zeitalter der Aufklärung. Dieses wollte Dogmen auflösen, traditionelle Zöpfe abschneiden, den einzelnen Menschen zum mündigen Mitgestalter seines Lebens und der Gesellschaft, in der er lebt, machen!

Sollte dann in einer Krankheitssituation, die gerade auch Auseinandersetzung um solche Mündigkeit ist, diese ganze Aufklärung wieder ad acta gelegt werden.

Aufklärung heißt Klarheit schaffen.
Und diese Klarheit braucht der mündige Mensch aus seiner Verantwortung für sich selbst, sein Leben, den Zusammenhalt mit seinen Angehörigen, im Beruf und vielleicht eigenen Betrieb und all den anderen Lebensbedingungen, die seine Biographie ausmachen. Hier berühren wir das weite Feld sozialer Fragen, das in jeder chronischen Erkrankung angesprochen wird, aber selten so unmittelbar wie bei der Krebskrankheit.

Wenn wir den Blick noch einmal auf das vorige Kapitel und die dazu geschilderten so genannten Widersachermächte [Kräfte der geistig-seelischen Welt, die sich gegen die schöpferische Führung aller Evolution von Natur, Mensch und Kosmos auflehnen (Rudolf Steiner, 1861-1925] lenken, von denen gesagt wurde, dass sie als Widerstände des einzelnen Menschen Kraft wachsen lassen könnten, so sind Lüge und Illusion Ausdruck dieser Situation.

Im Durchstoßen der Lügenpanzer, im Zerreißen der vielfachen Schleier der Illusion gewinnen der Krebskranke und sein ganzes Umfeld die Klarheit, die zu der Überwindung der Krankheit unabdingbare Voraussetzung ist.


Wiederum tritt in die Mitte der polaren Widersachermächte als die ausgleichende, Gleichgewicht schaffende Kraft als Repräsentant wahrhaftigen Menschentums der Christus, der von sich sagen kann:

“Ich bin der Weg,
die Wahrheit und das Leben,
keiner kommt zum Vater
denn durch mich.“


Dieses täglich in aller Welt und für jeden Menschen gültige Wort
hat gerade bei der Krebskrankheit eine ganz zentrale Bedeutung.

Sich mit der Wahrheit zu verbinden heißt,
den Weg in dieser Krankheit
zum Weiterleben
zu finden


Die Versuchungen, in Lüge und Illusion auszuweichen,
weil diese scheinbar Erleichterungen bedeuten,
müssen wir durchschauen und zurückweisen.

Dann wird die Kraft wachsen,
die zur Überwindung
einer solch schweren Erkrankung
notwendig ist,
auch wenn sie
zum Tode führt
.“



Die Medizin
muss begreifen,
dass der Patient ihr nicht gehört,
sondern dass er sich ihr anvertrauen will

Aus: „Krebs – Sprechstunde. Ein Ratgeber zum Umgang mit einer Zeitkrankheit

URACHHAUS 1994

Prof. Dr. med. Volker Fintelmann

(b.1935 in Berlin)

Studium der Medizin in Tübingen, Berlin, Heidelberg und Hamburg, Promotion 1961,

Arzt für Innere Medizin / Gastroenterologie.

Hepatologie und komplementäre Onkologie, Phytotherapie und anthroposophisch ergänzte Medizin.

1973 Leitender Arzt der DRK-Klinik Helenenstift Hamburg, seit 1977 zusätzlich Leitender Arzt der Medizinischen Abteilung des DRK-Krankenhauses Hamburg,
seit 1980 Leitender Arzt der Medizinischen Abteilung B am Krankenhaus Rissen der DRK-Schwesternschaft Hamburg e.V., dort Ärztlicher Direktor
und Geschäftsführer 1986-1996.
Von 1978-1989 Mitglied und Vorsitzender der Kommission E für Phytotherapie beim Bundesgesundheitsamt in Berlin.
Seit 1997 Vorstand der Carl Gustav Carus Akademie für Ganzheitsmedizin in Hamburg.

Professor Fintelmann erkannte schon früh, dass die Schulmedizin die vielfältigen Möglichkeiten der Naturheilkunde zusätzlich berücksichtigen sollte.
Die ganzheitliche Sicht des Menschen wurde zum entscheidenden Grundsatz seines ärztlichen Handelns. In zahlreichen Vorträgen,
Publikationen und Seminaren hat er sein Wissen und seine Vorstellungen einer ganzheitlich orientierten Medizin weitergegeben.

Er ist Autor zahlreicher Fachbücher:
„Krebs – Sprechstunde. Ein Ratgeber zum Umgang mit einer Zeitkrankheit“ URACHHAUS 1994

„Intuitive Medizin – Einführung in eine anthroposophisch ergänzte Medizin“ Hippokrates, 3. Auflage 1995

Mit Hans Georg Menßen, Claus Peter Siegers: „Phytotherapie Manual – Pharmazeutischer, pharmakologischer und therapeutischer Standard“
Hippokrates, 2. Auflage, 1993.




"Wenn wir einer Situation ausweichen wollen,
die eine wichtige Lektion für unsere Entwicklung darstellt,
kann die Krankheit uns zwingen,
ihr ins Auge zu sehen"

Aus: Claudia Rainville (Canad. Mikrobiologin, Psychotherapeutin):
„Metamedizin. Jedes Symptom ist eine Botschaft“
(Metamedicine. La guerison a votre portee 1995)
SIBERSCHNUR 3.Auflage 2010




..."Im Hinblick auf die vielen ungelösten Fragen betonte
Prof. Walter Gallmeier
vom Institut für Medizinische Onkologie und Hämatologie, Klinikum Nord der Stadt Nürnberg
:

Nach dem bisherigen Stand des Wissens ist es für Arzt und Patient zur Zeit unmöglich,
Spontanremissionen
1,2 [1:60.000] bewusst und gezielt herbeizuführen.

Andererseits wies er darauf hin, dass es, gerade weil Ärzte so wenig über diese Phänomene
wissen, menschlich nicht vertretbar und wissenschaftlich unhaltbar sei, genaue Prognosen
über die nach einer Krebsdiagnose verbleibende Lebenszeit abzugeben
."

1Ingrid Glomp (b. 1957, Dipl.-Biologin, Dr. rer. nat., Journalistin, Autorin):
"Spontanremissionen bei Krebserkrankungen: Das Phänomen der unerwarteten Genesung"
Dtsch Arztebl 1997; 94(25): A-1708 / B-1448 / C-1348
www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=6798

2Herbert Kappauf (FA für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie, Palliativmedizin,
FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Beleg- und Konsiliararzt am Klinikum Starnberg):
„Wunder sind möglich – Spontanheilungen bei Krebs“ (1:60.000) HERDER 2003




..."Der Buddha lehnt die Frage nach der letzten Ursache des Leidens ab,
weil das Problem eines letzten Warum nicht lösbar ist
und entsprechendes Grübeln eher von dem Nächstliegenden ablenken könne.

Er fragt vielmehr, wie das Leiden funktioniert, welcher Mechanismus dazu führt,

dass sich Leiden und leidvolle Erfahrungen ständig neu entwickeln und auswirken.
Und er antwortet, dass dieser Mechanismus der Mechanismus des Anhaftens (Upadana) ist.

"Wir meinen fälschlich, unabhängige Individuen zu sein, die abgegrenzt
von anderen Individuen existieren, und um diese falsche Wahrnehmung
zu stabilisieren, um also den Fehler aufrechterhalten zu können,
müssen wir uns gierig alles einverleiben, und,
wenn dies nicht gelingt, hasserfüllt das,
was sich uns widersetzt, ablehnen."


Aus dieser Dialektik von Gier und Hass entsteht das Leiden, ...

das Leiden in der Dimension der zwischenmenschlichen Beziehung
und das Leiden in der existentiellen Situation der Wahrnehmung unserer selbst.

Es kommt mithin darauf an, Gier und Hass dadurch zu überwinden, dass wir begreifen,
wie und warum wir die menschliche Situation falsch erleben und interpretieren.

Die Fehlwahrnehmung besteht im wesentlichen darin,
dass wir uns als vereinzelte Individuen sehen,
wo jeder gegenüber den anderen im Machtkampf verstrickt ist,
anstatt uns als Glieder einer Kette oder Glieder bzw. Organe eines Leibes wahrzunehmen,
die aufeinander bezogen und angewiesen sind ...

Der Mensch haftet an, indem er Angenehmes sucht und Unangenehmes zu vermeiden trachtet.
Daraus ergibt sich das Haben-Wollen, und das wiederum verlangt nach Unterscheidung
und Wertung von Angenehmem und Unangenehmem, wobei die Art und Weise dieses Unterscheidens
zu "Wertemustern" und "Charaktertypen" führt, mit denen wir uns selbst identifizieren.

Das bedeutet, dass wir unsere Identität durch Trennung in Gutes und Böses, durch Verdrängung,
auch Verdrängung des Schmerzes, finden. Das Resultat ist die Unsicherheit und Einsamkeit
der Individuen, selbst verursacht durch die falsche Wahrnehmung.

Daraus folgt eine unangemessene Bewusstseinshaltung, die Realität verdrängt.
Verdrängung des Schmerzes und der selbstverschuldeten Einsamkeit führen dann dazu,
dass wir den Schmerz nicht loslassen können und wollen, dass wir z.B. ständig darum bemüht sind,
Recht und Aufmerksamkeit zu bekommen statt Aufmerksamkeit zu geben.

Und bereits in dieser Aussage liegt eine ungeheure Geschichte von Leiden begraben, aber eben
nicht begraben, sondern immer wieder neu wirksam, so dass unsere Beziehungen zu uns selbst,
zu anderen Wesen und zur Welt insgesamt vergiftet und von Leiden geprägt bleiben.

Denn statt Aufmerksamkeit zu geben, suchen wir vorwiegend danach,
Recht und Aufmerksamkeit zu bekommen, weil wir glauben, dadurch unsere Identität
bzw. unser Ego stabilisieren zu können.

Der Buddha lehrt aber: Diese Ego-Perspektive, der Versuch, unserem abgegrenzten Ego,
das sich selbst von anderen ausgrenzt, Dauer, Gewicht und Bedeutung zu verleihen,
ist die Ursache für das Leiden.

Für die buddhistische Haltung zum Leiden kann allgemein gelten:

"Das Leiden lehrt den Leidenden Barmherzigkeit, es zwingt dazu,
das Ego zurückzunehmen und sich auch mit dem Gegner zu identifizieren.
Und gerade darum widersteht der Buddhist dem Bösen nicht mit Aggression
aufgrund der Verletzung, die ihm zugefügt wurde, sondern in geduldiger Festigkeit,
erstens, damit der Übeltäter nicht noch mehr Unheil anrichtet (und sich dabei selbst schadet,
was er nur nicht weiß), und zweitens, damit die Leidenden vom Leiden frei werden.
Beide Aspekte sind nicht voneinander zu trennen, weil alle Wesen
ursächlich miteinander in Beziehung stehen ...
"

Michael von Brück
(b.1949)
Prof. f. Religionswissenschaften München, Zen-Lehrer
„Wie können wir leben? Religion und Spiritualität in einer Welt ohne Maß“
Seite 47, Seite 51,52 C.H.BECK 2009 (2002)




Warum bin ich hier?
Ich bin hier, damit ich das, was ich nicht verstehe, verstehen lerne.
Ich bin hier, um Grenzen zu überschreiten und Neues zu erkunden.
Ich bin hier, damit ich mich selbst erkenne.
Ich bin hier, damit ich mein Leben so gestalte,
dass es auch eine Bereicherung für andere ist.
Ich bin hier, um zu lieben.

Martin Weber
„Der Mensch im Gleichgewicht. Gesundheit neu gedacht mit Herz, Logik und Intuition“
Seite 120 ;ENNSTHALER 2.Auflage 2009


Patmos [1]
(1802)

Nah ist

Und schwer zu fassen der Gott.

Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.

Im Finstern wohnen
Die Adler und furchtlos gehn
Die Söhne der Alpen über den Abgrund weg
Auf leichtgebaueten Brücken.


Drum, da gehäuft sind rings
Die Gipfel der Zeit, und die Liebsten
Nah wohnen, ermattend auf
Getrenntesten Bergen,
so gib unschuldig Wasser,
O Fittige
[2] gib uns, treuesten Sinns
Hinüberzugehn und wiederzukehrn
..

So sprach ich, da entführte
Mich schneller, denn ich vermutet,
Und weit, wohin ich nimmer
zu kommen gedacht, ein Genius
[3]
... [nämlich nach Patmos]

[1] eine griechische Insel [2] Flügel
[3] Ahnengeist, Schutzgeist/-engel


Friedrich Hölderlin

(1777-1843)
deutscher Lyriker

"Die Bilder, Metaphern und Symbole in diesem Gedicht sind allesamt Schlüssel zu den Tresoren
der inneren Kräfte, auf die man in Zeiten der Krise zurückgreifen kann.
Es sind Mythen von den Urbildern der Menschheit.

Im Finstern wohnen die Adler - das sind Adler, keine Geier! Die Könige der Lüfte!
Das Finstere - das sind die Quellen unserer Kraft, die jeder von uns ganz tief in sich hat, im Dunkeln eben.

Das will uns sagen: Aus den Urtiefen des menschlichen Wesens heraus entstehen königliche Kräfte.
Die Söhne der Alpen - das sind die Heldengestalten der Antike. Begleitet von den Göttern, haben sie enorme
Kräfte entwickelt. Fittige gib uns - heute sagen wir Fittiche -, das sind die Flügel unserer Schutzengel.
Für mich war das ein Überlebensprogramm, das unabhängig vom Bewusstsein und vom Willen abläuft.
Darauf konnte ich mich verlassen: In Momenten, wo ich selbst die Situation nicht mehr steuern konnte,
übernahm es wie ein Autopilot im Flugzeug die Navigation. Und damit hatte ich unter den Trümmern meines Lebens
auch meinen Glauben wieder gefunden. Ich hatte sie wieder, die Gewissheit aus der Kinderzeit: ich bin begleitet."


Aus:
Annette Bopp (b.1952), Delia Nagel (b.1966), Gerd Nagel (b.1936):
„Was kann ich selbst für mich tun? Patientenkompetenz in der modernen Medizin“
Kapitel Gerd Nagel: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch" Seite 16f
RÜFFER&RUB 2005


ZITATE:
David Servan Schreiber / Der Angst die Spitze nehmen >>>
Juliane Sacher / Keine Panik bei Tumorerkrankungen >>>
Asmus Finzen/ Warum werden unsere Kranken wieder gesund? >>>
Bernie Siegel / Wir sind unseren Gefühlen nicht ausgeliefert >>>
Bernie Siegel / Gehen Sie mit ihren Gefühlen >>>
Bernie Siegel / Einen Teil der Verantwortung >>>
Bernie Siegel / Am schnellsten >>>
Bernie Siegel /
Krebs >>>
Bernie Siegel / Der menschliche Geist >>>
Bernie Siegel / Meine Aufgabe als Arzt >>>
Bernie Siegel / Als Techniker - Mechaniker >>>

Lawrence LeShan / Die Welt der Krebspatienten >>>

INFOS:
Die Illusion der Gewissheit >>>

Statistik Glossar & Allerlei >>>

LEISTUNGEN:
Palliativmedizin>>>

usw.