"Im alten Ägypten sahen
die Menschen ihre Seele als Vogelgestalt.
Dabei ist "Ka" der Doppelgänger der Seele - die Wesensseele, der/die im Jenseits
schwebt,
und "Ba" der menschenköpfige Seelenvogel - die Exkursionsseele hier auf
Erden,
der/die
im Innersten eines Menschen wirkt. Stirbt dieser Mensch,
so verlässt
der Seelenvogel [Ba] den toten Körper."
[(1) S.9]
Der Seelenvogel (Ba - Exkursionsseele,
Unser unzerstörbarer Geist, Ursubstanz)
der Ägyptischen Mythologie.
Bezeichnung für einen bestimmten Aspekt des Seelischen, der sich trotz einer
engen Bindung an den Körper
von diesem ablösen und entfernen kann. Solche Seelen, die den Körper verlassen
und eigenständig agieren,
werden in der Ethnologie und Religionswissenschaft „Freiseelen“ [Ka, Ba] genannt. [ergänzt/ Quelle: WiKi]
Als "Geistprinzip"
kannten die Ägypter Ba, was vielerlei Bedeutungen hatte, etwa
"leuchtender Stern"
oder "Öffnung", "Loch", und häufig
wurde Ba auch als Vogel dargestellt. Der Vogel ist bei fast
allen
Völkern ein Symbol für den Geist, der gerade den Körper
verlässt und gilt zudem als Träger der
Lichtkraft. Neben Licht
bedeutet Ba zusätzlich Feuer oder innerstes Wesen,
etwas Geistiges,
Unzerstörbares, und es verlässt den Körper
durch ein Loch im Kopf, die Fontanelle. Wenn
Ba den Körper verlässt,
stirbt der Mensch, schläft ein oder wird bewusstlos. Es ist Ba,
das
den Körper lebendig macht, das in den Himmel, das Lichtland, zurückkehrt
und
selbst ein Lichtgeist ist! Modern gesprochen ist Ba Lichtenergie, Photon,
Ursubstanz und Grundbaustein unseres
Daseins, unser Ur-Wesen."
Aus: Holger Kalweit: "Liebe und Tod - Vom
Umgang mit dem Sterben"
Der Geist im Lichthimmel. Die Geist-Dimension.
Geist-Paradoxien
Geist-Stoff - der Stoff der Welt Seite 231f. KOHA 2006
Der Seelenvogel
"Die Seele - sie lebt in uns, um und über uns und verbindet uns mit der
Erde und dem Himmel.
So groß, ja so groß ist die Seele - und dennoch haben sie nur wenige Menschen
gesehen.
Und diese wenigen, die die Seele erblickt haben, waren erstaunt: Die Seele
erschien ihnen
nicht in Riesengestalt, sondern als kleiner weißer Vogel.
Aber eigentlich ist es nicht überraschend - denn tief im Innern der Seele wohnt
tatsächlich ein Vogel, der Seelenvogel -
er hat listige Augen, einen roten Schnabel, weiße Federn und steht - bevorzugt -
auf einem Bein, manchmal auf dem rechten,
manchmal auf dem linken. Sein Gesicht hat ziemliche Ähnlichkeit mit einem
menschlichen Antlitz - das wussten schon
die alten Ägypter.
Die alten Ägypter wussten auch, dass der Seelenvogel schon lange vor der Geburt
in die kleine Menschenseele hineinschlüpft
und darin bleibt, in harten und glücklichen Zeiten. Erst mit dem Tode verlässt
der Seelenvogel den menschlichen Körper
durch das linke Ohr und fliegt mit bedeckten Augen zum Himmel hoch ...
Eine Darstellung des
Ba-Seelenvogels aus dem Ägyptischen Totenbuch.
Stirbt dieser Mensch, so verlässt der "Ba" - Seelenvogel den toten Körper
[ergänzt/Quelle: WiKi]
Lieber
Seelenvogel - woher kommst du, was tust du,
wohin gehst du nach meinem Tod?
Der Seelenvogel lächelt:
"Ihr Menschen müsst immer fragen ...
immer Erklärungen haben ..."
Und - nach einer Pause - fährt er fort zu reden:
"Die kosmische Seele schickt
mich zu dir, damit deine Seele nicht verloren geht ...
Und was ich tue?
Ich esse nicht, ich schaue nur ... und wenn du weinst, dann kommen auch mir die
Tränen,
und wenn du lachst, dann kichere ich mit. Du siehst - du bist nicht allein,
immer bin ich bei dir...
Und ich helfe dir, wenn du willst, glasklare Gedanken zu fassen und
leuchtend-rote Liebe zu spüren.
Und nach deinem Tode?
Da
trage ich fliegend deine Seele in den Kosmos zurück,
wo sie sich glücklich auflösen wird ..."
Ich:
"Was machst du, wenn ich böse bin?"
Seelenvogel:
"Dann helfe ich dir - richtig - böse zu sein ..., richtig heißt:
auch im Böse-Sein die Liebe nicht ganz zu verlieren ..."
Ich:
"Und wenn ich glücklich bin?"
Seelenvogel:
"Dann freu ich mich mit dir, und gleichzeitig sorge ich dafür,
dass dein Glück
begrenzt ist ..."
Ich:
"Warum denn das?"
Seelenvogel:
"Du sollst Mensch bleiben und Begrenztheit erfahren. Wenn du die menschlichen
Grenzen
aufheben möchtest, dann musst du mit mir - mit mir - fliegen ..."
Ich:
"Das heißt wohl - nur im Sterben werde ich meine Grenzen lösen ...
Bist du, lieber Seelenvogel, bist du unsterblich?"
Seelenvogel:
"Sterblich - unsterblich - was heißt das schon ... willst du wirklich immer
leben, ewig und ewig so weiterleben ... du ruhst
all-nächtlich in deinem Tiefschlaf ... der Tiefschlaf ist ein kleiner Tod,
traumlos ist der Tiefschlaf, die Versuchung des Sterblichen ...
du wagst es - oder du freust dich gar darauf, jede Nacht probeweise das Tor des
Todes zu durchschreiten, indem du dich in den
endlosen See des Tiefschlafs hinein sinken lässt ... der all-nächtlich erfahrene
kleine Tod im Schlafe gehört zum Gezeitenwechsel
des Lebens ... Tag und Nacht ... Sonne und Mond ... Leben und Tod ... Tätigsein und
ewig scheinende Ruhe ...
Was sagt dein Herz jetzt?"
Ich:
"Ich weiß nicht."
Seelenvogel:
"Das ist eine kluge Antwort ..."
Ich:
"Kennst du all meine Geheimnisse?"
Seelenvogel:
"Ich bin dein Geheimnis - ich, dein Seelenvogel, bin dein Geheimnis ...
hüte es gut, dein Geheimnis ..."
"With
a little help from my friends"
"Bei lang währenden psychischen Leiden oder in
akuter Krise, bedarf es manchmal helfender Personen,
die dazu beitragen, dass seelische Wunden wieder verheilen. Ob es sich bei
diesen helfenden Personen
um professionelle Helfer oder um engagierte Freunde handelt, gleichermaßen
stellt sich die Frage:
Welche Haltungen und
Aktivitäten sind in der Rolle als Helfer förderlich?
Die Antwort ist einfach: Wenn der Seelenvogel rebelliert,
schreit, weint, keine Freunde hat,
sich scheu zurückzieht oder total verrückt spielt, dann kann ich - als
Helfer, Begleiter -
►einengend sein: den
Seelenvogel (wieder) domestizieren und in den Käfig sperren
(vergleichbar dem Vorgehen der klassischen Psychiatrie), oder ich kann
►befreiend wirken: dem
Seelenvogel in Würde, liebevoll begegnen ... Dies ist das Entscheidende,
es
bedeutet im einzelnen:
sich einfühlen in den Seelenvogel des anderen
Menschen, in sein Tun und seine Laune,
ihn annehmen und ernst nehmen, so, wie er sich gebärdet, ausgesandte Symbole
erkennen und versuchen, sie zu verstehen,
seinen Wunsch nach - vielleicht radikaler - Änderung erahnen und ihn dabei
unterstützen, seine inneren Kräfte zu entdecken und
zu entfalten, ihn gewähren lassen, soweit er anderen nicht schadet und sich
selbst nicht ruiniert, den Werde-Prozess des Seelenvogels
wahrnehmen und seine Wandlung begleiten - Katharsis - ein anderer Vogel - Phönix
- kreierte sich in radikaler Wandlung selbst ...
Bei dieser einfühlsamen Zuwendung eines Therapeuten oder natürlichen Helfers
entsteht eine Atmosphäre, die auch als
"therapeutisch-liebevolle Anteilnahme" benannt
werden könnte, was im Christentum der Nächstenliebe ähnlich kommt ...
Das Entscheidende am Erfolg einer (professionellen) Psychotherapie ist ein
möglichst großes Vertrauensverhältnis
zwischen Klient [Karl Rogers (1902-1987] und Therapeut, von untergeordneter
Bedeutung ist die Methodik (ob Psychoanalyse
oder Verhaltenstherapie, Gestalt- oder Gesprächstherapie, Bioenergetik oder
Systemische Therapie - extrem exotische Verfahren
seien mal ausgenommen). Ein solch "großes
Vertrauensverhältnis" kann selbstverständlich auch von einem natürlichen
Helfer
aufgebaut werden ...
Entscheidend sind die Grundprämissen
therapeutischen Handelns:
► Die Würde des Menschen achten, einfühlsam Anteil nehmen
und
den anderen in seinem So-Sein akzeptieren und Hoffnung geben
Einschränkend sei, wenn der Klient Gewalt übt gegen
Mitmenschen, z.B. sexuellen Missbrauch, psychische oder physische Folter.
Hier
muss der Helfer
kraft seiner Autorität entsprechend intervenieren und den Klienten keineswegs in
seinem So-Sein bestärken,
sondern ihn zu anderen Maßnahmen führen.
► Selbstheilungs-Kräfte mobilisieren und die ureigene
Lebensphilosophie
herauskristallisieren
► Den Menschen als soziales und potentiell liebevolles Wesen
fördern
► Therapeutisch-kreative Distanz üben, um Abhängigkeit zu
vermeiden
und Raum zu geben für Selbstregulierung
► Das Ziel der Psychotherapie klar und plastisch beschreiben und
problem-spezifische Methoden
und Übungen
zur Selbstregulierung
anbieten...
|
Doch nochmals sei betont:
Die jedem Menschen innewohnenden
Kräfte der
Selbstregulierung versuchen, einen gestörten Seelenvogel
wieder in ein inneres Gleichgewicht zu bringen. Das nach einer Krise gewonnene
"neue" Gleichgewicht kann
von dem ursprünglichen Zustand weit entfernt sein - und ist alles andere als
stabil, denn der Mensch ist ständig
wechselnden Erschütterungen ausgesetzt, etwa durch seine Mitmenschen, durch
Umwelteinflüsse, durch
das "innere
Verarbeiten" seiner Sinneseindrücke. Diese wechselnden Gezeiten und Stürme im
Seelenleben
sind natürlich -
und natürlich ist auch, wenn man dabei - falls nötig - Hilfe erfährt durch seine
Mitmenschen ..."
[(1) S.80-83]
"Zu Anfang einer Therapie ist es wichtig, die
Frage nach der individuellen
Lebensphilosophie
und der geheimen
eigenen Religion des Klienten zu stellen. Hieraus erwächst eine gewisse
Reifeprüfung
für den Therapeuten,
denn er muss gewillt sein, einen anderen Menschen auf seinen wagnisreichen Wegen
und
Irrwegen zu begleiten,
auch wenn er meint, es besser zu wissen aufgrund seiner Erfahrungen. Doch ein
Besser-Wissen
in Bezug auf
den Klienten soll es in der Therapie nicht geben, es würde nicht nur das
Spektrum des Klienten
beschneiden,
sondern auch - global - die weite Fülle des Lebens beengen und begrenzen.
Nebenbei bemerkt:
Genau diese
Beengungs- und Begrenzungsstrategie
verfolgt die klassische Psychiatrie, indem sie -
"wissenschaftlich" begründet -
vorgibt,
alles zu wissen über das Gesund-Sein und Krank-Sein der Psyche ..."
[(1) S.115]
"Die Menschen
haben vergessen, dass sie als schöpferische "Künstler des Lebens" geboren
wurden ...
Das Leben eines Künstlers des Lebens spiegelt jedes Bild wider, das er aus der
unerschöpflichen Quelle
seines Unbewussten erschafft. Jede seiner Taten ist Ausdruck seiner
Originalität, Schöpferkraft und
lebendigen Persönlichkeit. In ihm gibt es keine Konventionalität, keine
Konformität, keine hemmende
Motivierung. Er bewegt sich so, wie es ihm gefällt. Sein Verhalten ist wie das
des Windes, er bläst,
wie er mag. Sein Ich ist nicht in seiner fragmentarischen, begrenzten, gehemmten
egozentrischen
Existenz eingekerkert; er hat sein Gefängnis verlassen."
Daisetsu Teitaro Suzuki
(1870-1966)
Ein bekannter japanischer Autor von Büchern
über den Zen-Buddhismus.
Aus dem "Patienten-Dasein" zum
Therapeuten werden
"Sie erinnern sich: Der Seelenvogel
schreit in Angst, Verzweiflung, Verwirrung,
er fühlt sich wertlos und elendiglich ...
Als professioneller oder natürlicher Therapeut kann man den Seelenvogel in einen
Käfig sperren -
irgendwann wird der Seelenvogel sich beruhigen: die brachiale Domestizierung ist
der bequemste Weg.
Und hinzu kommt: Manche Seelenvögel lassen sich sogar gerne einsperren.
Oder: Man kann - als professioneller oder natürlicher Therapeut - dem
Seelenvogel zur Freiheit verhelfen,
dies ist selten einfach, oft bedarf es einer großen Hingabe, einem freund-lichen
Einfühlungsvermögen
und einer am Du-orientierten grenzenlosen Phantasie.
Versuchen sie folgendes Paradoxon zu erspüren:
Nur aus einer psychischen Extremlage, ohne die gängigen Werktage der Logik, kann
sich ein Mensch
geistig-seelisch in eine höhere Ebene entwickeln. Eine Methode des Zen besteht
darin, den Schüler in eine
existentielle Ausnahmesituation zu bringen, aus der er sich nur ohne Logik -
irr-rational - befreien kann.
Ein Mensch in psychischer Krise ist in einer ungemein privilegierten - und
gleichermaßen leidvollen - Situation,
in der er existentielle Grenzerfahrungen durchleben "darf", einen Ausweg
jenseits der Vernunft finden muss
und so eine höhere Stufe in Richtung auf die Ur-Seele - das Selbst, das
"Göttliche" - erklimmen kann.
Dieses soeben bezeichnete Selbst enthält im Kern Erlösendes.
Der Therapeut ist dabei kein Therapeut im schulmedizinischen Sinne. Er ist ein
"Meister", der gleichzeitig
diesen Titel ablehnt, weil er weder Hybris will noch Besserwisserei - ein
Meister, der seine eigene Psyche
wie auch
seine eigene soziale Umgebung meistert und dem Klienten das Existentielle
widerspiegeln kann:
das menschliche Leben in seiner extremen Vielfalt - das Leben - eben -... Das
Sein ...
Aber es gibt auch als Behandlungsweg eine
Psychologie ohne Seele, geschaffen für die, die keine höheren Bedürfnisse
(dies ist nicht wertend gemeint) haben, sondern lediglich - wieder oder zum
ersten Mal - im Alltag funktionieren oder von Symptomen
frei sein wollen. Dies ermöglicht ein Weiterleben mit weniger Sorgen, ein
Eintauchen in das all-bekannte Leben der Alltäglichkeit,
das wenig Einsamkeit bringt und viele erfreuliche Ablenkungen. Dies kann
bedeuten, sich halbwegs gemütlich einzurichten in dieser Welt,
wo man gelernt hat, die Widrigkeiten des Alltags zu ertragen, ohne sie zu
hinterfragen, und wo man die geheimnisvolle Tür zum Sein
nur eine Handbreit oder gar nicht öffnet.
"Das Ich, das "ich möchte dies - ich möchte das"
sagen kann, und das Ich, das will - ist eine schwache Kreatur;
es muss sich am Ende verständigen mit dem hartnäckigen, dem zähen Ich: das stumm
ist, das niemals redet,
das nicht argumentiert; und in manchen Menschen vielleicht der Wächter ist -
doch in Menschen meiner Art
der dumpfe, der unerbittliche, der unüberwindliche Geist der Mittelmäßigkeit ... Da war eine Tür, und ich konnte
sie nicht öffnen. Ich reichte nicht bis an die Klinke. Warum konnte ich mein
Gefängnis nicht verlassen?
Was ist die Hölle? Die Hölle ist man selbst, allein. Die anderen Gestalten darin
sind nur Projektionen.
Da ist nichts, wovor und nichts, wohin man fliehen könnte. Man ist immer allein.
Man ist immer allein."
Thomas Stearns Eliot
(1888-1965)
"Cocktailparty" (1949) - Komödie in 3 Akten
1948 Literatur-Nobelpreis
Aufbauend auf den Prägungen der Psychomatrix (z.B. während der Kindheit) und
einer genetisch-neuralen Schablone
(als angeborene Gegebenheit = Basisequipment) erwächst bewusst oder instinktiv
die individuelle Lebensphilosophie, die
eigene, geheime Religion, die individuelle Antwort gibt (oder geben kann) auf
die Frage, warum ich auf dieser Erde bin.
Erfahrungsgemäß übersteigt dabei die eigene geheime Religion in ihren Inhalten
und ihrer Tragweite die (in den
Industrieländern) staatstragende philosophische Ideologie des Konsumismus.
Die meisten psychischen Konflikte und so genannten psychischen Krankheiten sind
letztendlich fundamentalistische Antworten
oder fundamentalistische Widersprüche bezüglich der individuellen
Lebensphilosophie, der eigenen geheimen "Religion".
Um irgendeine "psychische Krankheit" - ob Depression oder so genannte Psychose -
zu verstehen, muss man zuerst in
den Tempel der privaten Lebensphilosophie eintreten. Es ist wenig ergiebig zu
versuchen, eine "psychische Krankheit"
zu heilen, bevor man nicht die private Lebensphilosophie des betroffenen
Menschen erkundet hat."
"Freundlich-einfühlsame Anteilnahme bei gleichzeitig
therapeutisch-kreativer Distanz
und Stimulierung der Selbstheilungskräfte."
"Empathie (im Sinne von einfühlendem, nicht wertenden
Verstehen),
positive Wertschätzung, Sich-sorgen, emotionale Wärme und
Echtsein im therapeutischen Verhalten"
"Empathie - Achten - Echtsein"
""Heil" im Sinne von Annehmen des Weltlichen und
Kosmischen, dessen, was ist,
des eigenen Da-Seins, wie es ist, und dabei in einem - traurigen oder fröhlichen
-
Gelassen-Sein leben ..."
"Der "Patient" hilft sich selbst und hilft dem andern.
Er wird zum Therapeuten des eigenen Ich und
zum Therapeuten des ihn umgebenden Du."
"Betrachtung
der sechs inneren und äußeren Grundlagen des Bewusstseins"
Bewusstseinvorstellung aus dem europäischen 17. Jahrhundert
[Bildquelle: Wikipedia]
Robert Fudd
(1574-1651)
Arzt und Philosoph
"Der universale Raum dehnt sich grenzenlos aus - ist überall, hoch oben in den
Sternen oder in unserem Zimmer.
Ausgehend von diesem Gleichnis, bitte ich Sie, sich vorzustellen, dass das
"Seelische", das ich
"Ur-Seele" nenne,
über-all ist, im Kosmos und hier auf erden, in allen Lebewesen und wohl auch in
den Dingen. Die Ur-Seele -
vergleichbar dem Raum - erfüllt alles - und erfüllt natürlich auch Sie und Ihre
Persönlichkeit - die Ur-Seele ist
das transpersonale Sein, ist das
"höhere Selbst" und im weiteren sinne -
"Göttliches".
Ein winziger Teil der Ur-Seele löst sich gewissermaßen und inkorporiert sich in
einem Einzelwesen,
zum Beispiel in einem Menschen. Ähnlich ist es, wenn der unendliche Raum auch
einen tönernen Krug füllt:
Der Raum in dem Kruge unterscheidet sich vom allumfassenden Raum nur durch seine
Begrenztheit.
Ebenso unterscheidet sich die Individual-Seele (das
"kleine Selbst") von der Ur-Seele
einzig durch ihre Begrenztheit ..."
[(1) S.39]
"Bei manchen Lebewesen - oder bei allen? - kristallisiert sich inmitten des
Meeres der "Individual-Seele"
eine kleine Insel des Bewusst-Seins. Man ist nicht nur die eigene
Existenz, sondern man kann gewissermaßen
auch daneben stehen und seine eigene Existenz - wie von außen - betrachten.
Bewusst-Sein. Ein weiterer Schritt
führt zum Ich-Bewusstsein, Ego-Bewusstsein.
Die genetisch-neurale Schablone ist das Basis-Equipment der
Psycho-Matrix (1).
Die Psycho-Matrix erfährt aber von Anbeginn ihres Seins dauernde und zahllose
Prägungen
und Konditionierungen, die allmählich zum Aufbau von relativ selbständigen
Matrix-Einheiten -
so genannten Ego-Bausteinen - führen. Der Mensch verfügt nicht nur über ein
"Ego",
sondern über viele Egos.
Beispiel: die kleine C. sieht am Gartentor ihre Freundin (Wahrnehmung,
Außenreiz) und freut sich
(die Wahrnehmung gelangt ungefiltert zur Psycho-Matrix und hat eine Stimmung
erzeugt).
In Sekundenschnelle werden noch andere Instanzen der seelischen Matrix berührt
(Denken, Gedächtnis, Imagination,
soziales Empfinden etc.), schließlich wird unter den vielen Egos eine Auswahl
getroffen und dem "kindlichen Spiel-Ego"
der Auftrag erteilt zu reagieren. Die kleine C. ruft: "Komm rein, wir können
vielleicht baden gehen und dann Eis essen."
Alsdann wird das "kindliche Vernunft-Ego" mobilisiert und C. sagt weiter:
"Ich frag' gleich den Papa ..."
Siehe ZITATE: Friedemann Schulz von
Thun / Mein Inneres Team
>>>
Auch ohne Außenreize ist die Psycho-Matrix in eine ständige Selbstbeschäftigung
vertieft, die einzelnen Instanzen der Matrix
"reden" dauernd angeregt miteinander und stimmen Prägungen und Reaktionsmuster
untereinander ab. Wenn vorher von
mehreren Egos gesprochen wurde, dann auch deshalb, weil dadurch sichtbar wird,
dass der Mensch nicht nur über eine
Persönlichkeit, nicht nur über ein Ego verfügt, sondern eine ganze Horde von
Egos dirigieren muss. Das bewusste
Kennenlernen dieser Teil-Persönlichkeiten ist nicht nur für Menschen mit
psychischen Störungen nützlich,
sondern kann auch von "Normalen" auf sehr kreative Weise im Alltag gewinnend
eingesetzt werden.
Viele Mitglieder unserer Leistungsgesellschaft schaffen sich jedoch immer neue,
besonders gut funktionierende Ichs,
die - rekordsüchtig - auf noch mehr Großtaten, Arbeits-output und glänzende
Auftritte getrimmt werden. Im vielleicht
winzigen Moment einer kleinen Erleuchtung ahnt man dann, dass dies nicht der
Sinn des Lebens sein kann und spürt
eine unbestimmte Sehnsuchz nach einem Zustand, wo man - einfach - ohne diese
multiplen Egos glücklich sein kann.
Wahrnehmungen, Empfindungen und Erfahrungen stürmen durch den
mentalen Filter [individueller + sozialer Filter
(1)] hindurch
und ergießen sich auf die diversen psychischen Matrices; diese sprechen sich
dann schnell untereinander ab, einer oder
mehrere Ego-Bausteine erhalten den Auftrag zu reagieren, meist in Form eines
konditionierten Reflexes.
Doch die Menschen (und auch die Tiere, vielleicht auch die Pflanzen) müssen
nicht nur reflektorisch handeln, sie können auch
tief im Innern der Seele eine bewusste, ein-malige Entscheidung wählen: ein
schöpferisches Unikat (!), anstelle des serienmäßigen
und ubiquitär vorhandene Reflexverhaltens. Das Ergebnis des Reflex-Verhaltens
ist eine einfache Re-aktion (wobei "einfach" nicht
abwertend gemeint ist). Das Ergebnis einer bewussten Entscheidung, einer
getroffenen Wahl (!) ist schöpferisch und zeigt sich
als selbständige Handlung. Nehmen wir einen einzigen, beliebigen Alltag unseres
Lebens: Wie oft handeln wir reflektorisch,
in Re-aktion - wie oft handeln wir aus bewusster, freier Entscheidung, in einem
selbständigen Tun?
Die Wahrnehmung haben wir als wichtiges Geschehen beschrieben, durch das die
psychischen Matrices in Bewegung geraten.
Die Wahrnehmung ist vielfältig: Sehen, Hören, Riechen, tastendes Spüren,
Schmecken, Temperatur und Lage empfinden,
Tasten - und der siebte Sinn - und so weiter. Die Wahrnehmung ist - wie sollte
es anders sein - kein objektiver Vorgang:
Jeder sieht die Welt mit
anderen Augen, jeder erlebt eine andere Realität!
Was wir wahrnehmen, ist nur eine Illusion, ist nicht die Realität,
sondern ein - subjektiv vor gefärbtes - Abbild."[(1) S.46-48]
(1) Während der frühen Kinderjahre baut sich
- spezifisch für jede gesellschaftliche Kultur - ein
"sozialer Filter" auf, der
gewissermaßen die Psycho-Matrix
umhüllt. Dieser Filter erwächst aus den Normen, Geboten und Gepflogenheiten
einer menschlichen Kultur, aus ihren Wertvorstellungen, moralischen und
religiösen Kategorien: Was ist gut, was ist böse? Was darf ich immer, was darf
ich ausnahmsweise, was darf ich nie? Wer ist liebenswert, wer ist ab-
zulehnen? Was darf ich anschauen, was darf ich sagen und was nicht? Wann werde
ich gelobt, wann bestraft? Welches Verhalten wird erwünscht?
Was ist wichtig im Leben? Was ist logisch, was ist unvernünftig? Was tut mir gut
und darf in mich eindringen? Wovor muss ich mich schützen,
weil es mich verletzen könnte? Welche Märchengestalten sind wahr? Gibt es
Dämonen, Kobolde, Schutzengel, Heilige, Götter?
Parallel zu diesem sozialen Filter ersteht ein
"individueller Filter" aus eigener
Erfahrung; als Beispiel möge eine kindliche Erfahrung dienen:
Werktags gibt es auf strenge Anweisung der Mutter nie Eiscreme, also wird die
Versuchung einer Werbetafel mit Eiscreme an Werktagen gar nicht
erst richtig in das Bewusstsein (Teil der Psycho-Matrix) vordringen. Somit
entsteht auch kein bewusster Konflikt zwischen Lust und Verbot.
Der soziale und der individuelle Filter lassen sich - der Einfachheit halber -
als "mentaler Filter"
zusammenfassen.
Alle Wahrnehmungen (auftretende Reize, Informationen) und Empfindungen (X)
können nur dann bis zur Psycho-Matrix vordringen,
wenn sie vom mentalen Filter durchgelassen werden. Der mentale Filter hat eine
Schutz- und Auswahlfunktion. Bestimmte elementare,
für das (Über)Leben essentielle Empfindungen/Wahrnehmungen wie Durst, Hunger,
Schmerz und sexuelle Lust durchlaufen offenbar
mühelos das Filtersystem und werden uns bewusst, ebenso wie Empfindungen von
entstehenden Gefahren. Subtilere affektive Empfindungen, wie z.B.
eine liebevolle Atmosphäre, eine feindselige Spannung oder die Empfindung beim
Anblick des aufgehenden Vollmondes durchqueren bei manchen den
mentalen Filter, bei andern nicht oder nur teilweise. Dies hängt davon, wie der
mentale Filter vom jeweiligen gesellschaftlichen Kulturkreis und vom Elternhaus
geformt wurde. Rigide, ängstliche Eltern verdichten das Filtersystem
ihres Kindes (z.B. durch unzählige Verbote), was dazu führt, dass das Kind sich
weniger
Wahrnehmungen und Empfindungen bewusst wird: Die Psycho-Matrix eines solchen
Kindes kann somit weniger Eindrücke sammeln. Gleichgültige oder oft-
abwesende Eltern schaffen bei ihrem Kind ein unvollständiges,
"durchlöchertes" Filtersystem und somit eine mangelhafte Schutzfunktion.
Aufgeschlossene,
unbeschwerte Eltern, die vielleicht noch zusätzlich eine glückliche
Atmosphäre schaffen, machen den mentalen Filter ihres Kindes grundsätzlich
durchgängiger
und offener: Das Kind muss gegen "normale" Reize und Informationen keine
unnötigen Barrikaden errichten, denn es hat gelernt, schädigende Außenreize zu
erkennen und abzuwehren. die Psycho-Matrix eines solchen freien Kindes sammelt
reichhaltige Eindrücke, das Reservoir für Wahrnehmungen,
Empfindungen und Erfahrungen wird gefüllt.
Das ["geistige"] mentale Filtersystem kann ganz oder teilweise ausgeschaltet werden:
dies geschieht durch bestimmte Drogen, am eindruckvollsten
durch Psychedelika (das bekannteste ist LSD), auch durch
Psychostimulantien (wie
Ecstasy oder Crack, weniger durch Kokain) und - dosisabhängig -
durch Euphorika (wie Alkohol, Opium,
Cannabis). Ebenso kann sich das
Filtersystem auflösen in extremen psychischen Zuständen (rasende Angst
bis Panik), unter
extremen Umweltbedingungen, z.B. einsam in der Hitze der Wüste, so
genannter Reizentzug oder - im Gegenteil - durch Reizüberflutung,
z.B. exzessive Techno-Disco. Das Gros von Wahrnehmungen (z.B. das Hören eines
Liedes, Riechen einer Speise) oder Empfindungen
(Spüren einer angenehmen Atmosphäre) oder Erfahrungen (z.B. das anerkennende
Lächeln eines Mitmenschen nach einer bestimmten
Leistung)
durchqueren den mentalen Filter und erreichen die Psycho-Matrix, ohne dass wir
uns dieses Vorgangs unbedingt bewusst werden.
So sammeln wir ständig - unbewusst - Informationen und Eindrücke und speichern
sie. Was alles in unseren Archiven und Vorratskammern
des Gehirns
lagert, hat so unvorstellbare Ausmaße erreicht, dass keiner von uns dies
annähernd überblicken könnte. Hinzu kommen noch
die bereits beschriebenen,
gewissermaßen prähistorischen Empfindungen aus unserer Pränatalzeit."[(1) S.43-45]
(X) Empfindung wird hier nicht im Sinne
der üblichen psychologischen Terminologie verwendet, sondern im Sinne von
Wahrnehmen einer Atmosphäre, Wahrnehmen (Spüren)
der Stimmung eines anderen Menschen, Wahrnehmen (Spüren) von Liebe, oder der
"siebte Sinn" im Wahrnehmen von Gefahren, Chancen oder über-sinnlichen
Gegebenheiten.
Mehrere Tore zur
Innenwelt
"Wenn wir Erde und Kosmos betrachten, so ist das psychische Phänomen nur ein -
eigentlich nicht abgrenzbarer -
Teil des kosmischen Phänomens. Man kann sich vorstellen, dass sich - ähnlich der
unendlichen Ausbreitung des "Raums" -
auch eine Ur-Seele unendlich verbreitet, überall ist. Von dieser
Ur-Seele (die wir auch das
"höhere Selbst" nennen können)
grenzt sich die Individual-Seele ab, die Individual-Seele
eines Menschen oder einer Katze, gewissermaßen das "kleine
Selbst";
die Individual-Seele wird eigenständig und bleibt dennoch verbundener Teil der
allumfassenden Ur-Seele. Man muss sich
klarmachen, dass die Individual-Seele mit all ihren
Mannigfaltigkeiten der einzige "geistige Teil" des
Kosmos ist, der für uns
unmittelbar erfahrbar wird und somit unerlässliche Bedingung einer allgemeinen
kosmischen Erfahrung ist.
Unsere Individual-Seele ist nicht nur das Tor zur Innenwelt, sondern darüber
hinaus das einzige Fenster,
durch das wir die universale Welt, das Kosmische schauen können.
An unserer Individual-Seele können wir unendlich viele Facetten entdecken und
betrachten. Für diesen Facettenreichtum
der Seele haben sich im Verlaufe der letzten 100 bis 200 Jahre aus dem Bereich
der Psychologie eine Reihe von Begriffen
entwickelt, die weitgehend auch sprachlich Allgemeingut geworden sind:
Mit diesen Begriffen werden letztendlich
unfassbare, dennoch erfahrbare Zustände
der Individual-Seele umschrieben.
Bitte lesen Sie die folgende Darstellung
von unten nach oben:
Wahrnehmbare Facetten der Individual-Seele:
Liebe
Weisheit, Vision
Bezogen-Sein zum Kosmischen, zum "Göttlichen"
Todähnlicher Tiefschlaf
Trance, Ekstase, Meditation
Archetypisches Seelenleben
Reservoir individueller Wahrnehmungen
und Empfindungen
(so genanntes Unbewusstes)
Reservoir für (zum Teil verdrängte) Erlebnisse
und Erfahrungen
Träume
Instinkt, Intuition
Bewusstsein
Ich-Bewusstsein und Ego-Bausteine
Imagination
Willensvorgänge
soziales Empfinden, innere Sensibilität
Erotik
Gefühle
Gestimmt-Sein (von Melancholie bis Euphorie,
von Gelassenheit
bis Wut oder Angst...)
Denken, Gedächtnis
Triebe (zum Beispiel Sexualität, Aggression)
Sinneswahrnehmung
Psychomatrix und mentaler Filter
Lebensenergie
Die Psyche wirkt auf den Körper ein - dabei entstehen
sichtbare Reaktionen und
spontanes Tun:
- sich ziel-gerichtet bewegen im Sinne von Tätig-sein
(angreifen,
fliehen, mitgehen, bei-sich-bleiben)
- sprechen, auch in der Zeichensprache
- Ausdruck (Gesichtsausdruck, Körperhaltung) zeigen
(z.B. Traurigkeit,
Angst oder Liebe)
- Wärme oder Kälte ausstrahlen
Einige der oben genannten psychischen Gegebenheiten werden auch unter dem
Begriff "Geist", bzw.
geistige Funktionen subsumiert, wobei "Geist" als ein von Körper und Psyche
unterschiedlicher Wesenteil des Menschen
gesehen wird (früher auch als
Geist-Seele-Körper-Verhältnis bezeichnet).
Manche Psycho-Theoretiker definieren dann vier "geistige" Funktionen: Aufnahme (input),
Speicherung, Verarbeitung
und Ausgabe (output) von Informationen. Die Informationsaufnahme erfolgt durch
Augen, Ohren und die anderen Sinnesorgane,
gespeichert wird im Gedächtnis, die Informationsverarbeitung wird gemeinhin
Denken genannt, als Träger von Informations-output
fungieren vor allem die gesprochene und geschriebene Sprache, auch die
Zeichensprache.
Der Mensch als Informations-gesteuertes Wesen - anders verhält es sich in der
philosophischen und religiösen Begriffswelt:
Hier spielt "Geist" (lateinisch: spiritus) als immaterielles Wesen eine eigene
Rolle. Wo wird vom "göttlichen Geist" gesprochen und vom -
den verschiedene Religionen eigenen - "rein geistigen Wesen" (Götter, Heilige,
Engel), die allesamt in ihrem Sein nicht an Materielles
gebunden sind. Nun kann auch der Seele des Menschen eine Geistnatur zuerkannt
werden, wenn man davon ausgeht, dass die Seele
sich zwar mit dem Leib verbindet, aber auch ohne ihn existieren kann. Nicht nur
beim Tod des individuellen Körpers, sondern auch im
intuitiven Erleben und/oder im Bezogen-sein zum Kosmisch-Göttlichen kann sich
die (Individual-) Seele vom Körper loslösen und geistiges Sein
erreichen. Ob außer den Menschen-, Tier- und Pflanzen-Seelen noch andere
"irdische Geistwesen" ("verirrte Seelen", Spukgeister, Dämonen,
Naturgeister, elfen usw.) die Erde beleben, wissen wir nicht, können wir aber
erahnen. Die Existenz "irdischer Geistwesen" lässt sich mit den
üblichen wissenschaftlichen Methoden nicht ergründen; doch lässt sich ebenso
wenig beweisen, dass sie nur Hirngespinste sind.
Bei der - psychologischen - Betrachtung des menschlichen Da-seins ist eine
Trennung der Begriffe "Geist" und "Psyche" artifiziell
und keineswegs zweckdienlich; so wird der Terminus "Geist" in diesem Buch selten, und wenn,
dann als Synonym für Psyche
(oder Seele) verwendet.
Um einige der oben erwähnten Facetten der Individual-Seele veranschaulichen zu
können, gebe ich ein einfaches Beispiel:
An einem späten Sommernachmittag ziehen Wolken auf, ich ahne (ahnen und
intuieren), es wird in nächster Zeit regnen ...
Tatsächlich höre ich alsbald ein leises seltsam-platschendes Geräusch (Sinneswahrnehmung) ...
Ich höre, spüre, sehe, taste,
schmecke meine Um-welt, doch diese Sinneswahrnehmungen bedeuten mir nur, dass da
etwas Sinn-erregendes (Sinnliches) ist,
es sagt mir aber primär nicht, was es ist ... Nach Bruchteilen von
Sekunden erkenne ich das seltsam-platschende Geräusch als beginnenden
Regen - diese Erkenntnis entspringt einem Vorgang, den wir Denken nennen
(in unserem Beispiel ein sehr schnell, fast gleichzeitig mit den Sinnes-
eindrücken einsetzendes Denken). Das Denken (mit Hilfe des damit verbundenen
Gedächtnisses) übermittelt mir, was hinter des Sinneswahrnehmung
steckt ... Und der Regen erzeugt eine Stimmung, zum Beispiel: "Ach ja, der Sommer
geht zu Ende, bald beginnen die grauen Tage ... Melancholie ..."
(Gestimmt-sein) ... Mein kleiner Sohn fragt: "Kommt der Regen vom lieben
Gott?" (einfaches Bezogen-sein zum Kosmisch-Göttlichen) ... Ich lächele,
stimme ihm zu und behalte meine recht abstrakte mit Zweifeln besetzte
Gottesvorstellung für mich (Weisheit), dann betrachte ich meinen kleinen
Sohn
mit beschützenden Gefühlen, die tief aus dem Herzen kommen (soziales
Empfinden ... Liebe ...) ... Ich trete hinaus ins Freie und spüre den
inzwischen
heftigen Regen und genieße ihn - ich schließe die Augen, atme weit
und ruhig, Gedanken vergehen, die Sinne verrauschen, ich vermische mich mit
dem Regen (Trance) ... und verschwebe in zeitloser Leichtigkeit ...
Ein einfaches Beispiel, doch auch die Seele wirkt in ihrer Einfachheit,
im Sinne von Einheit:
Dies bedeutet, dass die Seele keine Teile hat,
in die sie sich zerlegen ließe.
Wir können die Seele lediglich von vielen Seiten
beschauen und für das Gesehene passende Begriffe suchen
(Fühlen, Intuition, Bewusstsein etc.) und dabei den ein-fachen Reichtum unserer
Seele bestaunen.
Wenn Psycho-logen die unterschiedlichen
Facetten der Seele besehen,
dann analysieren sie und konstruieren theoretische
Gebilde."
Die
Entdeckung der individuellen Lebensphilosophie
"... Schmiede dir deine, schmieden sie sich ihre eigene Philosophie, werden Sie
zum Religionsgründer
in eigener Angelegenheit... Willst du deine individuelle, ganz private - auch
atheistische - Religion lieben,
oder willst du dich einer weit verbreiteten religiösen Richtung anschließen?
Alle Religionen mit Millionen Anhängerschaft -
die Religionen der Christen, Mohammedaner, Hindus, Konfuzianer, Buddhisten,
Taoisten, Schintiisten, die Religion der so
genannten Naturvölker etc. - all diese Religionen beziehen sich auf eine oder
mehrere Gottheiten oder auf gottähnliche
Prinzipien. Alle Religionen haben ihre Propheten und Priester, die zwischen dem
Gott-Prinzip und dem Menschen vermitteln:
Wohin willst du - als einzelner - dich wenden? Sokrates soll gesagt haben: "Ich
weiß, dass ich nichts weiß."
Ratlosigkeit befiel auch den einzelnen, der in Systemen des dialektischen und
historischen Materialismus lebte -
in den ehemals so genannten sozialistischen Staaten - Religion und Ideologie
sind Geschwister geworden: statt Jesus, Buddha
oder Mohammed kamen Marx, Lenin und Mao-tse-tung als verbindliche Wegweiser,
statt Priester wirkten Parteifunktionäre -
allesamt in Diensten eines "höheren Prinzips".
Die modernen Priester des heute herrschenden Konsumismus sind Showmaster,
Politiker, Formel-1-Rennfahrer, erfolgreiche (Pop)Musiker
und Schauspieler - wie Priester sind sie von einer anderen Welt, in der Welt des
sagenhaften Luxus, und sie sprechen - wie echte Priester -
zum gemeinen, kleinen Volk. Lassen Sie sich durch die Ideologie des herrschenden
Konsumismus verführen?
Die Götterkreaturen der Religionen und die Ersatzgötter der Ideologien, von
Marxismus bis Konsumismus, sind allesamt Produkte
der menschlichen Hirnphantasien ... atheistischer oder theistischer Glaube - was
bekümmert dies das Universum?
Bestenfalls schenkt es den Menschen ein kosmisches Lächeln.
Die eigene
Lebensphilosophie finden heißt, die Innenräume seiner Seele erforschen
und bereit sein,
über diejenige Realität hinauszugehen, die man mit Händen oder menschlichen
Begrifflichkeiten fassen kann ...
Was tun?
Das Leben so zu akzeptieren, wie es ist (was ein Engagement für eine bessere
Welt nicht ausschließt), auch akzeptieren,
dass der einzelne keine eigene - im Sinne von "Eigen-sein" - Seele hat, nur eine
Individual-Seele als reversible Ausstülpung
einer Ur-Seele. Die Individual-Seele zeigt wohl kein eigenständiges Weiterleben
nach dem Tode. Mit dem Tode geht der Mensch
ein in ein allumfassendes Ganzes und verliert dabei seine Individualität, die er
eigentlich nie gehabt, sondern die er sich nur
eingebildet hat... Das Akzeptieren der individuellen, psychischen Gegebenheiten
kann für den einen Teil der eigenen
Lebensphilosophie sein. Für den anderen kann eine Änderung der
Persönlichkeitsstruktur zum Lebensplan, zur eigenen
Lebensphilosophie, gehören.
Das Zauberwort, um den richtigen weg zu finden, heißt
in-sich-hineinhorchen.
Diesen Prozess kann ein Therapeut intensivieren, er kann ihn aber auch
behindern, indem ein Klient
zu sehr vom Therapeuten abhängig gemacht wird, oder indem durch eilfertig
verordnete Psychopharmaka
das eigentliche wesentliche verschleiert wird."
[(1) S.118-121]
"Des Menschen Seele gleicht
dem Wasser:
Vom Himmel kommt es.
Zum Himmel steigt es.
Und wieder nieder
zur Erde muss es.
Ewig wechselnd.
Seele des Menschen,
wie gleichst Du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
wie gleichst Du dem Wind!
Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)
„Der berühmteste deutsche Dichter“
Das Ich
"In den ersten Meetings vollzieht sich der
Aufbau der Persönlichkeit
des Klienten - sehr praktisch
gesehen - mit Hilfe
einer Vermehrung der Ich-Stärke, d.h.
einer Erforschung und Stärkung der bewussten
Persönlichkeit.
Auch dies geschieht auf natürliche und spontane weise millionenfach ohne
Therapeuten.
Ablehnenswert ist es, wenn erfolgssüchtige Psycho-Trainer ein bis zur
Rücksichtslosigkeit
wachsendes Mega-Ich bei ihren Kunden aufbauen.
Das Ich
erkennen
Ich-Stärke aufbauen
und schließlich
diese Ich-Stärke ablegen
wie ein lästiges Gewand?
Ich-Stärke - kennen Sie das? Vermissen sie
das? Wollen Sie Ich-Stärke erreichen oder überwinden?
Ich-Stärke umfasst ein sehr breites
Spektrum und ist eine globale Wesensbeschreibung,
die folgendes bedeuten kann:
Ich bin
aktiv und zwar eigen-mächtig; ich habe Durchsetzungsvermögen; ich bin mir meiner
selbst bewusst;
ich pflege Autonomie - weitgehende Selbständigkeit - ich kann die Stürme des
Lebens weitgehend autark meistern,
ich habe Ansprüche an andere, und ich erfülle in Maßen die Anforderungen meines
sozialen Umfelds; Ängste,
Depressionen, psychosomatische und sexuelle Störungen kann ich - fast immer -
souverän überwinden. Ich
gewinne immer mehr Selbstachtung, und ausgehend von meiner inneren Kraft kann
ich mich auch - wohldosiert -
anderen gegenüber in meinem Fühlen und Denken öffnen. Ich setze mich durch und
bin mir - selbstbewusst -
meiner enormen Fähigkeiten und Ressourcen bewusst. Ich habe eine persönliche
Ausstrahlung und bin - obwohl
selbstkritisch - sicher auf meinem Weg. Ich bin zufrieden bis glücklich und weiß
um den Sinn meines Lebens
Manche Menschen können sich mit den eben geschilderten Eigenschaften gut
identifizieren,
bei anderen erweckt diese Aufzählung Frustrationen, weil es scheinbar an vielem
"mangelt".
Wie geschieht - praktisch gesehen - der Aufbau
von Ich-Stärke und Selbst-Bewusstsein
in einem therapeutischen Meeting?
Allein schon das Erleben einer Situation, die von den Grundprämissen
therapeutischen Handelns getragen ist
(Anteilnahme, Akzeptiert-werden in seinem So-sein etc.), vermehrt Ich-Stärke.
Hinzu kommen - als Stichworte aufgeführt -
folgende förderliche Maßnahmen:
Ich
Bewusstes Wahrnehmen positiver Erlebnisse; betontes Erkennen kleiner und
großer Leistungen; sich die Vielzahl
der eigenen positiven Eigenschaften mehrmals pro Tag präsent machen; sich selbst
loben und belohnen für, auch kleine, Erfolge;
sich immer wieder klarmachen, dass man alle Energien, Erfahrungen und
Fähigkeiten (Ressourcen), um sein Leben zu meistern,
in sich trägt; das internalisierte Bild meiner Persönlichkeit, das Selbstbild,
größer werden lassen; bestimmte Eigenschaften
(z.B. Melancholie) nicht länger mehr negativ bewerten, sondern als reiche Quelle
nützen; Angst überwinden, oder als hilfreiche
Begleiterin akzeptieren; die individuelle Energiebilanz aufstellen und für mehr
Energiezufluss sorgen; nahe und ferne Ziele konstruieren,
die einen positiven Sog ausüben; die "Power-Übung" in das eigene Repertoire
aufnehmen; aus Autoaggression ein gesundes Maß
an Fremd-Aggression entwickeln (ohne den anderen zu verletzen); lernen,
unterschiedliche Stimmungen (freudig bis nachdenklich sein)
bewusst herbeizuführen; die Kunst der Autosuggestion kreativ für sich einsetzen;
sich üben in der souveränen Kommunikation mit anderen;
gleich-mütig (= gleichen Mutes), nicht gleichgültig werden; Leidenschaften
entdecken; sich in Liebe erleben etc.
Die meisten wollen Ich-Stärke gewinnen, um noch
glanzvoller zu funktionieren,
um die Grenzen der Aufnahmefähigkeit und Leistung aufzuheben.
Die immer schnelleren Verkehrsmittel sind Symbol für immer schnellere
Lebensläufe, wer mithalten will, von dem wird eine
Beschleunigung
seiner intellektuellen Fähigkeiten verlangt. Flexibilität - z.B. als
Arbeitnehmer - ist längst Selbstverständlichkeit geworden,
das exponierte eigene Ich
muss sich messen lassen an den Ichs der anderen Personen, die zum Vorbild
deklariert werden. Gefühle von Ich-Geborgenheit in Tradition,
Glauben, Natur und Familie sind in der aktuellen Welt aufgeblähter Ich-Stärken
wie verstaubte Antiquitäten. Status- und erfolgsorientierte Armani-Yuppies
mit Laptop und einem 10.000-$-Abend im Fünf-Sterne-Restaurant - für zu viele
Menschen ist dies Inbegriff von Ich-Power und wird dilettantisch
nachgeahmt durch das Rumtragen von Handys und Visa-Cards. Ich - Ich - Ich - der
Sog des luxuriösen, leichten Lebens wird durch wunderbare,
zu-Herzen-gehende Werbung, der neuen Massenreligion, vielfach verstärkt:
Das allseits strahlende Ich!
Ist dieses Ich anstrebenswert?
Mit der Ich-Stärke ist es wie mit äußerem
Reichtum:
Ein bescheidener Reichtum erleichtert das Leben,
exzessiver Reichtum bringt Übel für andere
und letztendlich auch für sich
selbst.
In unserer Konkurrenzgesellschaft, eingebettet in die Ideologie des Konsumismus,
mag ein merkliches Maß
an Ich-Stärke überlebensnotwendig sein. Ein Lebenskünstler kann seine Ich-Stärke
schöpferisch-für-sich
und einfühlsam-für-andere leben, kann all-einig sein und eins-sein mit seiner
Welt.
Aus der Ich-Stärke kann kreative Auflehnung,
Freiheit, Mannigfaltigkeit und Leidenschaft erwachsen -
gleichzeitig mit einer tiefen Moral in der Beziehung zum anderen, womit sich das
Ich
wie von selbst zurücknimmt. Ich nenne dies den "moralischen Eroberer" geistiger
Werte.
Gegensätzliches geschieht, wenn in Power-workshops (geleitet von verirrten
Psycho-Trainern) mit Turbo-Effekt
rücksichtslos Ellbogen-kämpfen geübt wird und Mega-Ichs hochtrainiert werden -
Selbstverwirklichung um jeden Preis:
dies sind zynisch-rabiate "selbst-süchtige Eroberer" materialisierter Werte.
An sich sind die Grenzen zwischen einem
moralischen Eroberer und einem
selbst-süchtigen Eroberer ziemlich klar,
doch gehört es zur Aufgabe eines Psychotherapeuten, mangelnde Ich-Stärke bei
einem Klienten nicht nur aufzubauen,
sondern auch die Grenze zur selbst-süchtigen Ich-Stärke erkennbar zu machen.
Überdies sollte offensichtlich werden,
dass - um gut zu überleben - nicht dauernd Ich-Stärke demonstriert werden muss,
vielmehr ist richtiger:
Ich-Stärke ablegen, um wahrlich zu leben."
[(1) S.121-125]
"Gesundheit bedeutet, dass man sein Ich fallen lässt,
seine Habgier abstreift,
nicht mehr der Erhaltung und Mehrung des Ich nachjagt, das man ist,
und sich selbst im Sein und nicht im Haben, bewahren,
begehren, benutzen erlebt ..."
Erich Fromm
(1900-1980)
Deutscher Psychoanalytiker, Philosoph
und Sozialpsychologe
"Psychische
Störungen und psychische Leiden
sind Ausdruck dafür,
dass die gegenwärtige Situation unerträglich ist und einer Änderung bedarf.
Diese Änderung kann im individuellen oder sozialen Bereich sein, oder auch beide
erfassen.
Von einer individuellen Änderung kann man auch dann sprechen,
wenn das, was bisher abgewehrt wurde
(z.B. melancholische Stimmung, Angstattacken)
akzeptiert wird als Teil der eigenen Persönlichkeit.
Gewöhnlich versteht man aber unter Änderung: etwas anders machen als
bisher,
eine neue Lösung finden, eine Wandlung herbeiführen.
Das Herbeiführen überraschender irr-rationaler, paradoxer Problem-Lösungen gibt
es im Management, in der Politik,
selten in der Pädagogik, im Buddhismus und anderen Glaubensrichtungen, in
Technik, Kunst und der Therapie der Psyche.
Es ist dies das blitzartige Herausspringen aus dem
einförmigen Kreislauf des Alltags und - damit einhergehend -
das Erobern
einer neuen Bewusstseinsebene. Mystisches Erleben gehört hierzu,
ebenso Erleuchtung, satori, visionäres Wahrnehmen und
paradoxes Heilwerden. Fragen nach dem Warum, Wann, Wer, Woher, Wie werden nicht
gestellt,
alles konzentriert sich auf die Gegenwart
und - im Falle des paradoxen Heilens - zusätzlich
auf das psychische Problem und seine Lösung."
[(1)
S.143]
"Das ICH, der Kern unseres so
hoch eingeschätzten Wachbewusstseins,
das den Maßstab für Normalität bestimmt und die Normen eines allgemeinen
Konsensus
darüber festsetzt, dieses ICH, das sich als WIR so ungeheuer ernst nimmt und
meint, den
Lauf der Dinge durch seinen Willen, seine Kontrolle und sein Wissen bestimmen zu
können,
dieses ICH ist nur eine Insel im Meer des UNBEWUSSTEN. Nein, es ist nicht einmal
eine Insel,
kein Festland, es ist ein kleines Boot auf hoher See, und nicht einmal das im
eigentlichen Sinn,
sondern nur der Steuermann, der das Boot zu lenken versucht.
Wäre es für einen Steuermann richtig, das Meer zu verachten, auf dem er fährt?
Wäre es angemessen, auf die Mittel, die die Reise ermöglichen, herabzuschauen,
und
sich darüber erhaben zu dünken? Wäre es von Vorteil, die unmittelbare Umgebung
zu hassen und sich zu gut dafür zu sein, die Reisebedingungen einzuschätzen?
Die Figur, die im Hintergrund enthalten ist, tritt aus diesem heraus, aber sie
verlässt ihn nicht.
Das ICHbewusstsein tritt heraus aus der ununterschiedenen Fülle des
Unbewussten und macht
einen Unterschied. Aber noch ist das ICH so ängstlich, dass es bei jeder
Bewegung des Geistes
fürchtet, die Anstrengung des Heraustretens und Unterscheidens wäre umsonst
gewesen,
der Unterschied wieder aufgelöst.
Das ICH muss sich abgrenzen, um sich nicht zu verlieren.
Das ICH ist von Angst so sehr überflutet, dass es starr wird
und sich in einem viel größeren Sinn abgrenzen muss,
als es unbedingt nötig wäre.
Das ICH verachtet seine Herkunft, wie der Sohn, der auszog,
etwas Besseres zu werden. Die Zeit für eine Versöhnung steht an.
Durch
Achtung, im wahren Doppelsinn des Wortes, gelingt es jedoch viel besser,
sich mit den Bedingungen des Lebens
vertraut zu machen.
Der bewusste Einsatz von Trance und
Autosuggestion kann dazu beitragen,
uns diese Achtung zu lehren und zu einer wahren Ökologie des Geistes zu führen.
Kay
Hoffmann
(b.1949,
Philosophin)
„Das Arbeitsbuch zur Trance“ p173
Nachwort: Trance - Versöhnung mit dem
Unbewussten.
Hugendubel 1996 (1994)
Psychotherapie zwischen Seelsorge
und Prostitution
"Nicht vergessen sollte man, dass es sich
bei einer Psychotherapie um eine
künstliche Beziehung handelt und dass der Therapeut
sich für seine Zuwendung honorieren lässt: ein bezahlter Freund. Ist die
Psychotherapie die geistige Variante der leiblichen Prostitution?
Auch die Prostituierten (ob weiblich oder
männlich) lassen sich für ihre - körperliche - Zuwendung bezahlen, sie
stehen zeitlich nur
begrenzt zur Verfügung und erlauben dem Kunden ungewöhnliches (sexuelles, aber
auch psychisches) Verhalten; gewöhnlich geht es
den Kunden nach der "Behandlung" besser als vorher. Auch in der Psychotherapie
soll sich der Klient so verhalten, wie er sich sonst
seiner Umgebung nicht zeigen kann oder will (z.B. traurig, ängstlich,
weinerlich); auch die therapeutische Zuwendung ist zeitlich limitiert,
der Klient sollte sich danach (nicht immer, aber meist) besser fühlen als
vorher.
Sowohl in einer Psychotherapie wie in der Prostitution darf der Klient/der Kunde
Schwächen zeigen: In der Psychotherapie sind dies
mangelndes Selbstwertgefühl, seltsame Phobien, Ticks oder Lebensängste etc., in
der prostituierenden Körpertherapie werden manchmal
ähnliche Schwächen sichtbar und zusätzlich Frigidität, Impotenz oder
Perversionen behandelt. Sowohl die Prostituierte wie auch der Therapeut
versuchen, sich während der Klientenzentrierten Behandlung in ihrer
Persönlichkeit zurückzunehmen und verschweigen - mit Rücksicht
auf den Klienten - eigene Wünsche, Vorstellungen und Lebensansichten. Beide -
Psychotherapeut und Prostituierte - nehmen bei frei zahlenden
Kunden Honorare, die deutlich über dem Facharbeiterlohn liegen, wobei gute
Prostituierte - den Straßenstrich ausgenommen - unvergleichlich
mehr verdienen als gute Therapeuten. Doch sei zugestanden, dass die
Prostituierte sich erheblich mehr in die Arbeit einbringen muss
und unvergleichlich mehr Risiken eingeht. Der psychotherapeutische Beruf ist
dagegen risikoarm. Im Gegensatz zum Psychotherapeuten
kann eine Prostituierte gemeinhin nicht mit Krankenkasse abrechnen - doch auch
hier gibt es Ausnahmen: Einige wenige Sexualtherapeuten
(vor allem in Nordamerika) haben in ihrem Team sehr wohl Prostituierte, die
gewissermaßen den praktischen Teil der Therapie übernehmen,
versteckt taucht diese intime Dienstleistung auf den psychologischen und
ärztlichen Honorarabrechnungen auf.
Der katholische Priester im Beichtstuhl
ist das andere Extrem, das an die Tätigkeit des Psychotherapeuten erinnert: Der
religiös Gläubige
(entsprechend dem Klienten) öffnet sein Herz und schüttet all die Bedrängnisse
und Kümmernisse aus, sein schlechtes Gewissen wie seine Angst
vor Verwirrung, Hoffnungslosigkeit und Tod. Wer Probleme hat mit dem Sich-Öffnen,
der wird vom Seel-Sorger - ähnlich vom Seelen-Therapeuten -
behutsam dazu gebracht, seine Emotionen und Gedanken fließen zu lassen. Der
Seelsorger praktiziert eher eine Ultra-Kurztherapie und muss sich -
ähnlich wie der ärztliche Kurz-Therapeut - zum Ende der Sitzung ein kompaktes,
zur Problemlösung führendes, Finale einfallen lassen. Bei beiden,
Seelsorger wie Psychotherapeut, spielt die Lebensphilosophie, bzw. die religiöse
Überzeugung eine entscheidende Rolle. Am Ende der Beichte steht
zunächst das Buße-Üben - vergleichbar der Aufforderung mancher Therapeuten,
bestimmte (z.B. verhaltenstherapeutische) Übungen zu absolvieren.
Diesem Ritual folgt beim Seelsorger der Absolution: "Ego te absolvo a peccatis
tuis, in nomine Patris, et Filii et Spiritus sancti, amen." [Ich spreche dich
frei von deinen Sünden...] Auch der Therapeut befreit durch seine empathische,
wertschätzende Haltung den Klienten von großer Last. Seelsorger und
Therapeuten zeigen gleichermaßen den Weg, der über die engen Grenzen
nur-materiellen Seins hinausführt ...
Bei allen genannten seelen-/körperlich-therapeutisch Tätigkeiten - wenn sie
differenziert und reflektiert arbeiten - erscheinen immer wieder Zweifel
über den wirklichen Sinn dieses beruflichen Tuns. Alle drei Berufe geben
unterschiedliche Formen von "Liebe" - dennoch hat sich das moralische Elend
auf Erden eher noch vergrößert - sollen die drei genannten Berufe - trotzdem -
einen gewissen Mut zum Weitermachen beibehalten?"
[(1) S.194-196]
"Was
die Psychiatrie als Geisteskrankheit verfolgt,
ist in Wirklichkeit ein Sammelsurium spiritueller Fähigkeiten.
Ein Mensch nach einer irreal-visionären Krise ["Schizophrenie"] kann wieder zur
grauen,
aber bequemen Normalität zurückkehren und seine spirituellen Fähigkeiten
brachliegen lassen
(wozu viele durch die Psychiatrie genötigt werden), oder er erkennt neue
Dimensionen
seines Da-Seins. Das geht dann über Selbst-Heilung weit hinaus ...
Irreal-visionäre ["psychotisch-schizophrene"] Fähigkeiten sind in jedem und
könnten gelebt werden,
aber für den Normalbürger ist dies ein gefährliches Wagnis, weil es das
System, in dem er lebt
und woraus er seine Sicherheit bezieht, fundamental erschüttert.
Wer aber über die Grenzen der gegenwärtigen Erkenntnis hinauswachsen will,
braucht Mut
zur existentiellen Neugierde, Mut, verschüttete Fähigkeiten wiederzuentdecken
und
zum eigentlichen Wesenskern vorzudringen, eine andere Form von Bewusstsein
zu erobern ... Haben Sie den Mut eines
spirituellen Eroberers?"
[(1) S.247]
"Die
Wissenschaft der Zukunft braucht Mut,
Absurdes in ihr Repertoir mit aufzunehmen.
Folgende Rechnung scheint einfach: 1+1 = 2
Und dennoch kann auch ein anderes Ergebnis heraus kommen -
Sie erinnern sich vielleicht an dieses Beispiel: 1+1 = 0
Ich nehme einen Apfel und esse ihn. Dann nehme ich einen
weiteren Apfel, verzehre auch diesen. Das heißt: 1+1 = 0.
Objektivität gibt es nicht."
"Die
meisten psychischen Konflikte und Krisen,
selbst Grenzsituationen unseres Seins
werden ohne professionelle Intervention
überwunden,
mit Hilfe
der eigenen Selbstregulierungskräfte
und manchmal -
zusätzlich -
mit Hilfe einfühlsamer Freunde ...
Gehen wir von einer
Ur-Seele aus, dann entsteht -
sobald sich von der Ur-Seele "Etwas" abgrenzt -
in diesem "Etwas" eine
Individual-Seele. Unser Körper mit seinen Organen und
Neurotransmittern
wird zum sichtbaren Teil der Seele. Der wesentliche Unterschied zwischen
Individual-Seele und Ur-Seele
liegt darin, dass sich erstere als abgetrenntes Einzelwesen erfahren kann,
als "in-die-Welt-geworfene" Existenz, das
Allein-sein spürt.
[(1) S.267]
Aus:
Josef Zehentbauer: „Abenteuer Seele. Psychische
Krisen als Chance“
Auszugsweise aus Seite 9, 56f, 80-83,99-100, 46-48, 43f, 39, 17-21,
106,107,108,111,112,
115, 118-121, 121-125, 143, 194-196, 247, 263, 267, 269 ALBATROS 2012 (2000)
[Meine Ergänzungen]
Psychosen (1)
- ein zutiefst menschliches Problem
Menschen müssen im Unterschied zu anderen Lebewesen um
ihr Selbstverständnis ringen.
Es gehört zu unseren Möglichkeiten, an uns zu
zweifeln, andere(s) zu bezweifeln und dabei
auch zu verzweifeln, über uns
hinaus zu denken und uns dabei zu verlieren.
♦ Wer lange
Zeit verzweifelt ist, ohne Halt und Trost zu finden, wer seine Gefühle nicht
mehr
mitteilen kann und sie nicht mehr aushält, kann depressiv
werden, wer die Flucht nach
vorne ergreift, auch manisch. (1a)
♦ Wer sich selbst verliert, verliert
auch seine Begrenzung und Abgrenzung zu anderen.
Entsprechnd verändert sich
die Art, Dinge und Personen um sich herum wahrzunehmen.
Die Gedanken werden
sprunghaft, probierend und weniger menschlich. (1b)
Dauert dieser Zustand an, sprechen wir von Psychosen
(1). Wer psychotisch wird, ist also kein
"Wesen vom anderen Stern", reagiert
nicht menschen-untypisch, sondern zutiefst menschlich.
Eine Psychose (1) ist eine tiefe existentielle Krise,
eine meist alle Lebensbereiche umfassende Verunsicherung.
Subjektiv ist
nichts mehr, wie es war, auch wenn aus der Sicht von anderen gar nicht viel
passiert ist. Vorrangig
können STIMMUNG, LEBENSGEFÜHL und LEBENSENERGIE
wesentlich verändert sein, dann spricht die
Psychiatrie von
"affektiver
Psychose" (1a). Oder es können vorrangig WAHRNEHMUNG, DENKEN und
SPRACHE
betroffen sein, das nennen Psychiater "schizophrene/kognitive Psychose" (1b).
Letztlich hängen Wahrnehmung und Stimmung (in beiden Richtungen) zusammen.
Und jede Psychose ist anders, so wie jeder Traum anders ist,
weil jeder Mensch ander ist ...
Menschlicher
Zugang - Vorurteile und ihre Entkräftung
Psychoseerfahrene Menschen und ihre Familien sind
meist mit völlig
falschen Vorstellungen über die Erkrankung konfrontiert.
Verbreitete Vorurteile sind:
Menschen mit Psychosen seien dumm, unheilbar
oder gespaltene
Persönlichkeiten. Schuld an der Erkrankung seien die Eltern
oder ihre Gene
und die Psychose sei ausschließlich somatisch zu behandeln.
Diese
Vorstellungen sind falsch.
Wahr ist:
♦ Menschen mit
Psychoseerfahrung verstoßen i.A. weniger gegen Gesetze als andere.
Bestimmte
Risiken sind befristet erhöht, doch auch in akuten Phasen sind Psychose-
erfahrene weniger gefährlich als Menschen unter Einwirkung von Alkohol oder
Drogen
♦
Am ehesten kommt es zu Aggressionen wegen subjektiv erlebter
Grenzüberschreitung,
solche Risiken sind meist vorhersehbar.
♦
Psychoseerfahrene sind eher Opfer von Missbrauch und Gewalt als Täter. Sie sind
in
erster Linie nicht unberechenbar, sondern selbst verunsichert in dem, was
anderen als
Wirklichkeit [sozial geteilte Wirklichkeit ↔ explizite
Psychoseerfahrung] erscheint.
♦
Manche Menschen erleben in Psychosen mehrere Realitäten oder verarbeiten die
tat-
sächliche Komplexität der Welt anders als sonst. Das Bild der
"Persönlichkeits-
spaltung" ist falsch und irreführend.
♦
In jedem familiären Zusammenleben gibt es Verwicklungen und Wechselwirkungen,
deshalb ist die Einbeziehung und Entlastung der ganzen Familie wichtig.
Beweise, dass ein bestimmtes "falsches" Verhalten der Eltern
Psychosen
verursacht, gibt es nicht.
♦
Es gibt zwar eine Eigendynamik des Hirnstoffwechsels nach psychischer Belastung;
doch ebenso bedeutsam für Erkrankung und Heilung sind psychische
und soziale
Prozesse.
Psychoseerfahrene benehmen sich nicht gleich und
unbedingt "krankheitstypisch",
sondern in erster Linie wie Menschen mit
unverwechselbaren persönlichen
Eigenschaften - auch in Hinblick auf ihre
Symptome ...
Aus: Broschüre 2007: „Es ist normal, verschieden zu sein! - Verständnis und Behandlung von Psychosen“
S.5,
17, erstellt im Dialog von Psychoseerfahrenen, Angehörigen und Therapeuten/Wissenschaftlern in der AG der
Psychoseseminare (Hrsg.), Redaktion: PD Dr. Thomas Bock, Dorothea Buck, Prof. Dr. Klaus Dörner,
Susanne Heim,
Cornelia Schäfer, Eva Schmittt, Prof. Dr. Peter Stolz, Ursula Zingler, Herstellung: Brücke Neumünster gGmbH,
Ehndorfer Straße 13-17,
24537 Neumünster, 6.Auflage 2007. (1) "Seelenkrankheiten", "Geisteskrankheiten",
(1a) afektive Psychose: bipolare affektive Störung, Manisch Depressive Krankheit. (1b) schizophrene/kognitive
Psychose: Schizophrenie.
Unter: www.rat-und-tat-koeln.de/bilder/pdfs/Broschuere_Es%
20ist%20normalverschieden%20zu%20sein.pdf
>>>
"Mich bedrückt es, dass die milliardenschwere Pharmabranche ganz darauf setzt, psychische Symptome mit Pillen
zu behandeln, ohne die eigentliche Ursache anzugehen. Damit wird man sich nie ernsthaft darauf konzentrieren,
der Krankheit wirklich auf den Grund zu gehen, geschweige denn, Menschen von ihren Medikamenten zu befreien. [...]
Fragt man auf der Straße einen Passanten, was eine DEPRESSION ist, so lautet die Antwort wahrscheinlich:
"Das ist eine chemisches Ungleichgewicht im Gehirn" Ich sage Ihnen: Das stimmt nicht. 20 Jahre lang hat die
Wissenschaft die Rolle der ENTZÜNDUNGEN bei psychischen Erkrankungen von Depressionen bis Schizophrenie
herausgearbeitet. In der Psychiatrie war die Beteiligung des IMMUNSYSTEMS am Ausbruch einer Depression
bereits im 20. Jahrhundert wohlbekannt. Doch Zusammenhänge begreifen wir erst seit Kurzem dank besserer technischer
Möglichkeiten und Langzeitstudien. Unsere DARMFLORA [das MIKROBIOM] kontrolliert nämlich nicht nur die Pro-
duktion entzündungsfördernder Substanzen im Körper, die auf die psychische Gesundheit einwirken, sondern auch
unsere Fähigkeit, bestimmte Nährstoffe - wie Omega-3-Fette - aufzunehmen, sowie die Erzeugung wichtiger Vitamine
für die psychische Stabilität. [...] Leider galt die Erforschung der Zusammenhänge von Darm und Ernährungsweise
bald darauf als "unwissenschaftlich". Mitte des 20. Jahrhunderts wich die Vorstellung, dass der Darminhalt
Einfluss auf die Psyche haben könnte, der Auffassung, dass Depression und Angst wichtige Faktoren seien,
die den Darm beeinträchtigen können, nicht etwa umgekehrt. Mit dem Siegeszug der Pharmaindustrie
gerieten jene früheren Forscher (1) in Misskredit. Erst über 80 Jahre später schließt sich nun der Kreis. [...]
In der Tat sind DEPRESSIONEN bei Menschen mit ... entzündlichen und autoimmunbedingten Krankheiten
wie Reizdarmsyndrom, chronischen Müdigkeitssyndrom, Firbromyalgie, Insulinresistenz und Fettleibigkeit
deutlich häufiger. All diese Erkrankungen zeichnen sich durch eine VERSTÄRKTE ENTZÜNDUNGS-
BEREITSCHAFT [silent inflammation] sowie eine HÖHERE DARMDURCHLÄSSIGKEIT [leaky gut] aus.
Genau deshalb müssen wir uns auf den Darm konzentrieren. [...] Bei einer INFEKTION facht das IMMUN-
SYSTEM die ENTZÜNDUNGSREAKTIONEN an, um die Infektion zu besiegen. Sobald Antibiotika ins Spiel
kommen, setzen sie dem MIKROBIOM zu und erleichtern damit entzündliche Prozesse. Auch Medikamente
gegen Autoimmunkrankheiten, zum Beispiel Steroide, können das bakterielle Gleichgewicht [die Vielfalt
der Mikrobiota: Diversität] im Darm kippen lassen und die Immunfunktion beeinträchtigen. ..."
Aus: Dr. David Perlmutter (b.1954, amerik. FA f. Neurologie u. Ernährungsmedizin), Kristin Loberg (Co-Autor), Imke Brodersen (Übersetzer):
"Scheißschlau: Wie eine gesunde Darmflora unser Hirn fit hält" ("Brain Maker: The Power of Gut Microbes to Heal and Protect Your Brain -
for Life" Yellow Kite 2015) Teil I: Hundert Milliarden Freundschaftsanfragen, Kapitel 3: Der depressive Bauch: Der Darm als Spaßbremse
und Angstmacher, Depression als Volkskrankheit, S.97, 99, Depression ist eine entzündliche Erkrankung, S.100,104, Autoimmunkrankheit,
Infektionen und Depressionen, S.106, Goldmann Verlag 3.Auflage 2018
(1) Alison C. Bested et al. (18.03.2013): "Intestinal microbiota, probiotics and mental health: from Metchnikoff to modern advances:
Part I - autointoxication revisited"
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Alison C. Bested et al. (13.03.2013): "Intestinal microbiota, probiotics and mental health: from Metchnikoff to modern advances:
Part II – contemporary contextual research"
https://gutpathogens.biomedcentral.com/articles/10.1186/1757-4749-5-32
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GUT MICROBIOTA FOR HEALTH by ESNM
European Society for Neurogastroenterology and Motility
www.gutmicrobiotaforhealth.com/
NIH Human Microbiome Project
https://hmpdacc.org/
The Sonnenburg Lab - https://sonnenburglab.stanford.edu/
Department of Microbiology and Immunology Stanford University/CA
Abb.1
Abb.2
Abb.3
Abb.1 (bearbeitet) aus: Maria Almond (2013): "Depression and inflammation: Examining the link" Inflammatory conditions
may precipitate or perpetuate depression, but the precise relationship is unclear. Current Psychiatry 2013 June;12(6):24-32
https://cdn.mdedge.com/files/s3fs-public/Document/September-2017/024_0613CP_Almond_Cov_FINAL.pdf
Abb.2+3 (bearbeitet) aus: IMD-Berlin: "Die Indolamin-2,3-Dioxygenase (IDO) als zentraler Regulator des Tryptophan-,
Kynurenin-, Serotonin-Haushaltes" https://www.imd-berlin.de/fileadmin/user_upload/Diag_Info/266_IDO_Aktivitaet.pdf
"Ein Mensch, der Heute unter
Depressionen leidet
und sich an einen Psychiater wendet, bekommt wahrscheinlich
folgende Worte zu
hören:
"Sie leiden an einem Ungleichgewicht der Botenstoffe
im Gehirn. Ihr Serotonin-Wert
ist zu niedrig. Das lässt sich gut mit
Medikamenten behandeln." Mit einem Rezept in
der Hand verlässt dieser
Mensch kurze Zeit später die Praxis. Manche sind
erleichtert über die biochemische Erklärung und dass es
Tabletten dagegen
gibt.
Diese Menschen wären erstaunt zu erfahren, dass die
"Serotonin-Theorie der Depression"
(von Alec Coppen 1967, (1923-2019) britischer Psychiater) bereits seit vielen Jahren widerlegt ist
...
[S.143]
Die [biochemische Erklärung der Depression]
Hypothese vom Transmittermangel
["Monoamin-Mangel Hypothese":
Serotonin, Noradrenalin, Dopamin,
aus den 60-iger
Jahren d. 20. Jhd.] wird der unendlichen Komplexität unseres Gehirns
nicht gerecht, erklärt der Depressionsforscher
[Prof.
Dr. Dr. Dr. h.c. mult.] Florian Holsboer [b.1945]:
"In unserem Gehirn
befinden sich Milliarden unterschiedliche Zellen; diese in
ihrer Funktion, sowohl im Zellinneren, als auch in ihrer Wechsel-
wirkung
untereinander zu begreifen, ist eine Aufgabe, der gegenüber das Verständnis des
Weltalls auch nicht schwerer
zu sein scheint" (1). Allein für
Serotonin gibt es mindestens 14 unterschiedliche Rezeptoren. Die
Signalübertragung lässt
sich sowohl präsynaptisch als auch postsynaptisch beeinflussen. Die Rezeptoren können innerhalb von Millisekunden
dynamisch
herauf- und herunterreguliert werden. Hinter diesem Rezeptoren-System sind
noch weitere "second Messenger"
geschaltet, die auf den Informationsfluss
einwirken. Die biochemische Signalübertragung [durch sog. Botenstoffe
(Trans-
mittersubstanzen)] ist zudem nicht der einzige Kommunikationsweg unserer Nervenzellen. Impulse
werden auch elektrisch
weiter geleitet. Die elektrische Kommunikation der
Nervenzellen lässt sich mit Tabletten [Psychopharmaka] nicht
beein-
flussen. In Irland und
Schweden haben die staatlichen Arzneimittelbehörden
auf diese Erkenntnisse reagiert. In beiden
Ländern ist es den Pharmakonzernen
verboten zu behaupten, ihre Mittel würden ein chemisches Ungleichgewicht im
Patienten korrigieren (2). Die Hypothese, Depressionen seien eine rein organische Erkrankung, kann sich negativ
auf den Patienten auswirken. Wird diese Auffassung einem
Depressiven vermittelt, entbindet es ihn vom Aufarbeiten
der Schwierigkeiten,
die die Depression ausgelöst haben. Er glaubt, mit der Einnahme von Medikamenten genug
gegen seine Erkrankung unternommen zu haben. Langzeitstudien haben
immer wieder gezeigt, dass Patienten,
die ihre Erkrankung rein medikamentös behandeln, insgesamt länger krank sind und ein deutlich höheres
Rückfallrisiko haben (3) ... In einem Interview (4) vom März 2015 sagt
Holsboer: "Diagnosen in der Psychiatrie
sind beliebig, weil sie keine objektiven Laborergebnisse enthalten. Man hat kein Röntgenbild, keine Blutwerte,
es sind auf verbaler Kommunikation basierende Einschätzungen. Diagnosekriterien ändern sich alle zehn
Jahre."
(4)
... Für die Zulassung eines Medikaments müssen Hersteller eigentlich
Dosisfindungsstudien
einreichen. In diesen soll die minimale Dosis bestimmt
werden, bei der das Medikament noch wirksam ist.
Bei allen Antidepressiva
mussten die Gutachter einräumen, dass "eine minimale
effektive Dosis für
Anti-
depressiva nicht festlegbar" sei". Wenn die Depression durch
biochemische Vorgänge definiert wäre,
wäre auch die Festlegung einer
Minimaldosis für Antidepressiva möglich ..."
Aus: Peter Ansari, Sabine Ansari: „Unglück auf Rezept - Die Antidepressiva-Lüge und ihre Folgen“
Psychopharmaka.
Die Biochemie der Depression ist unbekannt S.63f, 66, 67f.
Psychiater. Die Serotonin Lüge S.143,
Vorwort Prof.em.Dr.med. Bruno Müller-Oerlinghausen
Klett-Cotta 2016,
www.depression-heute.de
(1) Florian Holsboer: "Biologie für die Seele - Mein
Weg zur personalisierten Medizin" S. 51 C.H.Beck 2009
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Florian Holsboer: www.holsboer.de/index2.php?include=inc/show.php&id=4
(2) Anna V. Zetterqvist, Shai Mulinari: "Misleading Advertising for Antidepressants in Sweden:
A Failure of
Pharmaceutical Industry Self-Regulation" PLoS ONE 8(5): e62609
(3) Evelyn M. van Weel Baumgarten: "Treatment of depression related to recurrence:
10-year follow-up in general practice" J Clin Pharm Ther. 2000 Feb;25(1):61-6
http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.525.1506&rep=rep1&type=pdf
(4) Anja Reichelt: "Airbus-Absturz: Er muss eine Psychose gehabt haben" Interview mit
Florian Holsboer
Bunte online 28. März 2015
www.bunte.de/psyche/airbus-absturz-er-muss-eine-psychose-gehabt-haben-119010.html
"Die Fragwürdigkeit eines
neurobiologisch verkürzten
Psychopharmaka-Schizophrenie-Modells
zeigt sich, wenn die
betreffenden Menschen plötzlich nach Jahren des Stillstands und
Vor-sich-hin-Leidens
feststellen, dass Veränderung
und Besserung durch eine
vorsichtige Neuroleptika-Reduktion
und
entsprechende Formen und Dosierungen des Miteinanders
möglich sind.
Die Betreffenden stehen nun vor einer
harten Entscheidung: Sie müssen sich entweder der Erkenntnis stellen,
dass sie die vielen Jahre bis hierher möglicherweise unnötig gelitten haben,
insbesondere auch unter den Neben-
wirkungen der Medikamente
[Psychopharmaka], welche ja eigentlich alle Nutzerinnen und Nutzer haben - oder
sie
halten am (Selbst-)Bild eines unheilbaren Kranken fest. Letzteres jedoch
vermutlich in Zukunft mit berechtigten Zweifeln
an der Unveränderbarkeit
ihrer Lebensumstände. Die Einsicht liegt nahe, dass das erlebte Leid
möglicherweise sinn-
und grundlos durch die Art der medikamentösen Behandlung
verschlimmert wurde. Noch weitergehender ist dann
die Überlegung, dass die
Medikamente allenfalls kurzfristig, aber eben zumindest langfristig nicht
hilfreich waren,
sondern dass sie vielmehr die persönliche Entwicklung, die
Genesung in eine Art Warteschleife geschickt haben.
Vor diesem Hintergrund
muss sich die betreffende Person oftmals vollkommen neu definieren,
ihre
Vergangenheit neu und anders sortieren, ihr Bild vom Leben verändern ...
Es gibt keine Garantie, dass ein Absetzen des
letzten Krümels gelingen wird. Es gibt keine verlässliche Vorhersage,
wem es gelingen bzw. wem es nicht gelingen wird ... Es ist ja auch nicht
möglich, Antworten auf die Frage zu finden,
wer seine Psychose unter
Soteria-Bedingungen ohne Nueroleptika (1) bewältigen kann ... Es kommt durchaus
auch
darauf an, was die betreffende Person tut ... Es gilt also, Geduld zu
haben und die langfristige Perspektive beizube-
halten. Den richtigen Moment
zum Absetzen abzuwarten, bestenfalls mit der inneren Gelassenheit, dass mehrere
Anläufe nötig sein könnten, und dem Vorsatz, die entwickelten Routinen nicht
aufzugeben im Glauben, dass sie
mit dem Absetzen des letzten Krümels unnötig
geworden sein könnten. Nicht zuletzt ist denkbar, dass eine Rest-
medikation
erhalten bleibt. Dies muss keine Neuroleptikum sein. Es kann auch einfach eine
Schlafmedikation
[Baldrian, Hopfen, Melisse, Lavendel, Passionsblume,
Melatonin u.a.m] sein ... In diesem Sinne ist das Absetzen
des letzten
Krümels vielleicht nur ein anderes Wort für eine
Reduktion auf Placebo-Level. Eventuell muss eine
individuelle
Niedrigdosis beibehalten werden, da sich die Rückanpassung der neuronalen Netze
an eine medikamentenfreie Situation nicht (schnell genug) vollzieht ...
Medikamentenfreiheit dreht die Lebensgeschichte nicht zurück. Die
Psychoseerfahrung bleibt Bestandteil des
eigenen Lebens, die eigene
Psychosebefähigung (soziale Empfindsamkeit, soziales Dilemma, trouble
generateur)
bleibt ein Merkmal der eigenen Person. Eine zumindest über ein
bis zwei Jahre fortgesesetze Begleitung durch
Profis und die Nutzung von
Therapien sind deshalb auch nach dem Absetzen des letzten Krümels fast immer
sinnvoll. Manchmal können bestimmte wichtige Themen erst dann in der Therapie
bzw. im Leben
aufgegriffen werden."
Aus: Jann E. Schlimme, Thelke Scholz, Renate Seroka:
"Medikamentenreduktion und Genesung von Psychosen"
Leben mit einem letzten
Krümel oder ganz ohne Psychopharmaka, Der letzte Krümel S.211-215, Psychiatrie
Verlag 2019
(1) John R. Bola, Loren R. Mosher: "At Issue Predicting Drug-Free Treatment Response in Acute Psychosis From the
Soteria Project" Schizophrenia Bulletin 2002; 28(4): 559-576
"Je mehr ein Mensch seine Muskeln gebraucht, desto mehr gute Gefühle
spürt er
in seinem Kopf ... Lockeres Ausdauertraining hilft nicht nur,
den Niedergang der
kognitiven Fähigkeiten abzuwehren. Viellmehr hat es
auch das Potential
(StC),
den Verlust von
Gehirnstrukturen im Alter umzukehren! [Neurogenese (1962)
n. Joseph
Altmann (1925-2016), US-amerik. Neurobiologe
(JA)] ... Wer ins
Schwitzen kommt, der
schickt sein Gehirn zu Kur ... Wer ein körperlich
und geistig aktives
Leben führt, der scheint sein Gehirn vor unliebsamen
Verfallserscheinungen im Alter zu schützen"(JB)
Jörg Blech
(b.1966)
Deutscher Wissenschaftsjournalist
Sachbuch-Autor
(StC) Stanley J. Colcombe, Kirk I.
Erickson, Paige E. Scalf, Jenny S. Kim, Ruchika Prakash, Edward McAuley,
Steriani Elavsky, David X. Marquez, Liang Hu,
Arthur F. Kramer:
"Aerobic exercise training increases brain volume in aging humans" J
Gerontol A Biol Sci Med Sci. 2006 Nov;61(11):1166-70
www.gwern.net/docs/dnb/2006-colcombe.pdf
(JB) Jörg Blech: "Die Heilkraft der Bewegung - Wie Sie Krankheiten besiegen und Ihr Leben verlängern" Kapitel 10:
Die Seele wird munter S.151,
Reger Körper, wacher Geist S.162, Training - die bessere Tablette S.163,
Kapitel 11: Jungbrunnen im Gehirn. Mythos vom unveränderbaren Gehirn
[S.R.Cajal, Joseph Altman] S.171f, Geistige Bewegung - Rüstzeug für gesunde Gehirne S.176 FISCHER 2014 überarbeitete Neuauflage
von „Heilen
mit Bewegung“ 2007, ("Healing through Exercise: Scientifically Proven Ways to Prevent and Overcome Illness and
Lengthen Your Life: How Exercise
Can Cure Illness and Lengthen Your
Life" Da Capo Lifelong Books 2009). Siehe auch ZITATE:
Bernie Siegel: Krebs-Denken-Fühlen-Bewegen-Essen
>>>
Jean Marx: "Preventing Alzheimer’s: A Lifelong Commitment? Recent research suggests that keeping mentally and physically
active when young and middle-aged can help stave off the brain degeneration of Alzheimer’ Science 2005,309,S.864-866.
http://science.sciencemag.org/content/sci/309/5736/864.full.pdf
(JA) ~1928:
Das bisherige Dogma,
des spanischen Hirnforschers
und (1906) Nobelpreisträgers
Santiago Ramón y
Cajal
(1852-1934), der 1928 schlicht befand:
„Im erwachsenen
Gehirn sind die Nervenbahnen starr und unveränderlich.
Alles kann
sterben, aber nichts kann regenerieren“,
wird allmählich widerlegt.
Einige
Meilensteine der NEUROGENESE - GEHIRN-PLASTIZITÄTS-FORSCHUNG:
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Joseph Altman: The Discovery of Adult Mammalian
Neurogenesis in http://neurondevelopment.org/adult-neurogenesis
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were ignored by their contemporaries" Exp Brain Res. 2009 Jan;192(3):321-34
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Bogdan Draganski, Christian Gaser, Volker Busch, Gerhard Schuierer, Ulrich Bogdahn, Arne May: "Neuroplasticity: Changes in grey matter induced by training"
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Thome, Amelia Eisch: "Neuroneogenese - Relevanz für Pathophysiologie und
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Jörg Blech: "Hirn, kuriere dich selbst! - Forscher erkunden einen Jungbrunnen im erwachsenen Gehirn. Geistige Aktivität, soziale Kontakte,
aber auch körperliche Bewegung lassen neue Nervenzellen sprießen [NEUROGENESE] – was den Geist bis ins hohe Alter flexibel hält.
Wenn die Neuronen-Produktion erlahmt, drohen Alzheimer und Depression" Spiegel special (S.92-103) 4/2006
Siehe: http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/47216864
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Martin Halle: „Zellen fahren gerne Fahrrad - Mit gesunden Gefäßen länger jung bleiben“ Mosaik 2012
Martin Halle, Arno Schmidt Trucksäss, Rainer Hambrecht, Aloys Berg (Hrsg.): „Sporttherapie in der Medizin - Evidenzbasierte Prävention und
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Claude Bouchard, Roy J. Shephard, Thomas Stephens, John R. Sutton, Barry d. McPherson: „Exercise, Fitness, and Health - A Consensus of Current
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Andreas Broocks, Uwe Ahrendt, Marcel Sommer: "Körperliches Training in der Behandlung depressiver Erkrankungen"
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Norbert-Ullrich Neumann, Karel Frasch: "Biologische Mechanismen antidepressiver Wirksamkeit von körperlicher Aktivität"
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Ralf Sygusch, Petra Wagner, Anke Janke, Walter Brehm: "Gesundheitssport – Effekte und deren Nachhaltigkeit bei unterschiedlichem
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Rainer Hambrecht, Stephan Gielen: "Essay Hunter-gatherer to sedentary lifestyle" Lancet. 2005 Dec;366 Suppl 1:S60-1
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Sylvia Kirchengast: "Physical Inactivity from the Viewpoint of Evolutionary Medicine" Sports 2014, 2, 34-5
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Prof. Dr. med. Hinderk Meiners Emrich
[1943-2018], lange Zeit Ordinarius
für Psychiatrie an der Medizinischen Hochschule Hannover
[1992-2008],
erklärte:
"Ich kenne viele Künstler, die intensiver als ich mit ihrer Seele reden
und die sagen, ohne diese paranormalen Fähigkeiten könnte ich
nicht arbeiten. Die Psychiatrie läuft heute in Gefahr, alles unge-
wöhnliche Seelenleben, das in der Romantik noch positive Neben-
klänge hatte, als pathologisch zu etikettieren und zu bekämpfen."
Es scheint das Schicksal kreativer Menschen zu sein, dass sie
verdächtig erscheinen, sobald sie aus der Masse ragen.
Aus: Jörg Blech: „Die Psychofalle: Wie die Seelenindustrie uns zu Patienten macht“
Kapitel 14: Wohl dem, der eine Macke hat. Zwischen Genie und Wahnsinn S.249f
FISCHER 2014
"Das Buch
["Chemie für die Seele" (2)] ist ein Aufruf, der konventionellen Psychologie und Psychiatrie zu misstrauen,
und den Potentialen und Kräften der eigenen Selbst-Erkenntnis und Selbst-Heilung
zu vertrauen."
Man kann - wie ein moderner
Galileus Galilei - die Lehrgebäude von Psychologie und Psychiatrie auf den Kopf
stellen:
Das dann entstehende Gegenteil kommt den tatsächlichen Gegebenheiten etwas
näher. "Depression" ist nicht primär ein
Übel,
das vertrieben werden muss, sondern ist (wenn auch manchmal leidvolle)
Grenzerfahrung zwischen Leben und Tod,
ist überdies
Fundgrube für Tiefgang und Kreativität ...
"Schizophrenie" ist eine Erfindung der Psychiater und erinnert an
Hexenverfolgung
und Inquisition; diese Diagnose ist eine arrogante Verdrängung von
ungewöhnlichen Wahrnehmungen und eine Verleugnung
des Visionären ...
"Angst" ist eine notwendige Begleiterin
unseres Wissens um den Tod ...
"Neurosen"
sind Verhaltensweisen,
die man in einer Lebensphase
(ob Kindheit oder Erwachsenenalter) erlernt hat und die dem Durchschnittsdenken wider-
sprechen;
"Neurosen" hat jeder, der markante
psychische Eigenheiten zeigt und sich vom grauen Alltag abhebt ...
Ein radikales Umdenken ist nötig:
Um sein Ich und
seine Seele zu erforschen, muss man über die bloße Psychologie hinausgehen
und den Mut zur absoluten Subjektivität haben. Die üblichen Wissenschaften gehen
von außen
an das Objekt "Seele" heran und bleiben deshalb Außenseiter."
[S.264]
Die in diesem Buch
(2)
präsentierten Grundlagen einer neuen - zum Umdenken auffordernden -
Psychotherapie
erwachsen aus den Strömungen
der humanistischen Psychologie [Erich Fromm], der existentiellen Philosophie
[Psychiatrie: Rollo May, Irvin D. Yalom] und des Zen-Buddhismus.
Diese radikal auf die Selbstheilungskräfte-
beruhende Psychotherapie wendet sich
nicht nur an professionelle Psychotherapeuten, sondern auch
an
Nicht-Spezialisten, an "natürliche Helfer", vor allem ist der
"Therapeut-in-uns"
angesprochen, gewissermaßen
der beste Therapeut, der in
jedem von uns ist und der Selbstregulierung und Selbstheilungskräfte entfaltet
...
Letztendlich liegt das Geheimnis darin, unsere Seele nicht
zu bekämpfen,
sondern sie anzunehmen, zu schätzen und zu lieben ... dann wird
aus dem psychischen Reifungsprozess
ein individueller Beitrag
zur globalen Sehnsucht nach einer gerechteren,
friedlichen Welt ...
Ein neues Zeitalter hat begonnen: die Raumfahrt in den eigenen Kosmos,
in den
Kosmos der eigenen Seele.
Sie können daran
teilnehmen - tun Sie's"
[S.269]
Siehe auch ZITATE: Friedemann Schulz
von Thun / Mein Inneres Team
>>>
Dr. med. Josef Zehentbauer
(b.1945)
Josef Zehentbauer, verheiratet, vier Kinder, Dr. med.,
langjährige Tätigkeit als Allgemeinarzt und Psychotherapeut in einer
psychosomatisch
orientierten Gemeinschaftspraxis in München. Früher ärztliche Tätigkeit in
Afrika (Nigeria) und Indien (Kalkutta), mehrjährige Arbeit in der Neurologie,
in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und der Akutstation einer
Nervenheilanstalt sowie gemeinsame Projekte mit Franco Basaglia (1924-1980,
ital.Psychiater)
und anderen Exponenten der "Kritischen Psychiatrie" Italiens. Mitarbeit an
Fernseh- und Rundfunksendungen zum Thema Psychopharmaka. Zahlreiche
Veröffent-
lichungen,
Vorträge und Seminare über Psychiatrie, Psychopharmaka/Psycho-Drogen,
Medizinkritik, Psychotherapie und alternative Heilverfahren.
(1) Josef Zehentbauer: „Abenteuer Seele. Psychische Krisen als Chance“ ALBATROS 2012 (2000)
(2) Josef Zehentbauer: „Chemie für die Seele.Psyche, Psychopharmaka und alternative Heilmethoden“ 11. teilweise aktualisierte Auflage mit
einer Ergänzung zu den neuesten Antidepressiva und atypischen Neuroleptika. Peter Lehmann Antipsychiatrieverlag 2010 (1986)
www.josef-zehentbauer.de;
www.antipsychiatrieverlag.de/verlag/titel/zehentbauer.htm
(3) „Körpereigene Drogen – Garantiert ohne Nebenwirkungen“ Patmos Verlag der Schwabenverlag AG 8. Auflage 2015
(2005)
Körpereigene Drogen
= Botenstoffe = Neurotransmitter = Moleküle des Lebens
(3)
"Ob wir uns ärgern oder ob wir glücklich sind, ob wir uns entspannen
oder hyperaktiv sind, ob wir
vor Kreativität sprühen oder Lust auf Sex haben
- all dies lässt sich biochemisch erklären: Es
sind winzige Botenstoffe,
kleinste Moleküle, die in unserem Gehirn und im gesamten Körper
hin und her
eilen und unsere Gefühle und Gedanken "transportieren", von einer Nervenzelle
zur anderen, von einem Organ zum anderen. Neueste wissenschaftliche
Erkenntnisse
beweisen: All unsere Gefühle und Gedanken, unser Wahrnehmen
und Handeln
werden von diesen Botenmolekülen getragen, weitergeleitet,
"verarbeitet", ge-
speichert und in Aktionen umgesetzt. Ohne Botenstoffe - ohne
"körper-
eigene Drogen" - ist Denken und Fühlen nicht möglich ...
Jeder Mensch hat die Fähigkeit,
körpereigene
Drogen (3) zu produzieren -
schmerzstillende,
angstlösende,
beruhigende,
mitfühlende,
transzendenzfördernde,
energiesteigernde,
gesundmachende,
lustaktivierende Substanzen.
Unsere psychosomatische Instanz
setzt körpereigene
Drogen (3)
je nach Bedarf ein und
mobilisiert Kräfte,
um das eigene Leben
und
das Leben der anderen Wesen
zu erleichtern.
Die Stimulierung körpereigener Drogen (3)
können wir
bewusst lenken
und fördern."
Das "Externe" (Ereignisse, Sinneswahrnehmungen: wie
die Begegnung mit einer sehr liebevollen Person,
ein Wellnesstag, ein
grandioser Sonnenuntergang etc.) und absichtlich herbeigeführte
seelisch-körperliche
Zustände (von Tanzen bis Meditation) bestimmen das
"Interne" (und damit die Stimulierung spezifischer
körpereigener Drogen)."
Aus: Josef Zehentbauer: „Körpereigene Drogen – Garantiert ohne Nebenwirkungen“
Einleitung S.9; Die körpereigenen Drogen des Menschen: Mikroanatomie der Seele
S.43, Methoden zur Mobilisierung körpereigener Drogen S.193, Patmos Verlag
der Schwabenverlag AG 8. Auflage 2015 (2005; A&W 1992)
„Nach unserem heutigen Wissen
bedeutet Schizophrenie
in den meisten Fällen die besondere Entwicklung,
den besonderen Lebensweg eines Menschen
unter besonders schwerwiegenden
inneren und äußeren
disharmonischen Bedingungen,
welche Entwicklung
einen Schwellenwert überschritten hat,
nach welchem die Konfrontation
der persönlichen inneren Welt
mit der Realität und der Notwendigkeit
zur Vereinheitlichung zu schwierig
und zu schmerzhaft geworden ist
und aufgegeben worden ist”
Prof. Dr. med. Manfred Bleuler
(1903 - 1994)
Schweizer Psychiater
Aus: "Schizophrenie als besondere Entwicklung"
in
Klaus Dörner (Hg.):
"Neue Praxis braucht neue Theorie. Ökologische
und andere Denkansätze für gemeindepsychiatrisches Handeln -
38. Gütersloher Fortbildungswoche" J.v.Hoddis-Verlag 1987
"Neuroleptika [typische u.
atypische NL (Antipsychotika)](TAN) blockieren die Dopamin-Übertragung [im Gehirn]
und werden bei Menschen mit psychotischen Symptomen [Halluzinationen, Wahn, Realitätsverlust, Ich-Störungen
(Fremdbeeinflussungserleben, veränderte Wahrnehmung), Schizophrenie] eingesetzt.
Dabei ist das gemeinsame
und beabsichtigte Wirkprinzip aller Neuroleptika
eine Blockade des postsynaptischen Anteil der Dopamin-D2-
Rezeptoren.
Auf eine erhöhte Dopamin-Produktion und -Ausschüttung, die mit Psychosen einhergeht, haben
Neuroleptika damit keinen Einfluss. Demnach besitzen sie auf der biologischen Ebene keine "ausheilende"
Wirkung, sondern verursachen im Gehirn und Körper oft weitere
ungünstige Veränderungen, die mit der
Dauer ihrer Anwendung meist noch zunehmen. Neurobiologische Forscher haben ihre Wirkung
so beschrieben:
"Neuroleptika wirken nicht ursächlich auf
Wahn und Halluzinationen, sondern symptomatisch
wie die Lautstärkenregelung
eines defekten Radios mit Hintergrundrauschen, bei dem durch
Leiserstellen
zwar das lästige Rauschen unterdrückt wird, ohne jedoch das zugrundeliegende
Problem der Fehlfunktion zu beheben."
[A]
"Erwünschte Wirkung
des Neuroleptikums ist das Abblenden oder Distanzieren von dem
aufdringlichen "Zuviel" der Bedeutungs-
vielfalt in der Psychose. -
Alles fällt irgendwie bedeutungsärmer und weniger intensiv aus und wird
künftig auch zunehmend genau
so erwartet. - Schließlich ist die überfordernde
und ängstigende Bedeutungsfülle das Hauptproblem während der Psychose.
Diese
spürbare Wirkung wird erreicht, wenn ca. 50 bis 65 Prozent der vorhandenen
Dopamin-2-Rezeptoren im [mesolim-
bischen] Belohnungssystem des Gehirns
blockiert
sind ... [= "neuroleptische Schwelle" (1954, n.
Hans Joachim Haase
(1922-1997): = "Verkleinerung der Handschriftenfläche
von 13% unter
Neuroleptika Therapie" (1). Nicht für alle Neuroleptika
gültig: Clozapin
(Leponex)! Quetiapin (Seroquel), Olanzapin (Zyprexa)] ...
Wird diese Schwelle unterschritten,
kann die im Krisenfall erwünschte Wirkung nicht erwartet werden. Wird diese
Schwelle
überschritten, drohen hingegen mehr Nebenwirkungen durch die Blockadewirkung in anderen Bereichen des Gehirns [Vier
dopaminerge Systeme des Gehirns:
mesolimbisch, nigrostriatal, tuberoinfundibulär, mesokortikal]. Streng genommen
müsste also bei jeder
Person, die zum ersten Mal mit einem Neuroleptikum behandelt wird, die
[neuroleptische] Schwelle
[durch langsames tägliches Steigern der Tagesdosis] individuell bestimmt werden ... entscheidend [ist], dass eine Auseinan-
dersetzung mit der eigenen Psychoseerfahrung noch möglich ist. Schließlich gilt es,
[gemeinsam in verfahrenen Situationen
neue Entwicklungsmöglichkeiten und
Auswege zu erkennen] einen Wendepunkt für sich zu finden. Unter sehr hohen
Dosen eines Neuroleptikums ist das typischerweise nicht mehr möglich [s.u.] ...
Die alte klinische Beobachtung, wie sie z.B. in der sogenannten neuroleptischen
Schwellendosis n. Haase (1954) trans-
portiert wurde, steckt auch heute noch
in vielen biologischen und pharmakotherapeutischen Strategien, nämlich dass
aus einer psychischen Problematik eine somatische gemacht wird.
Dies hat für die Beteiligten, die Betroffenen
und deren Familien, ... für die
behandelnden Teams, ... die auf Körpermedizin spezialisierten Ärzte,
anfangs durchaus
etwas Beruhigendes, wird
dann aber über die lange Zeitdauer der Anwendung der Substanzen [Antipsychotika]
zu-
nehmend zum Problem, da die anfängliche Wirkung, die häufig als
Entlastung empfunden wird, verblasst und die
unangenehmen [Neben-]Wirkungen
wie die Gewichtszunahme deutlicher werden. Dem wird begegnet durch Dosis-
erhöhung und mittels Medikamentenkombinationen. Allerdings wirkt auch das neue
Medikament, die neue
Kombination oder die höhere Dosierung schon nach einigen
Monaten wieder ähnlich. Weil sich in der Praxis
einfach zeigt, dass sich
seelische Probleme nicht durch den Einsatz von
Substanzen [Psychopharmaka]
lösen lassen, sondern dass [gemeinsam] nach einer
Lösung in der Lebenswelt gesucht werden muss ...
So gesehen lässt sich das
Mantra [Lied] der naturwissenschaftlichen Psychiatrie, formuliert (1861) von
Wilhelm
Griesinger [1817-1868, dtsch. Internist, Psychiater, Neurologe] (2),
"Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten",
besser verstehen als
eine Art trotziger Ausruf des biologisch orientierten Arztes im Sinne von:
Geistes-
krankheiten sollen Gehirnkrankheiten sein, damit ich sie als Arzt
verstehen und behandeln kann.
Tatsächlich ist es aber nicht so, sondern
psychische Krankheiten sind kommunikative Phänomene, mit
Stavros
Mentzos (3)
[1930-2015, griech.-dtsch.Psychiater,PA] (2009) können wir sie auch verstehen
als Psychosoma-
tosen des Gehirns. Zu ihrer Überwindung brauchen wir
gerade aus körpermedizinischer Sicht die gesunden,
flexiblen Eigenschaften,
die das Gehirn so lange, wie wir leben, zu bieten hat. Durch die
Dauerverordnung von
Psychopharmaka riskieren wir, dass diese
gesunden, selbstregulatorischen Prozesse im zentralen Nerven-
system, die ja
durch die Psychosomatosen des Gehirns nicht vollständig außer Kraft gesetzt
sind, unter-
drückt werden und als Ressource zur Heilung verloren gehen. Und
auf der Seite der Kommunikation
gehen wir das Risiko ein, dass wir die
Botschaft der Unverständlichkeit, die in den psychischen
Symptomen enthalten
ist, überhören ..."
Aus: Jann E. Schlimme, Thelke Scholz, Renate Seroka: „Medikamentenreduktion und Genesung von Psychosen“ Wie funktioniert eigentlich Genesung
von Psychosen?
Neuroleptika. Welche spürbaren positiven Wirkungen haben Neuroleptika während der Psychose? S.48-53,
Die Praxis des Reduzierens und Ausschleichens. Exkurs
in die Klinik. Was
behandeln wir: Gehirnkrankheiten oder Psychosomatosen? S.182, Psychiatrie Verlag 1.Auflage 2019
(1) H. J. Haase: "Über Vorkommen und Deutung des psychomotorischen Parkinsonsyndroms bei Megaphen-bzw. Largactil-Dauerbehandlung"
Nervenarzt. 1954 Dec 20;25(12):486-92
(2)
Wilhelm Griesinger: "Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten für Ärzte und Studierende"
Stuttgart Verlag von Adolph Krabbe 1861
(3) Stavros Mentzos: "Lehrbuch der Psychodynamik. Die Funktion der Dysfunktionalität psychischer Störungen" Vandenhoeck & Ruprecht 2009
"Wir alle sind Gläubige: Früher waren die
meisten Menschen Gläubige der in ihrem Umfeld praktizierten Religion,
heute
sind wir größtenteils WISSENSCHAFTSGLÄUBIGE. Und zu dieser
Wissenschaftsgläubigkeit gehört der
Glaube an die im Namen der Wissenschaft
gemachten Aussagen [hier] der Psychiater. Wie unwissenschaftlich
und
ungesichert diese Aussagen im Grunde sind, ist verständlicherweise nur für
diejenigen ersichtlich,
die sich eingehend mit diesem Fachgebiet
auseinandersetzen.
Wenn also der Psychiater bzw. der Arzt als EXPERTE - wie
früher ein Priester - die seelische Befindlichkeit der
Gläubigen
[PatientInnen] durch seine Aussagen und Verordnungen beeinflussen kann, wenn er
ihnen positive
Auswirkungen seiner Behandlung [zu suggerieren] vorzugaukeln
vermag, dann gilt dies auch damit, wenn er
ihnen kraft seiner Autorität
RÜCKFÄLLE für den Fall des Absetzens der Psychopharmaka voraussagt."
Aus: Marc Rufer: 1. "Angst machen - Angst nehmen: Beim Absetzwunsch wird die Meinung der Ärzte zur Gefahr"
Rituale S.204, in Peter Lehmann: "Psychopharmaka absetzen" 2013 [Meine Ergänzungen]
2. „Glückspillen – Ecstasy, Prozac [Fluoxetin] und das Comeback der Psychopharmaka“ Knaur 1995
"Dass in der
Psychiatrie Krankheiten mit Medikamenten behandelt und geheilt werden, wie in der
körperlichen Medizin, ist ein Mythos.
Ein säkularer Mythos. Mythen zeichnen
sich dadurch aus, dass sie mit Frage- und Denkverboten verbunden sind
[Mario Erdheim,
b.1940, Schweizer Ethnologe, Psychoanalytiker (1)]. Psychiatrische
Diagnosen entsprechen in keiner Weise biologischen Gegeben-
heiten. Dies darf
und soll nicht erkannt werden. Vielmehr sind sie willkürliche soziale Konstrukte
und auch Konventionen, das heißt
Abmachungen unter ExpertInnen. So wird
beispielsweise die Schizophrenie von der englischen Psychologieprofessorin
Mary Boyle
(2) als
"scientific delusion", also als wissenschaftliche Irreführung, Täurschung oder
Wahn bezeichnet. Der Allgemeinheit werden
psychiatrische Diagnosen als
Glaubensinhalte, die magisch aufgeladen sind, dargeboten - wissenschaftlich
verbrämt. Der medi-
zinische Schleier, der das psychiatrische Gedankengebäude
verhüllt, soll und darf nicht gelüftet werden. Die psychiatrische
Diagnostik
muss als Wahrheitsproduktion und Wahrheitspolitik bezeichnet werden
[Michael
Foucault (1926-1984), frz. Philosoph,
Psychologe, Soziologe (3)]. Mit
dem Geständnis der Betroffenen - ja, ich bin psychisch krank, ja ich bin
schizophren, ja ich bin
depressiv - ist ihr Ziel erreicht. Psychiatrische
Diagnosen signalisieren Handlungsbedarf, Behandlungsbedarf - selbstverständlich
mit Psychopharmaka. Von ÄrztInnen Medikamente zu erhalten, ist ein in unserer
Gesellschaft tief verwurzelter Ritus, ein
Sakrament des Heilens auch. Und
genauso wie Mythen stehen Riten im Gegensatz zu selbstständigem Denken. Riten
sind
Handlungen, die automatisch ausgeführt werden. Sie machen die Welt
einfacher, überschaubarer, sie dürfen nicht hinterfragt
werden
(1a). Die
gesellschaftlichen und damit verbunden die psychischen Ursachen der
beanstandeten Störungen sollen
nicht erkannt werden. Nicht denken, nicht zu
verstehen versuchen, darum geht es. Eine Pille oder eine Injektion soll den
Schaden aus der Welt schaffen, die Balance der Neurotransmitter
wiederherstellen. Die Botschaft lautet: Du sollst nicht
wissen, glaube! Auf
das in unserer Gesellschaft alles beim Alten bleibt, der Status quo erhalten,
die bestehenden Macht-
verhältnisse gestützt werden. Die Psychiatrie spielt
damit eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen Produktion
von
Unbewusstheit
(1b)."
Aus: Marc Rufer: "Placebo-Effekte" in Peter Lehmann, Volkmar Aderhold, Marc Rufer, Josef Zehentbauer: „Neue Antidepressiva,
atypische Neuroleptika - Risiken,
Placebo-Effekte, Niedrigdosierung und Alternativen. Mit einem Exkurs zur
Wiederkehr
des Elektroschocks“ S. 176f, Peter Lehmann Publishing 2018 (2017)
(1) Erdheim Mario:
Referat (23.11.2004) "Mythen und Frageverbote" an der Jahrestagung gfs-zürich Markt- u. Sozialforschung
(1a) "Sinngebung und Kulturwandel" in Roland Apsel (Hg.): "Ethnopsychoanalyse
Band 1: Glaube, Magie, Religion",
S. 9-31, Frankfurt am Main: Brandes &
Apsel Verlag 1997
(1b) "Die gesellschaftliche Produktion von Unbewusstheit- Eine Einführung in den ethnopsychoanalytischen Prozess" Suhrkamp
1982
(2) Mary Boyle: "Schizophrenia: A Scientific Delusion?" Routledge 2002
(3) Michael Faoucault: "Das Leben der infamen Menschen" S. 62 Merve Verlag 2001
"Die etablierte Klinikpsychiatrie schenkt dem
psychischen Erleben keine Beachtung,
sie ist nicht der Meinung, dass man aus
einer Psychose Nutzen ziehen kann.
"Alles Wirrwar ohne Bedeutung", sagt der
Arzt im Landeskrankenhaus ..."
Regina
Bellion: Die Zeit danach: "Nach dem Absetzen fangen die Schwierig-
keiten erst an" S.302, in Lehmann: "Psychopharmaka absetzen" 2013
Bei ca. 20 % der Betroffenen können Neuroleptika die Symptome jedoch gar nicht unterdrücken, man spricht dann
von
Non-Respondern. Trotzdem werden diese
Betroffenen fast immer auf Dauer mit Neuroleptika behandelt ...
Weil eine
neuroleptische Behandlung bei relativ vielen Menschen in Psychosen gar nicht
erforderlich ist und oft
schädigende Folgewirkungen haben kann, sollte auch auf
psychiatrischen Akutstationen zunächst eine Be-
handlung über zwei bis vier
Wochen ohne Neuroleptika erfolgen. Nur Betroffene mit unzureichender
Rück-
bildungstendenz sollten überhaupt mit Neuroleptika behandelt werden. Diese Zeit gibt man den Betroffenen
in den wenigsten Fällen, weil
Teamkompetenz, Stationsgröße und mangelhafte Stellenbesetzung
dem entgegenstehen ...
In den meisten Fällen wäre es wünschenswert, die
Betroffenen - sofern sie damit einverstanden sind -
gemeinsam mit ihren
wichtigen Bezugspersonen intensiv zu Hause durch ein multiprofessionelles
Team,
das ausgebildet und erfahren ist im "Offenen Dialog" [B, D] zu begleiten und
zu unterstützen (Home Treat-
ment). Auch Experten aus Erfahrung sollten
Teammitglieder sein. Sollte dies nicht ausreichen, würde sich
eine
Psychosebegleitung in einer kleinen Soteria-Einrichtung ["alltagsnahe-stationäre Begleitung"] rund um
die Uhr anbieten [B]. Ca. 40 % [C] - bei erfahrenen Teams vermutlich sogar noch mehr
[B, D] - der so ge-
nannten Ersterkrankten könnten dann ganz ohne Neuroleptika
auskommen, und das dann auch weitgehend
auf Dauer, so die gemeinsame Aussage
der Studien, die dazu bis heute durchgeführt wurden. Nur noch
wenige
Betroffene müssten dann in einem Krankenhaus behandelt werden ...
Insgesamt ist die erwünschte Wirkung der Neuroleptika [E]
nur "minimal"
...
So müssen im Durchschnitt
6 Patienten behandelt werden, um bei 1 Patienten eine
Symptomverminderung zwischen 20 und
30 % zu erreichen [E1]. Und der Unterschied
zwischen den Neuroleptika-Behandelten und der Placebo-
Kontrollgruppe nimmt
im Behandlungsverlauf immer weiter ab [E2] ...
Supersensitivität (Hypersensitivität)
durch Neuroleptika =
Toleranzentwicklung gegenüber der Neuroleptikawirkung, das heißt, es werden
immer höhere Dosierungen
erforderlich (mindestens 20 % mehr in den letzten fünf Jahren) ...
Cave: Die Rebound-/Entzugs-/Supersensitivitätspsychose
(SSP) werden oft als Ausdruck der
"Grunderkrankung Psychose/Schizophrenie" fehlinterpretiert!
und als "Beweis" gedeutet, dass
der oder die Betreffende ohne Neuroleptika
nicht zurechtkäme! Die
Kenntnis der Entzugs-
symptome (siehe unten) könnte solche
"Fehlinterpretationen" verhindern!
Theoretisches Modell zur D2High
(= D2-Rezeptorvermehrung)
und Dopaminrezeptor Upregulation im Striatum
bei Neuroleptika (Antipsychotika) Therapie
= Dopamine Supersensitivity
Oben: Prä- u. Postsynapse mit Dopamin und
Dopamin-Rezeptoren bei
einem nicht mit Neuroleptika behandelten Menschen.
Unten: Dopamin und Dopamin-2
[D2-] Rezeptor-Upregulation bei einem mit Neuroleptika behandelten Patienten.
Dopamin:
überwiegend
erregend (exzitatorisch) wirkender Neurotransmitter des zentralen Nervensystems
Dopamin-D2 Rezeptoren (im Hypophysenvorderlappen,
Dopamin hemmt dort die Freisetzung von Prolaktin,
im Limbischen System, im Corpus striatum und in der Area
postrema)
D2High: postsynaptische D2-Rezeptordichte
Zunahme -
D2-Upregulation, die eine Erhöhung der Nervenzell-Empfindlichkeit
[(Supersensitivity (SS)] gegenüber Dopamin zur Folge hat. Dieser "Mechanismus" wird für den allmählichen "Wirkungs-
verlust" der Neuroleptika und die Ausbildung der Spätdyskinesien (tardive dyskinesia) verantwortlich gemacht.
DAT
- Dopamintransporter: Protein der
Nerven-Zellmembran, das den Transport des Neurotransmitters Dopamin in
die Zelle ermöglicht (Beendigung der Dopaminwirkung durch
Dopamin Entfernung aus dem synaptischen Spalt)
Aus: Anne-Noël Samaha: "Can antipsychotic treatment contribute to drug addiction in schizophrenia?"
Fig. 1, p11, Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 2014 Jul 3;52:9-16. http://samaha-lab.com/
wp-content/uploads/2015/07/SAMAHA-A.-N.-2014.pdf
(SS) James K. Witschy, Gary L. Malone, Dwight L. Holden"Psychosis after neuroleptic withdrawal in a manic-depressive patient" AJP 1984;141, S.105-106
Waldemar Greil, Stephan Schmidt: "Absetzsyndrome bei Antidepressiva,
Neuroleptika und Lithium" Münsch med Wschr 1988;130:704-707
Warren Steiner, Marc Laporta, Guy Chouinard: "Neuroleptic-induced supersensitivity psychosis in patients with bipolar affective disorder"
Acta Psychiatrica Scandinavica 1990;81:437-470
Guy Chouinard, Barry D. Jones, Lawrence Annable: "Neuroleptic-induced supersensitiviy psychosis" AJP 1978;135:S.1409-1410"
Guy Chouinard, Barry D. Jones: "Neuroleptic-induced supersensitiviy psychosiss: clinical and pharmacologic characteristics" AJP 1980;137:S.16-21
Patricia L. Gilbert, Jackuelyn M. Harris, Lou Ann McAdams, Dilip V. Jeste: "Neuroleptic Withdrawal in Schizophrenic Patients: A Review of the Literature"
[66 Studien-Metaanalyse, von Studien zwischen 1958 und 1993, ~5600 Betroffene] Arch Gen Psychiatry. 1995;52(3):173-188
Oliver D. Howes, Shitij Kapur: "The Dopamine Hypothesis of Schizophrenia: Version III—The Final Common Pathway"
Schizophr Bull. 2009 May; 35(3): 549–562
Die Wirksamkeit der
Polypharmazie
[Multimedikation, Polypragmasie bei Neuroleptika] wurde nicht durch
qualitativ ausreichende Studien
nachgewiesen [1] und ihre möglichen Folgen sind keinesfalls harmlos [2]:
⇒
mehr extrapyramidale [Extrapyramidal-motorische] Störungen
[Frühdyskinesien: Zungen-, Schlund- u. Blickkrämpfe,
Krämpfe d. Kiefer- (Trismus), Gesicht- u. Nackenmuskulatur, un-
willkürliche Bewegungen d. Gesichtsmuskulatur,
choreatisch-athetoide Bewegungen d. Halses u.
d. oberen Extremität.
Die Symptome sind primär harmlos u. reversibel;
Parkinsonoid:
meist erst nach 1-2 wöchiger Therapie, betrifft bis zu
15-20% der Patienten, ist dosisabhängig, Störungen der Feinmotorik, des ges. Bewegungsapparates, Symptomtrias:
Tremor, Rigor (Zunahme d. Muskeltonus), Akinesie. Bewegungsarmut, Hypo-, Amimie, Salbengesicht, kleinschrittiges
Gangbild, monotone Sprache, Speichelfluss. Parkinsonoid Symptomatik
tritt charakteristischerweise symmetrisch auf,
häufig dysphorisch-depressive
Grundstimmung;
Akathisie u.
Tasikinesie: bei ca. 20% der Fälle d. ersten Therapiewochen
(1-7. Woche) mit klassischen, hochpotenten Neuroleptikum; seltener? bei niederpotenten o. atypischen Neuroleptika,
~ sehr häufiger Grund für einen Therapieabbruch; Quälende Unfähigkeit ruhig zu sitzen
=
Akathisie; "Bewegungsdrang":
Patienten müssen sich bewegen o. Bewegungsstereotypien durchführen.
Cave: Die Akathisie kann als Verschlechterung
der Schizophrenie verkannt werden,
sodass eine Dosissteigerung die Symptome deutlich verstärken; ständiger Be-
wegungsdrang
u. innere Anspannung =
Tasikinesie, "Laufdrang mit Trippelbewegungen",
als große individuelle,
"qualende" Belastung erlebt, Gefahr der
Selbstgefährdung; Schlafstörungen,
dysphorisch-gereizten Stimmungslage,
sowie bei längerer Persistenz d. Nebenwirkungen
schwere Erregungszustände.
Spätdyskinesien/tardive Dyskinesien: zumeist mit einer Latenz von Monate bis Jahre nach Therapiebeginn! Risikofaktoren:
Hohe Tagesdosierungen d. Neuroleptika [hochpotente>atypische?],
Kumulation d. Neuroleptikadosen, höheres Alter,
weibl. Geschlecht, zerebrale Vorschädigung, affektive Störungen, somatische Erkrankungen: z.B.
Diabetes mellitus,
Orofaziale Symptome:
repetitive, stereotype Saug-, Schmatz- u. Zungenbewegungen (z.B. Rausstrecken
der Zunge), Tics
d. Gesichtsmuskulatur, Grimassierung, Rabbit-Syndrom =
Vertrikal gerichteter rhythmischer Lippentremor,
Körper-
symptome:
im Bereich d. Extremitäten, d. Hände u. Finger unwillkürliche z.T. athethotische
( langsame, ausfahrende
Bewegungen von Händen oder Füßen) Bewegungsabläufe, "Schaukelbewegungen" des Rumpfes.]
Peter R. Breggin: Tab 4.1: Symptoms of Tardive Dyskenasia p.45
>>>
⇒ mehr Übergewicht [7]
und Diabetes
[8]
[Über H-1-Rezeptoren (histaminergen
R.) entwickelt sich eine z.T. ausgeprägte Gewichtszunahme,
(abenehmend von li
n. re): Olanzapin, Amisulprid, Clozapin, Quetiapin, Risperidon, Haloperidol
usw.
Metabolisches Syndrom [8.1]: Clozapin, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon u.
Polypharmazie.
Diabetes [8.2]: ohne Neuroleptika 2.9 %, Quetiapin 16 %,
Clozapin 15.5 %, Risperidon 13.2%,
Olanzapin 10.6 %, typische Neuroleptika
10.6 %, Aripiprazol 6.7 %, Amisulprid: 3.9 %; auch
die Kombination mit
Antidepressiva (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) o. Lithium
steigert die Diabetes Rate]
⇒ erhöhte Rate plötzlicher Herztode [9]
[Neuroleptia haben einen direkten Einfluss auf
die Funktion der Na+ und K+-Kanäle des kardialen Reizleitungs-
systems,
Gefahr der Entwicklung einer vital bedrohlichen Kammertachykardie mit
plötzlichen Herztod durch
Verlängerung der QTc-Zeit
(>
440ms Männern, > 450ms Frauen, sofortiges Absetzen der Neuroleptika:
> 480ms Torsades-de-pointes-Syndrom, Sonderform d. polymorphen ventrikulären Tachykardie);
die Blockade
der [muskarinischen-] M2-Rezeptoren löst einen direkten kardialen anticholinergen Effekt
aus, mit Steigerung
d. arrhythmogenen Potenzials (z.B. Tachykardien, supraventrikuläre Extrasystolen etc.)]
"Die Kombination antipsychotischer Nebenwirkungen mit schlechter Ernährung,
Bewegungsmangel, einem
hohen Prozentsatz an Rauchen und anderen Faktoren in
Verbindung mit einer psychotischen Erkrankung
zusammen mit sozio-ökonomischer
Benachteiligung hat einen verheerenden Effekt auf die kardio-meta-
bolische
Gesundheit. Deshalb verwundert es nicht, dass Menschen mit schweren psychischen
Störungen
um 16 bis 25 Jahre kürzer als die Allgemeinbevölkerung leben und
dass [die] koronare Herzerkrankung die
Haupttodesursache ist und nicht Suizid."
(Vorwort in [10])
⇒ verschlechterte kognitive Funktionen
[Sedierung:
Antagonismus an [Histamin1] H-1-/Alpha-1-Rezeptoren; macht man sich bei d. niederpotenten
typischen NL therapeutisch
zu Nutze;
bei d. neuen atypischen NL: Quetiapin
(Seroquel:T1/2 = 7h), Olanzapin (Zyprexa: T1/2 = 34-52h), Clozapin (Leponex:
T1/2 =
8-12h]; Anticholinerge NW = Blockade cholinerger M1/M2 Rezeptoren, 1) Periphere
(M: muskarinische) anticholinerge Störungen:
Mundtrockenheit, Schwitzen, Akkomodationsstörungen (Pilocarpin-Tropfen),
Glaukom, Obstipation, paralytischer Ileus, Miktions-
störungen, Harnverhalten 2) Zentrale anticholinerge Störungen:
kognitive Störungen, anticholinerges Delir;
Durch Blockade
adrenerger Rezeptoren (Alpha-1-Rezeptoren):
Schwindel, Blutdruckabfall, orthostatischer Dysregulation (Hypotonie), Synkope
(Ohnmachtsanfall), Anstieg des Pulses (=
reflektorische Tachykardie), v.a. durch die klassischen, niederpotenten
NL u.
die neuen atypischen NL Clozapin, Quetiapin u. Risperidon (Risperdal: T1/2 = 3 (24)h)]
⇒ mehr
sexuelle Funktionsstörungen
[Durch Blackade der [Dopamin-] D-2-Rezeptoren im tuberoinfundibulären System
(Hypothalamus, Adenohypophyse) können
Amisulprid (Solian: T1/2 = 12h), Risperidon
u. viele d. klassichen Neuroleptika zu einer erhöhten Prolaktin-Plasmakonzentration.
führen, Symptome: Galaktorrhö ("Milchfluss" in bis zu 80% der Fälle), Menstruationsstörungen: Amenorrhö (15-25%), Gynäkomastie
beim Mann, sexuelle Funktionsstörungen; Osteoporose bis zur Entwicklung eines Syndroms der inadäquaten ADH-Sekretion.]
⇒ verstärkte
[Plus-]
Positiv-Synmptomatik wie Wahn und Halluzination
[Positiv-/Plussymptomaik: fasst verschiedene Symptome zusammen, die im Rahmen einer Schizophrenie auftreten können.
Sie sind gekennzeichnet durch Ausdrucks-, Erlebnis- u. Verhaltensweisen, die im "normalen" Verhalten des Menschen nicht
vorkommen, z.B. Übersteigerungen u./o. starke Fehlinterpretationen des normalen Erlebens.
Positivsymptome überwiegen im
akuten Schub einer Schizophrenie:
Wahn,
Halluzinationen (Sinnestäuschungen, Trugwahrnehmungen),
Denkstörungen,
Psychotische Ich-Erlebnis-Störungen.]
⇒
wahrscheinlich erhöhte Todesrate
Einige Studien werten vor allem Behandlungsverläufe von
Patienten im mittleren
Lebensalter aus und erfassen keine Todesfälle nach dem
53. bzw. 65. Lebensjahr.
"Lebensverkürzende Wirkungen: Übergewicht, metabolisches Syndrom und
Diabetes,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und plötzlicher Herztod."
(S.212)
Sogar die American Psychiatric Association [3]
(vergleichbar der DGPPN in Deutschland) hat
daher
2013 eine Kampagne zur
Eindämmung der Polypharmazie [Multimedikation] durchgeführt:
"Verschreiben
Sie nicht routinemäßig zwei oder mehr Antipsychotika [atypische Neuroleptika]
gleichzeitig.
Die Forschung zeigt, dass die Verwendung von zwei oder mehr
Antipsychotika bei 4 bis 35 % der ambulanten
Patienten und bei 30 bis 50 %
der stationären Patienten auftritt. Allerdings ist der Nachweis für die
Wirksamkeit
und Sicherheit bei der Verwendung mehrerer antipsychotischer
Medikamente begrenzt und das Risiko für
Arzneimittelwechselwirkungen,
Noncompliance und Medikament[ierungs]fehler erhöht. Im Allgemeinen sollte
die
gleichzeitige Verwendung von zwei oder mehr antipsychotischen Medikamenten
vermieden werden, außer
in Fällen von drei gescheiterten Behandlungsversuchen
mit Monotherapie, die, falls möglich, eine fehlge-
schlagene Behandlung mit
Clozapin [Leponex: T1/2 = 8-12h] einschließen sollte, oder wenn ein zweites
anti-
psychotisches
Medikament mit der Absicht hinzugefügt wird, ein- und ausschleichend auf
Monotherapie
umzustellen." [3]
Bis heute ist es skandalöserweise nicht gelungen,
etwas Vergleichbares für die deutschsprachige Psychiatrie
umzusetzen. Bei
einer Rate von 44 % neuroleptischer Polypharmazie [Multimediaktion] bei
wiederholt stationär
psychiatrisch behandelten Patienten in Deutschland [4]
mit zum Teil großen regionalen Unterschieden muss
man wohl von dem direkten oder
indirekten Einfluss der Pharmaindustrie ausgehen. In Österreich und
der
Schweiz sind dieselben Pharmafirmen aktiv.
Wird eine
Polypharmazie trotzdem begonnen, ist
Folgendes zu
beachten:
Die Wirksamkeit einer Kombination wird leider oft erst
nach mehreren Wochen, spätestens jedoch nach 3 Monaten deutlich.
Ist dann
keine Verbesserung eingetreten, sollte die Polypharmazie stufenweise rückgängig
gemacht werden. Ist eine Besserung
eindeutig eingetreten, was selten möglich
ist, dürfen jedoch keine zusätzlich aufgetretenen schädlichen Wirkungen (z. B.:
Gewichts-
zunahme, EKG- u. Festtstoffwechsel-Störungen, verschlechterte
kognitive Fähigkeiten) einer Fortsetzung entgegenstehen. Diese
Entscheidung
sollte der Betroffene möglichst nach genauer Rücksprache mit Personen seines
Vertrauens [Therapeuten] treffen.
Gemäß der
(begrenzten) Studienlage kann man Polypharmazie bei der Mehrheit der Betroffenen
rückgängig machen. So war bei
der Einnahme von drei bis vier Neuroleptika bei
88 % der Betroffenen über einen Zeitraum von nur drei Monaten eine Reduktion
um fast 60 % der Dosis und um oft mehr als ein Neuroleptikum möglich. Über einen
längeren Zeitraum wären wahrscheinlich
weitere Reduktionen möglich gewesen,
so die Studienleiter. Bei 50 % der Betroffenen verbesserten sich dadurch die
psych-
otische Restsymptomatik und die psychischen und sozialen Fähigkeiten.
Nur bei 12 % der Betroffenen kam es zu Ver-
schlechterungen, die jedoch durch
eine Rückkehr zu höheren Dosierungen und ohne stationäre Behandlung wieder
rück-
gängig gemacht werden konnten [5]. Bei der Einnahme von nur noch zwei
Neuroleptika waren Reduktions-Studien bei ca.
70 % der Betroffenen
erfolgreich. Die Studiendauer war hier
noch kürzer, und zwar
ein und drei
Monate. Es kam zu
Gewichtsreduktionen um durchschnittlich 2.3 kg nach sechs
Monaten. Die psychischen und sozialen Fähigkeiten
verbesserten sich und die
Symptomatik blieb unverändert [6].
Zu schnell sollte man nicht vorgehen!
..."
Dr. med. Volkmar Aderhold
(b.1954)
Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotherapeutische Medizin, arbeitet seit 1982 in der Psychiatrie.
1996-2006 Oberarzt im Bereich Psychosen der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
Seit 2006 Mitarbeiter am Institut für Sozialpsychiatrie an der Universität Greifswald. Und freiberuflich tätig mit Fortbildungen und Umsetzung
des Offenen Dialoges in stationären und ambulanten Strukturen. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Volkmar Aderhold - Institut für Sozialpsychiatrie an der Uni Greifswald 2014:
"Neuroleptika minimal – warum und wie" pdf
>>>
Aus: Peter Lehmann (b.1950, Dipl.-Pädagoge, selbstständiger Autor u. Verleger in Berlin), Volkmar Aderhold (b.1954, Dr. med., Arzt f. Psychiatrie,
Psychotherapie),
Marc Rufer (b.1942, Arzt u. Psychotherapeut Zürich), Josef Zehentbauer (b.1945, Allgemeinarzt u. Psychotherapeut München): „Neue Antidepressiva, atypische
Neuroleptika - Risiken, Placebo-Effekte, Niedrigdosierung und Alternativen. Mit einem Exkurs zur Wiederkehr des Elektroschocks“
Minimaldosierung [MD] und Monitoring
(Überwachung) [MT] bei Neuroleptika.
S.198-200, Polypharmazie S.210, 212 Geleitworte von Andreas Heinz (Direktor der Klinik u. Prof. f. Psychiatrie u. Psychotherapie,
Charité Berlin, Präsident elect d. Deutschen Gesellschaft f. Psychiatrie u. Psychotherapie, Psychosomatik u. Nervenheilkunde), Dr. rer. biol. hum. Peter & Sabine Ansari
(Vorwort)
und Marina Langfeldt (Nachwort, Oberstaatsanwältin Dr. jur.) Peter Lehmann Publishing 2018 (2017)
[MT] Alex Mitchell, Vijay Delaffon, Dai Vancampfort, Christoph U. Correll, Marc De Hert: "Guideline concordant monitoring of metabolic risk in people
treated with antipsychotic medication: systematic review
and meta-analysis of screening practices" Psychol Med. 2012 Jan;42(1):125-47
"Da die individuell niedrigst wirksame [Neuroleptika-, Antipsychotika-]
Dosis nicht vorausgesagt werden
kann, sollte daher -
für den Fall, dass eine andere Lösung als die
Verabreichung von Neuroleptika für die Betroffenen derzeitig nicht möglich
ist -
zur Dosisfindung mit der niedrigsten Dosis begonnen werden, von der eine
positive Wirkung zu erwarten ist -
vorausgesetzt, die Betroffenen sind
körperlich fit, über alle Risiken informiert und mit der Behandlung
einverstanden.
Mit eriner Dosiserhöhung sollte dann möglichst vier Wochen
[E3],
nach vorausgegangenen Behandlungen sogar acht
Wochen
[E4] abgewartet
werden ... [Psychopharmaka-] Blut- und Plasmaspiegel sind
nicht dazu geeignet, die richtige
Dosis zu
finden. Die individuellen Unterschiede in der Ansprechbarkeit der
Dopamin-Rezeptoren auf Neuro-
leptika sind zu hoch. Der
[Psychopharmaka-] Blutspiegel kann nur dazu dienen, das Erreichen einer
potentiell
wirksamen Dosis oder einer möglichen Überdosierung
zu prüfen oder die Einnahme überhaupt zu kontrollieren ...
Grundsätzlich sollte mit nur einem Neuroleptikum behandelt werden (Monotherapie);
mehrere Neuroleptika über
längere Zeit gleichzeitig zu verordnen bzw.
einzunehmen, ist fast nie sinnvoll. Immer muss der Betroffene selbst
eine
Verbesserung feststellen und zusätzliche unerwünschte Wirkungen ("sorgfältige
Risko-Nutzen-Abwägung")
[E5] dürfen nicht zusätzlich schädigen ..."
Empfehlung zur Neuroleptika-Niedrigdosierung in der Akutbehandlung
Aus: Volkmar Aderhold: "Minimaldosierung und Monitoring bei
Neuroleptika" in Peter Lehmann,
Volkmar Aderhold,
Marc Rufer, Josef Zehentbauer: „Neue Antidepressiva, atypische
Neuroleptika - Risiken,
Placebo-Effekte, Niedrigdosierung und Alternativen. Mit einem Exkurs zur Wiederkehr des Elektroschocks“
Minimaldosierung und Monitoring
bei Neuroleptika. Tab. 1, S.202, 202-205. Geleitworte von Andreas Heinz,
Peter & Sabine Ansari u. Marina Langfeldt, Peter Lehmann Publishing 2018 (2017)
[MD] Stefan Leucht, Myrto Samara, Stephan Heres, Maxine X. Patel, Scott W. Woods, John M. Davis: "Dose Equivalents
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Second-Generation Antipsychotic Drugs: The Classical Mean Dose Method" Schizophr Bull. 2015 Nov;41(6):1397-402
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Walter F. Müller: "Wirkungsmechanismus älterer und neuerer Neuroleptika" in: Frank König,
Wolfgang P. Kaschka (Hg): "Interaktionen
und Wirkmechanismen ausgewählter Psychopharmaka"
S.37-54, Thieme 2. Auflage 2003"
Prof. Dr. Gerhard Ebner: "Aktuelles aus der Psychopharmakologie. Das Wichtigste vom [European College of
Neuropsychopharmacology-]
ECNP-Kongress«, in: Psychiatrie (Schweiz),
Online-Ausgabe 2003, Nr. 1, S. 29-32
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[B] Lehmann, Peter, Peter Stastny (Hg.):
"Statt Psychiatrie 2" mit den Artikeln "Soteria – Eine alternative psychosoziale Reformbewegung" von Volkmar Aderhold,
Peter Stastny, Peter Lehmann (S. 150-165) und "Offene Dialoge" von Jaakko Seikkula, Birgitta Alakare (S. 233-249) E-Book 2014
Volkmar Aderhold, Nils Greve: "Bedürfnisangepasste Behandlung und offene Dialoge"
2009 KONTEXT 40,3, S. 228 – 242, ISSN 0720-1079228,
Vandenhoeck & Ruprecht
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www.dgsf.org/service/wissensportal/beduerfnisangepasste-behandlung-und-offene-dialoge
Deutscher Ethikrat: Öffentliche Anhörung
"'Wohltätiger Zwang' in der Psychiatrie", 23.02.2017, dbb forum Berlin, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin:
www.ethikrat.org/anhoerungen/wohltaetiger-zwang-in-der-psychiatrie/?cookieLevel=accept-all&cHash=1ac61157a9ea47e9e92c881946d06c20
[C] John R. Bola, Klaus Lehtinen, Johan Cullberg, Luc Ciompi: "Psychosocial treatment, antipsychotic postponement, and low-dose medication
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in first-episode psychosis: A review of the literature" Psychosis
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John R. Bola, Loren R. Mosher: "Treatment of Acute Psychosis Without Neuroleptics: Two-Year Outcomes From the Soteria Project" JNMD 2003 Band 191, S. 219-229
[D] Jaakko Seikkula, Birgitta Alakare, Jukka Aaltonen: "The Comprehensive Open-Dialogue Approach in Western Lapland: II. Long-term stability
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[1] Christoph U. Correll, Jose M. Rubio, Gabriella Inczedy-Farkas, Michael L. Birnbaum, John M. Kane, Stefan Leucht: "Efficacy of 42 Pharmacologic Co-
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[2] Marc Lochmann van Bennekom, Harm J. Gijsman, Frans G. Zitman:"Antipsychotic polypharmacy in psychotic disorders: a critical review
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[3]
Polypharmacy: Übersetzug durch den Verfasser: APA -American Psychiatric Association (20.9.2013): "Five things physicians and patients should
question"
recommendation 5 updated August 21, 2014; recommendation #3 updated April 22, 2015
Prof. Dr. Martin Lambert, Lehrbeauftragter Klinik u. Poliklinik f. Psychiatrie u. Psychotherapie
Zentrum Psychosoziale Medizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Martinistr. 52, D-20246 Hamburg: "Allgemeine Psychopharmakologie -Grundlagen:
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), Arzneimittelinteraktionen - Die wichtigsten Substanzklassen" Unter: www.uke.de/dateien/
kliniken/psychiatrie-und-psychotherapie/dokumente/lehrmaterialien-stud-med/f1.allgemeine_psychopharmakologie.pdf
[4] Christian Schmidt Kraepelin,
Bernd Puschner, Sabine Loos, Birgit Janssen: "Antipsychotische Polypharmazie bei Patienten
mit
Schizophrenie und hoher Versorgungsinanspruchnahme" Psychiatrische Praxis, 40.
Jg. S. 380-384
http://www.choosingwisely.org/wp-content/uploads/2015/02/APA-Choosing-Wisely-List.pdf
[5] Takefumi Suzuki,
Hiroyuki Uchida, Kenji F. Tanaka, Masayuki Tomita, Kenichi Tsunoda, Kensuke Nomura, Harumasa Takano,
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[6] 6.1. Susan M. Essock, Nina R. Schooler, T. Scott Stroup, Joseph P. McEvoy, Ingrid Rojas, Carlos Jackson: "Effectiveness of Switching
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Polypharmacy to Monotherapy" Am J Psychiatry 2011; 168:702–708)
6.2. Hikaru Hori, Reiji Yoshimura, Asuka Katsuki, Atsuko-Ikenouchi Sugita, Kiyokazu Atake, Jun Nakamura: "Switching to antipsychotic
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[7] Debra L. Foley, Katherine I. Morley: "Systematic review of early cardiometabolic outcomes of the first
treated episode of psychosis" Arch Gen Psychiatry. 2011 Jun;68(6):609-16
[8] 8.1. Christoph U. Correll, Anne M. Frederickson, John M. Kane, Peter Manu: "Does Antipsychotic Polypharmacy
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[9] David Ruschena, Paul E. Mullen, Philip Burgess, Stephen Cordner: "Sudden death in psychiatric patients" J Clin Psychiatry. 2011 Jul;72(7):936-41
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[10] Jari Tiihonen, Jouko Lönnqvist, Kristian Wahlbeck, Timo Klaukka, Leo Niskanen, AntiiTanskanen, Jari Haukka:
"No mental health without physical health" Lancet. 2011 Feb 19;377(9766):611
http://www.medizin-wissen-online.de/index.php/psychiatrie/80-psychopharmakotherapie/antipsychotika/3-nebenwirkungen
-der-antipsychotika-der-1-generation, http://flexikon.doccheck.com/de/Positivsymptomatik
http://flexikon.doccheck.com/de/Negativsymptomatik
Negativ-/Minus Symtome: Affekt Verarmung,
Schwung-/Antriebsverminderung, Reduzierung d. Psychomotorik
(Gestik, Mimik), Verarmung
des Denkens, kognitive Einschränkung (Aufmerksamkeits-, Konzentrationsstörung)
-> sozialer Rückzug, Isolation, beruflicher Abstieg ...
"Um
Therapeuten, Angehörigen- und
Selbsthilfegruppen, die sich einer Psychoedukation unterziehen ließen
und über
Informationsmaterial, das die PHARMAINDUSTRIE
gesponsert hat, gelernt haben, dass psychische Probleme
Ausdruck von
Stoffwechselstörungen sind und mit dem Absetzen der Psychopharmaka der
Rückfall gesetzmäßig eintritt, sollte
man einen großen Bogen machen. Ärzte, die
[sich]
nicht über Rezeptorenveränderungen, Bildung
von Behandlungsresistenzen,
Gewöhnungsprozesse und Entzugsprobleme
[Absetzprobleme, Entzugsdyskinesien] bei neuen Antidepressiva und atypischen
Neuroleptika informieren, sind ernstzunehmende RISIKOFAKTOREN für fehlgeschlagene Absetzversuche.
Sie tragen auch eine
wesentliche Verantwortung für eine
ungewollte weitere
Verabreichung von Antidepressiva und Neuroleptika oder
gar Elektroschocks ..."
Aus: Peter Lehmann, Volkmar Aderhold, Marc Rufer,
Josef Zehentbauer: „Neue Antidepressiva, atypische Neuroleptika - Risiken,
Placebo-Effekte, Niedrigdosierung und Alternativen. Mit einem Exkurs zur
Wiederkehr des Elektroschocks“ Psychopharmaka absetzen?
Warnhinweise S. 232. Geleitworte: Andreas Heinz, Peter & Sabine Ansari u. Marina Langfeldt, Peter Lehmann Publishing 2018 (2017)
"Man mag es für merkwürdig halten, wenn ein Arzt sich über
das Absetzen von Psychopharmaka auslässt. Seine Aufgabe ist
es doch,
Medikamente zu verordnen. Ärzte lernen das. Wie
man Medikamente absetzt, lernen sie nicht. In Zeiten, in denen die
LANGZEITMEDIKATION
nicht nur in der Psychiatrie bei vielen Krankheiten
(Blutdruck, erhöhte Blutfette, Diabetes) zur Regel geworden ist, ist das ein
Mangel. Und nicht
ganz selten ist es fragwürdig, ob eine
langzeitige
Medikamentenbehandlung wirklich
geboten ist. Insbesondere in der Psychiatrie
kommen immer
wieder Zweifel auf, die allerdings
häufiger von Behandelten als von
Behandelnden artikuliert werden. Viele Patienten
machen die Erfahrung, dass
ihre Ärzte
nicht auf ihre Klagen und Wünsche hören,
wenn sie meinen, man könne es doch auch
einmal ohne Medikamente versuchen.
Ich will an dieser Stelle nicht auf die Frage
eingehen, wann und wie lange Psychopharmaka
unter welchen Bedingungen notwendig
sind oder nicht.
Hier geht es darum, dass
viele Medikamenten-Konsumenten aus guten
oder weniger guten Gründen die Nase
voll haben und die weitere Medi-
kamenteneinnahme
einstellen. Behandelnde Ärzte
reagieren darauf immer noch allzu häufig
verstockt. Viele drohen
damit, ihre Patienten zu ver-
stoßen – und manche tun das auch.
Das aber ist mit den Prinzipien und der Ethik ihres Berufes nicht
vereinbar. Es kann sogar ein Kunstfehler sein:
Wenn ein Patient
Medikamente, die er langzeitig eingenommen hat, absetzen
oder reduzieren will, hat der behandelnde Arzt ihm gefälligst zu
helfen –
auch wenn er anderer Meinung ist. Er kann
ihm davon abraten. Er ist sogar verpflichtet,
aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen
den Patienten darüber
aufzuklären, welche
Risiken dieser durch den Verzicht auf seine
Medikamente auf sich nimmt. Der Patient
entscheidet. Wenn der Arzt ihn beraten hat,
ist der Patient frei, auch Entscheidungen zu
treffen, die der Arzt für unklug hält. Selbst
wenn die Entscheidung "dumm" ist, kann
der Arzt letzten Endes
nichts tun, als ihm dabei
zu helfen, dass er dabei keinen Schaden nimmt. Der Patient nimmt dann die Risiken,
die damit verbunden sind, in Kauf. Der
Arzt
kann dazu beitragen, diese zu vermindern,
indem er die Phase des Absetzens begleitet,
um auf diese Weise unnötige Risiken zu minimieren.
Denn jeder, der länger Medikamente,
insbesondere Psychopharmaka, eingenommen
hat, sollte unbedingt vermeiden,
von heute auf
morgen mit der Einnahme
aufzuhören. Es bedarf einer Strategie der allmählichen
Dosisreduktion, bis schließlich
nach Wochen bis
Monaten
[und sogar erst nach Jahren] ganz auf die Medikamente verzichtet werden kann. Den
Plan dazu sollte der Patient gemeinsam
mit
seinem behandelnden Arzt ausarbeiten können.
Selbst wenn dieser mit seiner Warnung
recht hat, kann das Ergebnis eines Absetz-
versuches
sinnvoll und fruchtbar sein. Er
kann die Voraussetzung dafür sein, im Gespräch
über die künftige Behandlung ein
gemeinsames
Konzept zwischen Arzt und Patient zu entwickeln."
Asmus Finzen, Peter Lehmann, Margret Osterfeld, Hilde Schädle-Deininger, Anna Emmanouelidou, Theodor Itten: "Psychopharmaka
absetzen:
Warum, wann und wie" Wie man Medikamente absetzt, lernen Ärzte
nicht. S.16, in: Soziale Psychiatrie, 39. Jg. (2015),
Nr. 2, S. 16-19
www.antipsychiatrieverlag.de/artikel/gesundheit/pdf/absetzenbremen.pdf
[Meine Ergänzungen]
"Kombinationen von mehreren Psychopharmaka stellen in mittel- und langfristigen Verläufen
fast nie einen Vorteil für die Betreffenden dar und sollten Anlass zu Dosisreduktionen
und
schließlich zum Absetzen überflüssiger Psychopharmaka geben ... Die Medikamenten-
reduktion und der Genesungsprozess sind eine anstrengende Aufgabe, die sich über
Jahre erstreckt. Die nötige Disziplin, Beharrlichkeit und Durchhaltekraft gewinnen alle
Beteiligten aus den Zielen, auf die sie in diesem Prozess hinstreben. Diese Ziele sollten
einem am Herzen liegen und sie sollten über den simplen Wunsch der Reduktion
oder des Absetzens der Medikamente hinausgehen
..." (A)
Die Don'ts der Medikamentenreduktion
⇒ Sich nicht
vorbereiten
⇒
Schlagartig absetzen
⇒ Allein
gegen den Rest der Welt
⇒
Mit keinem reden
⇒
Sich nicht auf Krisen einstellen
⇒
Keine Alternativen entwickeln
⇒
Keine Therapien nutzen
⇒
Schlecht schlafen
⇒
Sich schlecht ernähren
⇒
Weiter kiffen, weiter koksen
⇒
Alles auf einmal nachholen
⇒
Reduzieren nur um des Reduzierens willen!
(B)
Aus: Jann E. Schlimme, Thelke Scholz, Renate Seroka:
„Medikamentenreduktion und Genesung
von Psychosen“
(A) Andere Psychopharmaka S.189; Die Praxis des Reduzierens
und Ausschleichens:
Die Frage "Wozu?" S.175; (B) Anhang,
S.248, Psychiatrie Verlag 1.Auflage 2019
"GENESUNG ist ein ineinander verwobenes,
mehrgliedriges und individuell zu komponierendes Geschehen.
Dabei sind drei
Bausteine in diesem Prozess relevant. Sie beziehen sich aufeinander und
unterstützen sich
gegenseitig ... TRIALEKTIK DES GENESUNGSPROZESSES
... Der BEDEUTUNGSDOSIERTE SOZIALRAUM
meint letzlich eine mit einer gelassen reagierenden Person geteilte, örtlich
abgegenzte Situation, in der alles
Vorhandene gefahrlos ausprobiert,
untersucht und genutzt werden kann. Der Anschluss an alltägliches non-
verbales Tun - wie trinken, essen, Nahrung zubereiten, bewegen, liegen oder
sitzen - ist günstig, eine Re-
duktion der vorhandenen Gegenstände und
Handlungsoptionen ebenfalls.
Mit ABSCHALTTECHNIKEN
sind alle nonverbalen, körpernahen und konzentrativen Techniken gemeint.
Diese sind in bedeutungsdosierten Räumen leichter zu üben. Allerdings ist dies
gerade während der Hoch-
phasen von Psychosen, in denen sie besonders wichtig
wären, besonders schwer. Schließlich benötigt die
Person nicht umsonst die
realitätsdistanzierende Funktion der Psychoseerfahrung, da eben die sozial ge-
teilte Realität zu schmerzhaft, die in ihr gespürte Spannung zu groß geworden
ist. Insofern ist es wichtig,
gerade solche bedeutungsdosierten Sozialräume
zur Behandlung von akuten Psychosen anzubieten
(Stichworte: weiches Zimmer,
Soteria), in der Genesung zunehmend für sich selbst zu schaffen sowie
die
oftmals schmerzhafte Einsicht und Fähigkeit zu entwickeln, anstrengende Räume
und auch an-
strengende Personen nur dort aufzusuchen. Typische Kombinationen
dieser beiden Bausteine
wären ein gemeinsamer Spaziergang durch die Natur,
gemeinsames Teetrinken in ruhiger Atmo-
späre, gemeinsame Meditation in einem
ruhigen Raum oder eben das Liegen auf der Couch
im gemeinsamen Wohnzimmer.
Zudem, und dies gilt vor allem im weiteren Genesungsverlauf,
ist das Erzählen
von den egenen Erfahrungen wichtig - ERZÄHLRAUM
(reden, zuhöhren, re-
framen, dritter Standpunkt). Hierbei geht es darum,
sonst nicht Teilbares - sprich: die ex-
klusive Psychoseerfahrung oder auch
die eigene, spannungsreiche Innerlichkeit - anderen
Personen mitzuteilen. Ob
es sich bei den anderen um psychoseerfahrene Peers, Angehörige
oder
Sozialprofis handelt, ist sekundär. Entscheidend ist, wie sich diese anderen
geben
und verhalten ...
Die Leitmotive der ärztlichen Profis sollte lauten:
Wer ansetzt, muss auch wissen, wie er oder sie
absetzt!
(2: S.83)
Kleine Dosisänderungen machen den Unterschied.
Meist liegt die Dosisänderung zwischen 5 und 10 Prozent und kann je nach
Dauer der einnahme alle vier bis 12 wochen [und länger] vorgenommen werden! (2: S.88)
Wenn die Entzugserscheinungen zu intensiv sind, ist es langfristig zielführender,
innerhalb weniger Tage wieder auf die vorherige Dosis zurückzukehren und sich zu
stabilsieren. Beim nächsten Mal sollte der Reduktionsschritt dosisangepasst oder
mit größerem zeitlichem Abstand vorgenommen werden!
(2: S.89)
Oft entsteht der Eindruck, ab einer bestimmten Schwelle einer neuroleptischen Dosis
nicht mehr weiterzukommen.
Dies geschieht meist im niedrigen Dosisbereich unterhalb
von 1 bis 2mg
Haloperidol-ÄQuivalent. Manchmal kann die Dosis nicht weiter reduziert
werden (= individuelle Niedrigdosis). Manchmal kann der letzte Krümel aber in
Kleinst-
schritten weiter reduziert oder sogar erfolgreich abgesetzt werden!
(2: S.91)
An einen Reduktionsprozess ist mit viel Geduld heranzugehen.
Es gilt, sich Zeit zu nehmen und zeit zu lassen!
(2: S.93)
Die Reduktion von Medikamenten [psychopharmaka] im Rahmen von Medikamentenkombinationen
ist der Reduktion bei solomedikation vergleichbar, birgt aber dennoch besondere
Heraus-
forderungen. Diese ergeben sich aus den unterschiedlichen Wirkungen, nebenwirkungen
und Interaktionen der Medikamente [Psychopharmaka]
und können tendenziell mithilfe
einiger Grundregeln angegangen werden!
(2:S.203)
Nach dem Absetzen sollten die entwickelten Routinen
und gewohnheiten fortgesetzt
werden. Die genesung ist mit dem Absetzen nicht abgeschlossen, die Trialektik
[bedeutungsdosierte Sozialräume, Abschalttechniken, Erzählräume] kann auch
ein Modell für eine Lebensführung nach dem Absetzen sein!
(2:S.216)
Im Verlauf der Genesung wird nicht zwingend alles gut
(Normalität, ver-
lässlichkeit u. Geborgenheit im hier und jetzt), aber es
wird besser. Dies
bedeutet, dass die eigene Lebensgestaltung so "normal" wie
möglich
wird. Der Preis für diese Normalität ist eine sorgsam dosierte Teilhabe
an einem Mix von familiären, nachbarschaftlichen, beruflichen und
sozialprOfessionellen
"Miteinandern" und rückzügen in freiräume
nur für
sich.
(2:S.223)
Aus: Jann E. Schlimme, Thelke Scholz, Renate Seroka: „Medikamentenreduktion
und Genesung von Psychosen“
Reduktion von Psychopharmaka-Kombinationen,
Hinweise zur Orientierung bei der
Reduktion von Psychopharmaka-Polypharmazie
[Multimedikation] S.200, Psychiatrie Verlag 1.Auflage 2019
Der Reduktionswunsch von Neuroleptika-Nutzern wird also durch glaubwürdige
wissenschaftliche Erkenntnisse (4)
unterstützt.
Freilich ist die Dosisreduktion nicht immer einfach. Krisen sind sogar
während der Reduktion häufiger, als
wenn die Medikamente zunächst einfach so
weitergenommen werden. Dies wird verständlich, wenn wir die Anpas-
sungen des
Gehirns auf die ständige Anwesenheit dieser Substanzen [Neuroleptika]
betrachten. Denn innerhalb
von Wochen bis Monaten stellen sich die Dopamin
verwendenden Nervenzellverbände auf die ständige Anwesen-
heit der blockierenden
Substanz ein. Es entwickelt sich eine TOLERANZ gegenüber der Substanz.
Einerseits
bilden die Nervenzellen, deren Dopamin-2-Rezeptoren durch die
stete Zufuhr der Neuroleptika intensiv blockiert
sind, mehr
Dopamin-2-Rezeptoren [D2high, s.o.]. Die Dichte und die Anzahl der potenziell
durch Dopamin erreg-
baren Rezeptoren auf der Oberfläche der empfangenden
Nervenzelle nehmen also zu . Andererseits
steigt die
Rate der sogenannten supersensitiven Dopamin-2-Rezeptoren an [D2-Rezeptoren Up-regulation], welche
viermal so wirksam eine Aktivierung durch Dopamin an die empfangende Zelle
weitergeben .... Diese Ver-
änderungen und Anpassungsleistungen der Dopamin
verwendenden Nervenzellverbände auf synaptischer
Ebene bedeuten, dass
REBOUND-Erscheinungen beim Absetzen oder Drosseln der Zufuhr dieser
Substanzen
auftreten ... Bedeutsam ist, dass Reduktionen
von Neuroleptika
nach bereits erfolgter Gewöhnung [Toleranz]
an die Medikation zudem ein
[Absetz-]
ENTZUGSSYNDROM [s.u.] verursachen können. Es geht also nicht
nur darum, das in Folge der Reduktion größere emotionale Berührtwerden und das
Wieder-Spüren der
eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Ängste aufzunehmen und zu
integrieren. Sondern es geht auch um
regelrechte [Absetz-]
Entzugserscheinungen (5) [körperliche Abhängigkeit von Neuroleptika]
... setzen
üblicherweise innerhalb weniger Tage ein und halten meist nur für
zwei bis drei Wochen an ... Das Aus-
maß der [Absetz-] Entzugserscheinungen ist
individuell. Nicht alle spüren dieselben Beschwerden und
nicht jeder spürt
überhaupt Beschwerden nach einem Reduktionsschritt. Manchmal bemerken die Be-
treffenden nur Verbesserungen im Sinne einer größeren Wachheit und
Interessenslage, mehr Energie
im Denken und Handeln.
Trotzdem ist es
aus unserer Sicht wichtig, sich selbst und damit auch
dem Gehirn genügend
Zeit zu geben, um sich an die Veränderungen aufgrund der kleineren
Dosis zu
gewöhnen. Zu schnelle Reduktionen sind nach unserer Erfahrung immer
kritisch. Re-
duktionen sind auch deshalb anstrengend, da die Person mehr
Wünsche, Bedürfnisse und Ängste
spürt. Sie trägt dies in ihr Umfeld hinein,
erlebt andere intensiver und setzt sich anders mit ihnen
auseinander. Dies
fordert also auch von den anderen Gelassenheit und eine Bereitschaft, sich
noch mal neu mit sich selbst und der betreffenden Person auseinanderzusetzen ...
Üblicherweise
gilt die
Faustformel, dass
alle 6 bis 12 Wochen eine
Dosis um 5 bis 10 % reduziert werden
kann (6)... die 5 bis 10 % müssen
u.E. für jeden Reduktionsschritt anhand der letzten Dosis [neu]
berechnet
werden ... Letztlich muss jeder selbst seine Reduktionsgeschwindigkeit heraus-
finden ...
Die Angst vor einer erneuten [psychotischen] Krise ist bei den Betroffenen und
den
sie begleitenden Menschen groß. Häufig werden [Absetz-]
Entzugserscheinungen als
Vorboten eines Wiederauftretens einer psychotischen
Krise [fehl-] gedeutet. Die
Tatsache, dass auch Profis und
insbesondere Ärztinnen und Ärzte oftmals keine Kenntnisse
zu den möglichen
Entzugserscheinungen haben, lässt die Verunsicherung bei den Be-
treffenden erheblich steigen. Schon über das Wissen um den Umstand der Entzugs-
erscheinungen können die Beschwerden umgedeutet werden und den Betreffenden
entlasten ... Im Notfall gilt es tatsächlich, den Reduktionsschritt rückgängig
zu machen
und nach erfolgter Stabilisierung eine erneute Reduktion mit einem
kleineren Schritt zu versuchen ..." (2)
Phasen der Genesung[(1)
S.154f]
Akute (orange) -, Integrierte -, Geparkte -, Lang anhaltende
(dunkelgrün) -,
Exklusive (schwarz) Psychoseerfahrung,
Sozial geteilte Realität (hellgrau),
Überlagerung von psychotischer u. sozial geteilter Realität (dunkelgrau)
Heimischer Bezirk (gelb); Phasen des Genesungsverlaufs: + Wendepunkt-
erfahrung ["Psychoseeinsicht"] (grüner Blitz), + Wahrnehmung und Differen-
zierung doppelter Realitäten (dunkelblau), + Parken psychotischer Realität
(dunkelgrün) + zunehmende Integration und neue Interpretation der
Psychoseerfahrung (dunkelgrün). Jede dieser Phasen ist ein eigener
Schritt
hin zur Genesung!
"Psychosen klingen ab, wenn die
Betroffenen sich über ihre Erfahrungen und
deren Hintergründe
sinnvoll verständigen können. Dieser Weg der Verständigung
ist anstrengend. Es geht für alle Be-
teiligten darum, die Besonderheiten der
psychotischen Eigenwelt anzuerkennen und
schrittweise eine mit anderen
Menschen teilbare Sicht der Dinge [zwischen der sozial teil-
baren Realität
einerseits und psychotisch veränderte Erfahrungen andererseits] zu ent-
wickeln ... SIE haben sich mit
anderen Menschen über ihre Psychoseerfahrungen, deren
Hintergründe und die
harte Arbeit im "Steinbruch der Genesung" verständigen können ...
Es geht also um zutiefst menschliche Bedürfnisse nach Akzeptanz, Toleranz,
Bindung
und sozialer Zugehörigkeit ... um den Prozess des
Findens, Aushandelns und Ge-
staltens von Möglichkeiten im Miteinander ["akzeptierende soziale Integration",
und Erkennen von "Inseln der Klarheit"
(3) n. Edward M.
Podvoll (1936-2003)] ...
Im Verlauf des Genesungsprozesses kann ein Standpunkt gewonnen werden
der eine selbstbestimmte Entscheidung erlaubt, welchen Raum und welche
Bedeutung die Psychoseerfahrung in der eigenen Biografie einnehmen soll ...
"Verletzlichkeit und Bloßgestellt-werden-Können sind nun mal die schwer
erträglichen Schwestern der Geborgenheit." (1)
Interessant ist, dass Menschen, die an PSYCHOSEN leiden, in sogenannten Entwicklungsländern
bis in die 1980er Jahre hinein
eine ziemlich gute Chance hatten, zu genesen. In einer
Studie
(7)
der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahre 1979
zeigte sich, dass bei Teilnehmern aus eben
diesen Ländern häufiger gute Verläufe zu beobachten waren.
"Unbenommen all dieser
Einschränkungen ist es wahrscheinlich,
dass der Verlauf der Schizophrenie in den verschiedenen Zentren tatsächlich unter-
schiedlich ist und dass der Verlauf der Schizophrenie in den weniger entwickelten Länden weniger schwerwiegend ist
als in den weiter entwickelten Ländern."
(7).
Diese Beobachtung, die wiederholt bestätigt wurde und die dem steten
Rückgang der Genesungsraten in den industrialisierten
Ländern seit den 1950er
Jahren entspricht
(8),
wirft natürlich Fragen auf. Mögliche Erklärungen wären unter anderem, dass in diesen
Ländern nur begrenzte Plätze in psychiatrischen Kliniken zur Verfügung stehen, nur wenig Neuroleptika verschrieben werden.
Aus diesem
Grund bleiben die Betreffenden meist in ihrem sozialen Umfeld
(gruselige Ausnahmen beispeilsweise von Ankettungen besonders auffällig
sich
verhaltender psychisch Kranker sind hingegen kein Argument gegen diese
Regel, sondern ehrer als Bestätigung der Ausnahmen anzu-
sehen. Dort
durchleben sie ihre Psychose ohne Medikamente, aber in gewohnter Umgebung, mit
vertrauten Menschen, sie bleiben dabei,
werden nicht (sofort) isoliert. Sie
sind also sichtbar, spürbar und erlebbar, sie bleiben ein Teil des
Alltags,auch für ihr Umfeld. In den ge-
nannten Studien
(7,8)
wird die präzise Erforschung der Ursachen für die unter- schiedlichen
Verläufe angeregt, gleichzeitig werden
folgende möglichen Ursachen
benannt: unterschiedliche familiäre Bindungen und Strukturen, die
Einbeziehung der Familien
von Betroffenen durch die Sozialprofis und besondere
Belastungen für psychisch verletzliche Personen
in einer hoch industrialisierten Leistungsgesellschaft.
Hinzu kommt die Kultur der
ständigen, ja, industrialisierten Selbstoptimierung in
den Industrieländern. Wir sind angehalten,
uns fortwährend zu verbessern und
an unseren Schwächen zu arbeiten. Die Ruhelosen hasten zum Yoga, während die
Phleg-
matischen sich zum Ziel coachen lassen. Die Leittragenden dieser
Entwicklung sind die sogenannten Minderleister, die so-
genannten Kranken und
Schwachen.
Warum muss ich um meine Rente bangen, wenn ich ein
stabiles Leben erreicht habe
(und dies mithin unter dem Schutz der Rente)?
Warum muss ich als Mensch mit psychischer Erkrankung "da abegeholt
werden, wo ich bin"? Kann ich nicht einfach da bleiben, wo ich mich gerade befinde?
Immerhin ist es schon eine Leistung,
wenn es nicht schlimmer wird, wenn ich
nicht in eine Krise gerate, wenn ich nicht wieder mehr Medikamente brauche.
Abschließend lässt sich sagen: Ja, wir
brauchen mehr ambulante Angebote und mehr Information. Vor allem aber brauchen
wir mehr Gemeinschaft. Genesen können wir, die Kranken, die Gesunden, die
Gesellschaft nur gemeinsam. Vielleicht ist
Akzeptanz das Zauberwort dieser
Tage. Nehmen wir die Dinge (Menschen und ihr Verhalten) doch, wie sie sind.
Lassen wir
einander den Raum, den wir brauchen. Und wagen wir ein Leben in
unserem Dorf, in unserem Kiez, in unserer Gesell-
schaft wie in einer
Großfamilie. Im Vertrauen darauf, dass alle schon am selben Strang ziehen
werden. Sicherlich ist es
immer wieder schmerzhaft, demütig zu
bleiben und anzuerkennen, dass ich für den anderen nicht wissen kann,
wie er
sein Leben zu leben hat oder wie er die Dinge sehen soll. Aber gerade
diese Zurückhaltung kann ich eben
auch von dem anderen fordern. Eine solche
Demut ist nicht wehrlos. Im Gegenteil: sie ist gelassen und stark. Und viel-
lleicht erlaubt uns diese Gelassenheit, den Weg gemeinsam zu gehen. Auf der Suche
nach einer Gesprächsebene,
im Vertrauen auf eine mögliche Verständigung über
einander, das Gemeinsame und den Weg,
den wir gemeinsam zurücklegen."
(2)
Aus: (1) Jann E. Schlimme, Burkhart Brückner: „Die abklingende Psychose: Verständigung finden, Genesung begleiten“
Einleitung: S.10, 13, 15f, 18; Abbildung 8 (von mir bearbeitet): Schematischer
Genesungsverlauf der abklingenden
Psychose S.154f. Abbildung 9: Trialektik
des Genesungsprozesses S.206. Unter Mitarbeit von Birgit Hase,
Amelie Palmer, John Peach und Levent Önal, Psychiatrie Verlag 1. Auflage 2017
(2)
Jann E. Schlimme, Thelke Scholz, Renate Seroka:„Medikamentenreduktion und Genesung von Psychosen“
Wie funktioniert eigentlich Genesung von Psychosen?:
Die drei Bausteine der Genesung (Trialektik der Genesung)
S.34-36 u. Abb.1,
S.35. Das Miteinander der Genesung S.40; Neuroleptika: Wieso sollten
Neuroleptika nicht so
hochdosiert und nicht automatisch lebenslang genommen
werden? S.63,66, Welche Entzugserscheinungen
können Neuroleptika-Reduktionen
auslösen? S.66-69; Die Praxis des Reduzierens und Ausschleichens:
Der erste
Schritt S.83, Die Reduktionsgeschwindigkeit: kleine und langsame Dosisschritte
S.88f,91,93;
Reduktion von Psychopharmaka-Kombinationen S.203; Leben mit
einem letzten Krümel oder ganz ohne
Psychopharmaka: Nach dem Absetzen S.216,
Der Preis der Normalität S.223, soziale rolle und Genesung
S.236f, Psychiatrie Verlag 1.Auflage 2019
(3) Edward M. Podvoll (1936-2003, Psychotherapeut, Psychiater in der psychoanalytischen Privatklinik Chestnut Lodge (Maryland, USA)
bei
Frieda Fromm-Reichmann (1889-1957) u. Harold Searles (1918-2015), Autor), Tilmann Borghardt (Übersetzer): „Von Psychose
genesen:
Psychosen verstehen und behandeln“ [Originalausgabe: “The Seduction of Madness: Revolutionary Insights into the World
of Psychosis
and a Compassionate Approach to Recovery at Home“ 1990“, 2. Fassung: „Aus entrückten Welten: Psychosen verstehen
und behandeln“
2004 („Recovering Sanity: A Compassionate Approach to Understanding and Treating Pyschosis“ 2003] Norbu Verlag 1.Auflage 2017
(4) Jari Tiihonen, Antti Tanskanen, Heidi Taipale: "20-Year Nationwide Follow-Up Study on Discontinuation of Antipsychotic Treatment
in First-Episode Schizophrenia" Am J Psychiatry. 2018 Aug 1;175(8):765-773
Martin Harrow, , Thomas H. Jobe, Robert N. Faull: "Does treatment of schizophrenia with antipsychotic medications eliminate
or reduce psychosis? A 20-year multi-follow-up study" Psychol Med. 2014 Oct;44(14):3007-16
Lex Wunderink, Roeline M. Nieboer, Durk Wiersma, Sjoerd Sytema, Fokko J. Nienhuis: "Recovery in remitted first-episode psychosis
at 7 years of follow-up of an early dose reduction/discontinuation or maintenance treatment strategy: long-term follow-up of a 2-year
randomized clinical trial" JAMA Psychiatry. 2013 Sep;70(9):913-20
(5) Guy Chouinard, Barry d. Jones: "Neuroleptic-Induced Supersensitivity Psychosis: Clinical and Pharmacologic Characteristics" Am J Psychiatry
1980; 137:16-21
Guy Chouinard, Anne Noël Samaha, Virginie Anne Chouinard, Charles Siegfried Peretti, Nobuhisa Kanahara, Masayuki Takase, Masaomi Iyo:
"Antipsychotic-Induced Dopamine Supersensitivity Psychosis: Pharmacology, Criteria, and Therapy" Psychother Psychosom. 2017;86(4):189-219
Richard Tranter, David Healy: "Neuroleptic discontinuation syndromes" J Psychopharmacol. 1998;12(4):401-6
Anja Cerovecki, Richard Musil, Ansgar Klimke, Florian Seemüller, Ekkehard Haen, Rebecca Schennach, Kai-Uwe Kühn, Hans-Peter Volz, Michael Riedel:
"Withdrawal symptoms and rebound syndromes associated with switching and discontinuing atypical antipsychotics:
theoretical background
and practical recommendations" CNS Drugs 2013 Jul;27(7):545-72
Roy B.Lacoursiere, Herbert E.Spohn, KarenThompson: "Medical effects of abrupt neuroleptic withdrawal" Comprehensive Psychiatry 1976;17(2):285-294
Kenneth L. Davis, Gordon S. Rosenberg: "Is there a limbic system equivalent of tardive dyskinesia?" Biological Psychiatry 1979;14(4):699-703
(6)
Die sog. erste "10%-Regel" stammt von Dr. med. David L. Richman (pen name: Dr. Caligari)
Berkely/CA/USA: "Dr. Caligari’s Psychiatric Drugs"
Network Against Psychiatric Assault 1984
(Er empfiehlt 10% Reduktionen in 1 Wo-schritten, dies ist für die meisten
Neuroleptika Nutzer zu schnell!!!)
(7) WHO (Hg.): "Schizophrenia. An
International Follow-up Study" S.370, Chichester. New York, Brisbane, Toronto:
John Wiley & Sons 1979
(8) Erika Jääskeläinen, Pauliina Juola, Noora Hirvonen, John J. McGrath, Sukanta Saha, Matti Isohanni, Juha Veijola,
Jouko Miettunen:
"A systematic review and meta-analysis of recovery in schizophrenia" Schizophr Bull. 2013 Nov;39(6):1296-1306
Wer hat Angst vor dem Psychopharmaka Absetzen?
pdf
>>>
Ärztliche Beratung und psychotherapeutische Gespräche beim Absetzen von Dämpfungs- und Beruhigungsmitteln
Dr.med. Josef Zehentbauer - Arzt und Psychotherapeut München
"Sowohl regelmäßige PSYCHOPHARMAKA- wie auch DrogenKonsumentInnen
nehmen ihren "Stoff" in der Hoffnung
zu sich, auf diese Art eine
Unsicherheit, ein Leiden, eine Unzufriedenheit oder ein
Problem besser zu ertragen. Sie hoffen,
dass es ihnen mit Hilfe der
Substanz [Medikament, Droge] besser geht. Letztlich kann die Einnahme einer
Droge wie die
eines Psychopharmakons als Behandlung oder als
Behandlungsversuch eines unerträglichen psychischen Zustands ver-
standen
werden. Die allermeisten psychischen Leidenszustände sind mit ANGST verbunden -
ANGST als Haupt- oder
Begleitsymptom. Und diese ANGST wird sich
beim Absetzen, wenn ihre Ursachen nicht
erkannt und möglichst ver-
ändert wurden, mit Sicherheit wieder melden.
Gleichzeitig haben die Betroffenen beim Absetzen
ANGST vor dem
Wegfall einer Wirkung (zum Beispiel der Dämpfung), die als
hilfreich und unverzichtbar erlebt wurde.
Dazu kommt, dass
viele der
eindringlichen psychiatrischen Botschaft ausgesetzt waren, dass sie dringend auf
den Konsum von Psychopharmaka angewiesen seien. Sie alle fürchten sich vor dem
Absetzen, sogar wenn
sie mit der Psychopharmakawirkung in keiner Weise
einverstanden sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit ver-
spüren sie starke
ANGST, wenn sie dann tatsächlich das Psychopharmakon absetzen. In diesem Zu-
sammenhang kann von ERWARTUNGSANGST gesprochen werden."
Aus: Marc Rufer: "Angst machen - Angst nehmen: Beim Absetzwunsch wird die Meinung der Ärzte zur Gefahr"
Psychisch ausgelöste Entzugserscheinungen, Wegfall der Dämpfung
S.194f, in
Peter Lehmann:
"Psychopharmaka absetzen" 2013 [Meine Ergänzungen]
"Es gibt Betroffene [Psychiatrie-Patienten], die bedenkenlos schlagartig
auch höchste Dauerdosen von Psychopharmaka absetzen.
Das kann gutgehen,
jedoch muss man - insbesonders beim abrupten Absetzen von Neuroleptika -
durchaus mit einer ENTZUGS-
PSYCHOSE rechnen: Halluzinationen, Paranoia
[Wahnbildung], Angst- und Panikattacken, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit, Depres-
sionen... Der Schulpsychiater [Mainstream Psychiater] interpretiert eine solche
ENTZUGSPSYCHOSE willkürlich: Der Patient
war nicht brav, hat seine
Medikamente nicht genommen, und schon ist die [Grundkrankheit] Psychose wieder
ausgebrochen.
(Die meisten Schulpsychiater bestreiten überhaupt, dass beim
plötzlichen Absetzen von Neuroleptika Entzugspsychosen ent-
stehen können,
obwohl sie dies an "ungehorsamen" Patienten erleben und obwohl in der
internationalen Fachpresse darüber
berichtet wird.). Eine ENTZUGSPSYCHOSE
lässt sich vermeiden, wenn vorsichtiges, schrittweises Absetzen gewählt wird
[als eine Möglichkeit nach der
10%-Formel/Regel: dabei wird die ursprüngliche Tagesdosis schrittweise in 10% Mengen
von der Gesamt-Tages-Dosis,
z.B. jeweils über 6-8 Wochen (10% pro 6-8 Wochen), reduziert.] ..."
Aus: Josef Zehentbauer: "Wer hat Angst vor dem Absetzen? Ärztliche Beratung und psychotherapeutische Gespräche
beim Absetzen von Dämpfungs- und Beruhigungsmitteln" Nichts überstürzen, bei Bedarf langsam absetzen. S.194f
in Peter Lehmann: "Psychopharmaka absetzen" 2013 [Meine Ergänzungen]
Note:
Rebound (Absetzphänomen, Entzug) ≠ Relapse (Rezidiv, Rückfall)
Typische Absetzsyndrome bei Neuroleptika-Entzug (1)
Aus: Jann E. Schlimme, Burkhart Brückner: „Die abklingende Psychose: Verständigung finden,
Genesung begleiten“
Typische Absetzsyndrome bei Neuroleptika-Entzug: Tab. 1 S.196
Unter Mitarbeit von Birgit Hase, Amelie Palmer, John Peach und
Levent Önal
Psychiatrie Verlag 1. Auflage 2017
(1) Richard Tranter, David Healy: "Neuroleptic discontinuation syndromes"
J Psychopharmacol. 1998;12(4):401-6
CAVE:
Hüte Dich vor plötzlichem Absetzen der Psychopharmaka!
(Kalter Entzug, Cold Turkey")
"Jedes Psychopharmakon
[Antidepressiva, Neuroleptika/Antipsychotika, Anxiolytika,
Benzodiazepine/Hypnotika,
Phasenprophylaktika]
kann Entzugs- bzw.
Absetzsymptome
(10) produzieren. Dies geschieht zum Teil, weil das
Gehirn sich an
das Psychopharmakon anpasst und es in einem abnormal kompensierten Zustand
zurückgelassen
wird, wenn die Dosis eines Medikaments reduziert wird oder das
Medikament abgesetzt wird ..."
"Absetzsymptome
(10) können oft von Symptomen der
vorher bestehenden psychischen Erkrankung und von
sich neu entwickelnden
psychischen Problemen während des Reduzierens unterschieden werden. Die
Absetz-
symptome entwickeln sich, gewöhnlich kurz nachdem ein Medikament reduziert wurde, und verschwinden,
wenn die Dosis vor der Reduktion wieder
eingenommen wird ..."
"Behandler nehmen zu oft an, dass jedes
psychiatrische Symptom in Verbindung mit einer inhärenten Störung
des
Patienten steht als vielmehr mit einer direkten Medikamentenwirkung oder einem
Absetzsymptom.
Medikamentendosierungen werden dann reflexartig erhöht oder
zusätzliche Medikamente
verordnet. Dies führt dazu, dass Patienten mit zu
hohen Dosierungen oder mit zu vielen verschiedenen
Medikamenten
[Multimedikation] auf einmal
behandelt werden ... Wann auch immer Symptome während
einer Dosisänderung (nach oben oder nach unten) auftauchen oder sich verschlechtern, sollte
der
Behandler einschätzen, ob die Symptome in Verbindung mit der Medikation
stehen ..."
"Es ist kaum zu erklären warum
Polypharmazie [Multimedikation] so schwer zu verändern ist.
Nicht
die Monotherapie, nicht die Doppel- oder Dreifachkombination - es sind
die Vierfach- oder Fünffach-
kombinationen unterschiedlichster
Psychopharmaka, die nach wie vor bei Heimaufnahmen üblich sind.
Gleichzeitig
fordern solche Tatsachen von den Weiterbetreuenden und -behandelnden, sich
nicht mit
den Medikamentenverordnungen der
Klinik abzufinden. Schließlich sind die Risiken und Neben-
wirkungen von
[medikamentöser] Dauerbehandlungen für die Betroffenen nicht zu bagatellisieren.
Gehen wir ruhig realistisch von fünf Präparaten aus, wovon nicht selten drei
Neuroleptika, ein Tranquilizer
und ein Phasenprophylaktikum sind.
Möglicherweise ergänzt durch ein Anticholinergikum (Akineton)
und
gegebenenfalls diverse internistische Präparate. Die
Gefahr für vielfältige
Interaktionen
(unerwünschte Wechselwirkungen der Medikamente untereinander)
wächst massiv."
Aus: DGSP Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.: "Neuroleptika reduzieren und absetzen.
Eine Broschüre für Psychose-Erfahrene, Angehörige und Professionelle aller Berufsgruppen"
Kapitel 4: Reduzieren und Absetzen. Mögliche Probleme beim Reduzieren und
Absetzen
von Neuroleptika S.39-41, Kapitel 9: Reduzieren und Absetzen in
besonderen Situationen.
Neuroleptika reduzieren im psychiatrischen Wohnheim
S.71 DSGP 2014, In: Peter R. Breggin:
„Psychiatric Drug Withdrawal: A Guide for Prescribers, Therapists, Patients and their Families"
Ch
10: Withdrawal Reactions from Specific Drugs and Drug Categories, S.119f, Springer 2013
Anne-Noël Samaha, Greg E. Reckless, Philip Seeman, Mustansir Diwan, José N. Nobrega, Shitij
Kapur: "Less is more: antipsychotic drug effects are
greater with transient rather than continuous
delivery" Send to Biol Psychiatry. 2008 Jul 15;64(2):145-52
Benzodiazepin-Entzugssymptome
(1)
Aus: Jann E. Schlimme, Thelke Scholz, Renate Seroka: „Medikamentenreduktion und Genesung von Psychosen“
Wie funktioniert eigentlich Genesung von Psychosen? Die Praxis des Reduzierens und Ausschleichens.
Schlaf- und Beruhigungsmittel (pflanzliche Präparate, Benzodiazepine, Z-Drogen, Cannabidiol)
Tab. 3 S.152, Psychiatrie Verlag 1.Auflage 2019
(1) Gerd Laux, W. König: "Benzodiazepine: Langzeiteinnahme oder Abusus?
Ergebnisse einer epidemiologischen Studie" Dtsch med. Wschr. 1985; S.1285-1290
"Verrücktheit ist keine Krankheit, die es zu kurieren gilt. Meine Verrücktheit trat ein, um von mir ein neues Leben einzufordern.
Die Qualen waren einerseits Signale, dass der damalige Zustand meines Lebens nicht gut war, und andererseits die Trieb-
kraft, die mich zwang, aus meiner unerträglichen bzw. sinnlosen Lebenssituation herauszugehen und den
Weg zu einem
authentischeren Leben zu suchen. Ohne diesen inneren Zwang der
Verrücktheit wäre ich nicht von der Stelle gekommen.
Psychopharmaka dagegen
blockieren diese Triebkraft, unter ihrer Wirkung bliebe man für immer
in
Leiden und Verrücktheit stecken."
Maths Jesperson: "Zwischen Lobotomie und Antidepressiva. Neuroleptika. S.70-72,
Kapitel: Absetzen ohne Entzugsprobleme.
In: Peter Lehmann: „Psychopharmaka absetzen. Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressive, Phasenprophylaktika,
Ritalin und Tranquilizern“ Vorworte von Pirkko Annelie Lahti (b.1941, finn. Psychiaterin) und Loren Richard Mosher
(1933-2004, US Psychiaterin) Antipsychiatrieverlag 4. aktualisierte und erweiterte Auflage 2013
Neuroleptika reduzieren und absetzen
pdf
>>>
Eine Broschüre für Psychose-Erfahrene, Angehörige und Professionelle
aller Berufsgruppen Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie 2014
"Es hat sich gelohnt, diesen Weg zu gehen" - ein Absetzbericht S.66-70
DDPP - Dachverband Deutschsprachiger
PsychosenPsychotherapie (2013):
"Aktuelle Forschungsergebnisse zur Neuroleptika-Behandlung"
pdf
>>>
https://ddpp.eu/news-meldung/aktuelle-forschungsergebnisse-
zur-neuroleptika-behandlung.html
Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V:
www.bpe-online.de/
Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Rheinland-Pfalz e.V: www.lvpe-rlp.de
Antipsychotika:
www.lvpe-rlp.de/sites/default/files/pdf/aufklaerungsbogen-nl.pdf
Antidepressiva: www.lvpe-rlp.de/sites/default/files/pdf/antidepressiva-ns.pdf
"To allay fear and anxiety and to respect their
self-determination, individuals withdrawing
from psychiatric medications
should feel in charge of the decision to withdraw and
in charge of the pace of the taper. When needed, this encouragement can come
from a
therapist, as well as from a prescriber ...
Because of the many risks, known and unknown,
associated with psychiatric drug
exposure, the healthcare provider or patient
should approach the use of any
psychiatric drug with caution and judicious
concern and make every effort
to limit the dose, the combination of drugs,
and the time of exposure
with an eye to withdrawing from the drug as soon as
feasible ...
Concern about symptoms of Chronic Brain Impairment
(CBI) is the most common
reason why patients and their families seek help in
withdrawing from long-term
treatment with psychiatric drugs ...
The syndrome of Chronic Brain Impairment (CBI)
consists of the following four symptoms clusters:
1. Cognitive dysfunction 2.
Apathy and loss of interest 3. Emotional worsening (affective dysregulation)
with loss of empathy, emotional liability, and increased irritability 4.
Anosognosia - the failure to
recognize symptoms of brain dysfuntion in
oneself. Most commonly, all four are present at
the same time, and there is a
reduction in the quality of life ...
The work of psychiatric drug withdrawal, although
somtimes difficult and hazardous,
can be very gratifying to the clinician and
extremely empowering
to the patient and family ...
Early signs of TD (Tardive Dyskinesia) are probably
the most common signal that a patient
on antipsychotic (neuroleptic) drugs
needs to be withdrawn from the medication as quickly
as possible ... Tardive
dyskinesia is so common and potentially devastating that the entire
treatment
team - prescriber, therapist, patient, and family - must understand and be able
to recognize the disorder. The only effective treatment for TD is to remove
patients from
the drug as swiftly as possible after the first sign of
abnormal movements ...
All the hazards associated with withdrawing from
psychiatric medications are also associated
with routine reductions and even
small dose reductions. When a dose rduction is associated
with a relatively
rapid worsening of the patient's condition, a withdrawal reaction is the most
likely cause and can usually be dealt with by a return to the previous dose ...
Therapists schould not be required or feel obliged
to promote "medication compliance".
Medication compliance is antiquated in a
era when patients have complete access to drug
information and possess the
right to decide whether or not to take psychoactive medication
[Individuals
subjected to outpatient or inpatient commitment can lose their right to reject
medication. Forced medication is not therapy. It is coercion and schould have no
place
in mental health practices.(1)]. Respect for patient autonomy and
self-determination
is ethically required and therapeutically indispensable
...
Aus: Peter Roger Breggin (b.1936, US Psychiater, Harvard University): „Psychiatric Drug Withdrawal: A Guide for Prescribers,
Therapists, Patients and their Families"
Part I: Reasons to Consider Psychiatric Drug Withdrawal or Dose Reduction.
Ch
1: A Person-Centered Collaborative Approach to Psychiatric Drug Withdrawal.
Exploring the patient's feeling p.6;
Ch 2: Cautions in Assessing the Risks
Associated With Psychiatric Drugs. Examples of delayed recognition of serious
psychiatric drug adverse effects p.16; Ch 3: Chronic Brain Impairment (CBI): A
Reason to Withdraw Patients From Long
Term Exposure toPsychiatric
Medications. Symptoms and characteristics of chronic brain impairment (CBI)
p.22,
Symptoms and characteristics of chronic brain impairment (CBI):
Comparison to Dementia and Organic Brain
Syndrome p.25, Recovery from CBI
p.37; Ch 4: Antipsychotic (Neuroleptic) Drugs: Reasons for Withdrawal.
Tardive Dyskinesia, Tardive Dystonia, and Tardive Akathisie p.44,
46, Springer 2013
Tab 4.1
Symptoms of Tardive Dyskenasia p.45
pdf
>>>
Ch 15: Techniques for Beginning Medication Withdrawal p195
Ch 19: Concluding
Thoughts for Prescribers, Therapists, Patients and Their Families p.265
(1)
Peter R. Breggin: "Toxic Psychiatry: Why Therapy, Empathy and Love Must Replace the Drugs, Electroshock, and
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Aderhold (b.1954, FA f. Psychiatrie, Psychotherapie u. Psychotherapeutische
Medizin. Seit 2006
Mitarbeiter am Institut für Sozialpsychiatrie an der Universität Greifswald/Mecklenburg-Vorpommern
9/2010
Aus: www.dgsp-ev.de/psychopharmaka/neuroleptikadebatte/neuroleptika-zwischen-nutzen-und-schaden.html
Prof. Dr. Reinhard Maß: "Antidepressiva sind wirkungslos" pdf
>>>
https://www.klinikum-oberberg.de/standorte/zsg-zentrum-fuer-seelische-gesundheit-klinik-
marienheide/fachabteilungen/klinik-fuer-allgemeinpsychiatrie-und-psychotherapie/team/
"Marienheider Psychologe veröffentlich Studie, Tabletten haben demnach
nur Placebo-Effekt."
Aus:
Tageszeitung "Oberbergischer Kreis", Mi 20.11.2019
"Seinen 33. Geburtstag [2007] wird der Sänger Robbie Williams [b.13.II.1974] nicht vergessen.
An diesem Tag lässt er sich in eine Klinik
in Arizona einweisen. Sie ist
spezialisiert auf den Entzug von Antidepressiva. Trotz mehrerer Versuche hatte
er es nicht geschafft,
sein Antidepressivum aus eigener Kraft abzusetzen. Über
viele Jahre nahm Robbie Williams das Medikament Venlafaxin [ein SNRI
(1)]
ein. Noch in seiner drei Jahre zuvor erschienenen Biografie (2) lobte er
das Antidepressivum als lebensrettend. Doch über die Jahre
nimmt er an
Gewicht zu. Als er den Spott der Medien nicht mehr ertragen kann, versucht er
Venlafaxin loszuwerden. Viel zu spät erkennt
er seine
körperliche
Abhängigkeit. Er bezeichnet diese Erfahrung als Höllenqual. "Der Tod
muss schon drohend bei mir anklopfen,
damit ich so etwas auf mich nehme.
Robbie Williams geht nicht in die Entzugsklinik, wenn sein Leben nur ein
bisschen außer Kontrolle
geraten ist" (3), beschreibt er dem Magazin
"Stern" [2009] seinen Entzug.
"Die medikamentöse Therapie führt in die Abhängigkeit. Das ist
eines der bestgehüteten Geheimnisse der Psychiatrie. Den Patienten fällt
es
schwer, die Mittel abzusetzen, weil dies Entzugssymptome [5a] auslöst. Es ist
unglaublich, dass führende Psychiater diese Tatsache
seit vielen Jahrzehnten
bestreiten [5b] und dass die meisten von ihnen heute noch entschieden leugnen,
dass SSRIs (4) abhängig machen
können. (Aber Patienten sind nicht so leicht zu
täuschen wie Psychiater; sie wissen allzu gut, dass die Medikamente, auch
SSRI,
zu einer Abhängigkeit führen" [5c,d])", schreibt der
[dänische] Arzt Peter Gotzsche
(5) 2016.
Die Lüge von nicht abhängig machenden Antidepressiva erfanden die
Marketingstrategen der Pharmakonzerne. Durch
geschickte
Propaganda hat sie sich in den Köpfen der Psychiater festgesetzt
und ihren Platz auf dem Lehrplan der Universitäten gefunden.
Depression-Heute - www.depression-heute.de - liegen
Berichte von Ärzten vor, die beklagen, während des Studiums gelernt zu haben,
SSRIs (4) hätten kaum Nebenwirkungen und eine Absetzproblematik existiere nicht.
In diesem Glauben haben sie selber zu Antidepressiva
gegriffen ...
Grundsätzlich wird an Universitäten, in
psychiatrischen Krankenhäusern und in deutschen Arztpraxen eine
Absetzproblematik
geleugnet. Das gelingt
deshalb so einfach, weil die Symptome denen einer psychischen Erkrankung stark
ähneln. Beim Absetzen gerät
der Gehirnstoffwechsel durcheinander, wodurch die
psychische Krankheit ausgelöst werden kann, gegen die das Medikament
ursprünglich
eingenommen wurde. Es können auch Panikattacken,
Depersonalisierung, hypomanische Phasen oder Ängste erstmals auftreten. Häufig
vergehen viele Monate nach dem Einnehmen der letzten Tablette, bis die Probleme
beginnen. Das macht es den Ärzten und Patienten schwer,
zwischen
Absetzsymptomen
und einer
psychischen Erkrankung
zu unterscheiden. Dabei ist es eigentlich ganz leicht. Wenn ein Patient in
einer gesunden, stabilen Phase die Medikamente absetzt [auszuschleichen
beginnt!] und dann Symptome auftreten, ist davon auszugehen,
dass es sich um
Absetzsymptome
handelt, nicht um die Erkrankung. Man kann ein Absetzsyndrom auch gut an
plötzlich auftretenden
körperlichen Symptomen erkennen , wie zum Beispiel
grippeartigen Schmerzen, Magen- und Darmbeschwerden, elektrischen Entladungen
im Gehirn, Schwindel oder Schlafstörungen. Oft erlebt der Patient beim Absetzen
Symptome, die er vorher nicht kannte. In dieser schweren
Zeit benötigt er
Unterstützung vom behandelnden Arzt. Stattdessen wird ihm meist geraten, die
Medikamente wieder einzunehmen ... [Cave:
die Absetzsymptomatik muss nicht sofort, sondern kann zeitverzögert erst Wochen
bis Monate, sogar nach einem Jahr, erst auftreten!]
Ein Patient mit
Absetzschwierigkeiten
[1957 erstmals durch Prof. Dr. med. Roland Kuhn (1912-2005) bei Imipramin beschrieben; s.u.]
ist
mit seinen Problemen allein. Er durchleidet höllische seelische und
körperliche Qualen. Seine Probleme sind absetzbedingt, doch keiner
glaubt ihm.
Nahezu jeder professionelle Helfer, den er wegen seinen Beschwerden aufsucht ...
erklärt ihm, seine "Grunderkrankung" sei
zurückgekehrt. Es wird ihm dringend geraten, mit der weiteren Einnahme der Medikamente
fortzufahren. Oft erhält der Absetzwillige nach
einem gescheiterten [Ausschleich-
u./o. Absetz-] Versuch noch mehr Medikamente, als er zuvor eingenommen
hat. So wird der Boden
bereitet für eine häufig jahrelange Odyssee, an deren
Ende der schundene Patient steht, der aus einer Mischung von Resignation und
Angst bereit ist, quälende Nebenwirkungen ein Leben lang in Kauf zu nehmen ...
Die modernen Antidepressiva haben ein Krankheitsbild hervorgebracht, das es
vorher nicht gab: das
SSRI-Absetzsyndrom. Seit 2001
wird es
systematisch beschrieben. Es bildet eine eigenständige Diagnose [Y 49.2] im
Klassifikationshandbuch der Medizin, dem
ICD-10 (6) [- Unerwünschte Nebenwirkungen bei therapeutischer Anwendung von Arzneimitteln, Drogen oder
biologisch
aktiven Substanzen (Y40 - Y59):
www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2016/index.htm].
Damit kann jeder Arzt in
Deutschland die Begleitung des Patienten beim Absetzen mit den Krankenkassen
abrechnen.
Symptome des SSRI Absetzsyndrom
Symptoms of
SSRI Discontinuation Syndrome
♦ Kopfschmerzen ♦
Muskelschmerzen ♦ Stromschlagartige Empfindungen im Körper/Gehirn ("brain zaps")
♦ Grippeartige Schmerzen ♦ Fieber ♦ Schweißausbrüche ♦ Schüttelfrost
♦ Gleichgewichtsstörungen
♦ Übelkeit ♦ Erbrechen ♦ Durchfälle ♦ Rastlosigkeit,
Hyperaktivität (Akathisie) ♦ Erhöhte Reizbarkeit
♦ Verwirrung ♦
Aggressivität, erhöhte Gewaltneigung ♦ Panikattacken ♦ Dauerhafte
Schlaflosigkeit
♦ Stimmungsschwankungen ♦ Selbstverletzendes Verhalten
♦ Selbstmordgedanken
♦ Selbstmordversuche
Die Symptome sind so schwerwiegend, dass die Patienten sie nicht aushalten können und stattdessen die Medikamente
weiter einnehmen.
Viele Ärzte raten auch deswegen zu einer lebenslangen Einnahme, weil sie bereits
schlechte Erfahrungen
gemacht haben, wenn Patienten ihr Medikament weglassen.
Insgesamt nimmt dadurch der Anteil an Langzeitkonsumenten
stetig zu. In
Amerika nehmen 11% der Bevölkerung [USA: 318,9 Millionen Einwohner (2014)]
dauerhaft Antidepressiva ein,
das sind 30 Millionen Menschen (7).
Antidepressiva sind dort die am zweithäufigsten verschriebenen Medikamente. Die
Menschen werden ihre Mittel nicht wieder los. 60% nehmen die Medikamente bereits
seit mehr als 2 Jahren, 14% seit
über 10 Jahren. Durch den dauerhaften
Gebrauch gibt es in den USA aber nicht weniger depressive Menschen. Ihre
Zahl
steigt weiterhin rasant. Aktuell nehmen auch immer mehr Kinder und Jugendliche
dauerhaft Antidepressiva.
Dabei gibt es
weltweit keine zuverlässige Studie, die den Medikamenten nach einem Jahr
Einnahme noch eine
Wirksamkeit gegen Depressionen bescheinigt
(8). Bereits nach zwei Jahren kam es vermehrt zu Rückfällen
bei Menschen, die
dauerhaft auf Antidepressiva eingestellt waren (9) ...
In Deutschland vermeiden
die niedergelassenen Psychiater und die Krankenhausärzte das Wort "Entzug"
im
Zusammenhang mit Antidepressiva. Das widerspricht nicht nur dem Empfinden
der Patienten, sondern auch dem
aktuellen Forschungsstand. Immer mehr
Wissenschaftler sind der Auffassung, Absetzerscheinungen von SSRIs
sind aufgrund
der Schwere der Symptomatik und ihrer Gefährlichkeit vergleichbar mit denen
von Schlafmitteln
[Hypnotika, Benzodiazepine] und Opiaten (10). Der
italienische Professor Giovanni A. Fava (10) empfiehlt,
den Begriff
Absetzsyndrom [DEAE's - Discontinuation Emergent Adverse Events]
zu streichen und
von Entzug zu sprechen, um Patienten das Risiko von SSRIs
bewusst zu machen ...
Absetz-bzw. Entzugssymtptome der
Antidepressiva
(1)
Aus: Jann E. Schlimme, Thelke Scholz, Renate Seroka: „Medikamentenreduktion und Genesung von Psychosen“
Andere Psychopharmaka. Antidepressiva. Tab.5, S.191, Psychiatrie Verlag 1.Auflage 2019
(1) Giovanni A. Fava, Emanuela Offidani: "The mechanisms of tolerance in antidepressant action"
Progress
in Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry. 2011 Aug 15;35(7):1593-602
"Führen wir die
Behandlung [mit Antidpressiva] länger als 6-9 Monate
fort, können wir Prozesse auslösen, die den anfänglichen
akuten Wirkungen von
Antidepressiva entgegen wirken (Verlust klinischer Wirkungen). Möglicherweise
lösen wir damit einen schlecht-
eren und behandlungsresistenten Krankheitsverlauf
aus, was zu [Therapie-] Resistenz oder beschleunigten Rückfällen führen kann.
Wenn die medikamentöse Behandlung endet, können diese Prozesse unbehindert
von statten gehen und Entzugserscheinungen und
eine erhöhte Anfälligkeit
gegenüber Rückfällen mit sich bringen. Solche Prozesse sind nicht unbedingt reversibel. Je mehr wir Anti-
depressiva wechseln oder verstärkt
einsetzen, desto wahrscheinlicher kommt es zu so einer entgegen gesetzten
Toleranz."
(10a)
Seine Ausführungen stützt
[Giovanni A.] Fava auf verschiedene Studien, wonach sich unter
SSRI
(1)
die Symptome verstärken
können
(10b), Rückfälle in hoher Zahl auftreten
(10c), die Wirkung der SSRI nachlässt
(10d), Patienten nach anhaltender
SSRI-Ein-
nahme ein höheres Risiko einer zweiten Behandlung aufweisen als
Patienten, die sie frühzeitig beenden
(10e), nach Rückfällen
Dosiserhöhungen
notwendig werden
(10f), Toleranzbildung Dosissteigerungen nötig macht und
trotzdem Rückfälle auftreten
(10g).
Aber auch nach wiederholter SSRI-Gabe
mit Unterbrechungen trete eine Tachyphylaxie ein: eine zunehmende
Wirkungsab-
schwächung
(10h). Schließlich könne ein chronischer Verstimmungszustand ("tardive Dysphorie") eintreten
(10i) ...
[Antidepressiva-]
Entzugserscheinungen
(10)
können Monate oder Jahre anhalten und auch durch langsames
Absetzen
nicht grundsätzlich verhindert werden ...
Laut "British National
Formulary
(BNF)"... sind SSRI mit kurzer
Halbwertszeit besonders riskant:
"Entzugserscheinungen können innerhalb von
fünf Tagen nach Ende einer Behandlung mit Antidepressiva
auftreten, normalerweise sind sie mild und klingen von alleine wieder ab, aber in einigen
Fällen können sie
heftig sein. Medikamente mit kürzerer Halbwertszeit wie
Paroxetin [T1/2: 17-24h] und Venlafaxin [T1/2: 5(12)h]
sind mit einem höheren Risiko von Entzugserscheinungen verbunden
(10)"...
Guy Chouinard [Prof. f.
Psychiatrie, Montreal, QC, Canada] und [Kollegen] meinten (10j):
"Der Begriff des Absetzens bezieht sich auf den medizinischen Verschreibungsakt oder die Ent-
scheidung des Patienten selbst, die Einnahme des Medikaments
zu beenden. Darüber hinaus ist der
Begriff Absetz-Syndrom' irreführend, da
Entzug auch ohne Absetzen auftreten kann, beispiels-
weise mitten zwischen zwei
Gaben von Medikamenten mit schnellem Wirkeintritt und kurzer Wirk-
ungsdauer
[< T1/2] (z.B. beim Clock-Watching-Syndrom [= zwanghaftes Warten auf die nächste
Dosis] sowie bei Dosisverringerung"
(10j) ... "
Aus: Peter Lehmann: "Risiken und
Schäden neuer Antidepressiva und atypischer Neuroleptika" Frühwarnzeichen
chronischer
und lebensgefährlicher Schäden. Entzugserscheinungen und
Chronifizierung von Depression. S. 94-97 in: Peter Lehmann,
Volkmar Aderhold, Marc Rufer, Josef Zehentbauer: „Neue Antidepressiva, atypische Neuroleptika - Risiken, Placebo-Effekte,
Niedrigdosierung und Alternativen. Mit einem
Exkurs zur Wiederkehr des Elektroschocks“ Geleitworte von Andreas Heinz
(Direktor der Klinik u. Prof. f. Psychiatrie u. Psychotherapie, Charité
Berlin, Präsident elect d. Deutschen Gesellschaft f.
Psychiatrie u. Psychotherapie, Psychosomatik u. Nervenheilkunde), Dr. rer. biol. hum.
Peter & Sabine Ansari (Vorwort)
und Marina Langfeldt (Nachwort, Oberstaatsanwältin Dr. jur.) Peter Lehmann Publishing 2018 (2017)
(1) (S)SRI: (Selektive) Serotonin Reuptake Inhibitors,
Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer
(BNF) Britisches nationales Arzneimittelverzeichnis (-liste)
2002 veröffentlichte der amerikanische Psychologie Professor
Irving Kirsch [b.1943, Harvard Medical School]
die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Forschung (12). In den 1990er Jahren
hatte er als klinischer Psychologe
vielen seiner depressiven Patienten
empfohlen, Antidepressiva einzunehmen. Als er 1995 seine erste
Untersuchung
über den Placebo-Effekt bei Depressionen
begann, ging er davon aus, Antidepressiva seien eine etablierte Medika-
mentenklasse, die Placebo überlegen sind. Diese Einschätzung sollte sich im Lauf
seines Lebens drastisch ändern:
"Erst akzeptierte ich die herkömmliche Sichtweise von Antidepressiva, dann
widersprach ich und schließlich lehnte ich
sie vollständig ab"
(13). Für seine Berechnungen untersuchte er die Wirksamkeit von vier
Therapiezweigen: Medikamente,
Psychotherapie, Placebo und keine Behandlung.
Er fand 38 Studien mit mehr als 3000 schwer
depressiven Patienten,
die für die Erstellung einer Meta-Studie geeignet
waren (14). Die erste Überraschung seiner Analyse war der deutliche
Unterschied in der
Wirkung von Placebo-Behandlung
und keiner Behandlung. In beiden Gruppen hatten die Patienten
keinen
Wirkstoff [Verum] erhalten. Dennoch zeigte sich
unter Placebo
eine
dreimal so hohe Besserungsrate
wie bei
Patienten ohne Behandlung ...
Nach Kirschs Untersuchung sind
75% der Wirkung des Medikaments auf den Placeboeffekt zurückzuführen. Damals
glaubte er noch, die restlichen 25 % der Wirkung würden durch den
chemischen Wirkstoff zustande kommen ...
Kirsch fand keinen Unterschied in
der Wirkstärke der alten Antidepressiva und der neueren SSRIs ...
Die Pharmahersteller reagierten empört auf Kirschs Analyse.
Die Unterschiedlichkeit der Medikamente sei nicht berücksichtigt worden,
jedes antidepressive Medikament wirke anders, und man könne auch in der
Dosierung variieren.
Ein Kollege, Thomas J. Moore [The George Washington
University School of Public Health and Health Services],
riet Kirsch daraufhin, seine Untersuchungen auf
die
Zulassungsdaten der Pharmakonzerne
auszuweiten. Er
solle sich dafür auf den "Freedom of Information"-Akt berufen
und Einsichtnahme bei der FDA (15) fordern ...
Hier reichen Pharmakonzerne
ihre eigenen Studien ein, um eine Zulassung für neue Medikamente zu beantragen.
Kirsch
erhielt die Erlaubnis, Einsicht in diese Daten zu nehmen ... Die FDA
hatte die Studien bereits vorsortiert und bewertet.
Inadäquate und schlecht
kontrollierte Studien fielen bereits im Vorfeld heraus. Übrig blieben nur große,
aussagekräftige
Studien, die einen
einheitlichen Bewertungsmaßstab
verwendeten. Die Pharmakonzerne mussten die klinischen Besserungen
in einem
normierten Maß darstellen:
der Hamilton-Skala
... 0 bis 7 Punkte: keine Depression. 8 bis 13 P.: Leichte Depression.
14 bis 18 P.: Mittelschwere Depression. 19 bis 22 P.: Schwere Depression. 23 P.
und darüber: Sehr schwere Depression
Mit diesem Bewertungsmaßstab soll der
Verlauf einer Therapie in Zahlen
festgehalten werden ...
Erstaunt stellte ... [Kirsch] fest,
nur die positiven Studien waren in wissenschaftlichen Journalen publiziert. Die
Pharma-
konzerne hatten fast die Hälfte ihrer Studien der Öffentlichkeit
vorenthalten. Dadurch hatten die Psychiater
ein verzerrtes
Bild [publication bias (1)] von der Wirksamkeit der Medikamente bekommen
... Kirschs Analyse
war revolutionär, da sie
sowohl die
veröffentlichten als auch die unveröffentlichten Studien der Pharmaindustrie einbezog
... Ihm war aufgefallen,
dass die Wirkung der Antidepressiva an das Auftreten
von Nebenwirkungen gekoppelt war. Alle Patienten, bei denen die
depressiven Symptome nach der Gabe eines Medikaments [Verum] zurückgegangen waren,
hatten über
Nebenwirkungen
geklagt. Diese Patienten
[sog. Verum-Gruppe] errieten demnach, dass sie
ein [echtes] aktives Medikament erhalten hatten.
Eine Doppelverblindung
[sog. Randomisierte kontrollierte Studie/Doppelblind-Studie], bei der sowohl
Arzt als auch Patient
nicht wissen, ob ein Medikament [Verum] oder ein
Placebo gegeben wird, ist deshalb in diesem Bereich schwierig.
Als Kirsch diese Gedanken öffentlich vorstellte, luden ihn
italienische Antidepressiva-Forscher an die
Universität von Verona
ein. Ihr Institut
verfügt über umfangreiche Studien mit dem Medikament Paroxetin [GSK]. Falls
Kirsch Recht habe, sagten
sie, müsste sich der Eigeneffekt der Medikamente
auf null bewegen, wenn man die Patienten ausschließt, bei denen Neben-
wirkungen aufgetreten waren. Genau das traf ein. Es war der Moment, in dem
Kirsch seine Ansicht über die chemische
Wirkung der Antidepressiva
revidierte. Fortan glaubte er nicht mehr, Antidepressiva könnten eine Depression
chemisch
heilen ...
Bei der neuen Untersuchung lag der Anteil des Placeboeffekts an der Wirkung
bei 82%
...
Eine weitere Überraschung ... Kirsch wies nach,
dass es keinen Unterschied macht, ob ein Patient sein Medikament niedrig
oder
hoch dosiert
erhält. Aus den Unterlagen der FDA ging hervor, dass ein Antidepressivum in
der niedrigsten Dosis eine
Besserung um 9,57 Punkte auf der Hamilton Skala
erreicht. Gab man das Medikament in Höchstdosis, wurden 9,97 Punkte
erreicht. Das galt für sämtliche untersuchten Antidepressiva. Die Placebos kamen auf
8 Punkte.
Die Besserung verstärkt
sich also nicht, wenn das Medikament in einer höheren
Dosis gegeben wird.
Im Jahr
2008
untersuchte Kirsch die
FDA-Daten erneut (16). Ihn beschäftigte die Frage, ob
Antidepressiva bei unterschiedlich
schwer eingestuften depressiven Patienten
unterschiedlich wirken. Er stellte fest,
Patienten mit leichten, mittelschweren und
schweren Depressionen profitieren
nicht von der Behandlung mit Antidepressiva.
Ein Unterschied machte sich nur bei den
10% sehr schwer depressiven Patienten
[Hamilton-Wert: 28 Punkte und darüber] bemerkbar ... Zusammenfassend kommt
Kirsch zu dem Schluss, moderne Antidepressiva seien nichts anderes als
"Extra-Starke-Placebos" [aber dafür mit
potentiell unangenehmen und
potentiell lebensbedrohlichen Nebenwirkungen! (2)] ...
Obwohl die [Pharma-]
Konzerne bislang keine einzige Studie einreichen konnten, in der Patienten von
einer Medikation
über Jahre profitierten, empfehlen Ärzte oft genug eine
lebenslange Einnahme. Das mag einerseits an
den Schwierig-
keiten beim Absetzen liegen, andererseits an der geschickten
Beeinflussung der Ärzte durch die Pharmakonzerne ...
In Finnland (3) gibt es eine
staatliche Klinik, in der die Patienten mindestens ein halbes Jahr lang keine
Diagnose erhalten.
Oftmals wird gar keine Diagnose vergeben. Dieses innovative
Konzept heißt "Offener Dialog" [Open Dialogue]. Er sieht jeden
Fall als
einmalig an und verzichtet auf standardisierte Vorgaben. Jeder Patient wird
individuell behandelt. Die Angehörigen
werden in den Heilungsprozess
einbezogen. Diese psychiatrische System wurde in den 80er Jahren entwickelt und
erzielt weltweit die besten Langzeitergebnisse bei psychiatrischen Patienten
(3). Die Patienten erhalten wenige bis gar
keine Medikamente, die
Krankenhausaufenthalte werden vermieden oder sind deutlich kürzer, und ein hoher
Anteil
der Patienten erreicht wieder die volle Erwerbsfähigkeit.
Diagnosen
sind immer subjektiv gefärbt und abhängig von Kultur,
Zeit, Mode und
Gesellschaftsordnung. Aus diesem Grund erhält ein Patient bei verschiedenen
Ärzten unterschiedliche -
bisweilen sogar widersprüchliche - Diagnosen.
Der
finnische Ansatz, zunächst auf eine Diagnose zu verzichten,
erscheint
sinnvoll (3). Er wird dem Umstand gerecht,
dass es mit unserem heutigen Wissen unmöglich ist,
exakte psychiatrische
Diagnosen zu stellen. Genauso unpräzise wie
die Diagnosestellung erfolgt
auch die Auswahl des "richtigen" Medikaments ...
Das Vorgehen der
Pharmakonzerne gleicht einer systematischen Gehirnwäsche. Bis heute halten sich
die mittlerweile
mehrfach widerlegten Versprechungen der Pharmakonzerne aus
den 90er Jahren. Noch immer glauben Hausärzte,
Psychiater und Patienten, es
gäbe wirksame Medikamente zur Beseitigung von Depressionen und diese
hätten
kaum Nebenwirkungen ...
Die Zukunft der Antidepressiva lässt sich am ehesten am Verhalten der
Pharmaindustrie ablesen. Ein Konzern
nach dem anderen [GlaxoSmithKline,
AstraZeneca, Pfizer, Merck, Sanofi, Novartis, Bristol-Myers Squibb, zieht
sich, seit 2010, oder ] hat sich aus der Antidepressiva Forschung [bereits]
zurückgezogen ... Sie scheinen ein-
gesehen zu haben, dass sich eine
Depression nicht gezielt medikamentös beeinflussen lässt ...
Es hat sich im
Lauf der
Jahre herausgestellt, dass alle antidepressiven Medikamente [der ersten als auch
der zweiten Generation]
gleichartig wirken und sich ihre Wirkung kaum von der
Reaktion auf Placebo unterscheidet ... Durch
sorgfältige
öffentliche Forschung haben sich weitere Schwierigkeiten
aufgetan. Die Effizienz der Medikamente musste
immer weiter nach unten
korrigiert werden. Spätestens seit den Veröffentlichungen von Irving Kirsch,
David Healy,
Jan Fawcett, Erick H. Turner sowie der STAR-D-Studie ist es für
die Pharmakonzerne nahezu unmöglich geworden,
eine hohe Wirksamkeit ihrer
Medikamente zu behaupten. Gleichzeitig wird es
immer schwieriger, das hohe Ab-
hängigkeitspotential und die zum Teil lebensbedrohlichen Absetzerscheinungen von
Antidepressiva zu leugnen ..."
Aus: Peter Ansari,
Sabine Ansari: „Unglück auf Rezept - Die Antidepressiva-Lüge und ihre Folgen“
Patient. Die Qualen beim Absetzen S.46 - 50,
S.54f, 57. Psychopharmaka.
Antidepressiva sind unwirksam S.83-92. Pharmaskandale. Lügen bei der Zulassung
von Antidepressiva S.130,
Psychiater. So diagnostizieren Psychiater eine
Depression S.169, Pillenhistorie. Der Siegeszug der Antidepressiva S.208. Perspektive.
Weshalb
die Ära der Antidepressiva endet S.225, 226, 227f, Lügen haben kurze
Beine. Lüge: Antidepressiva sind die beste Therapie S.246,
Vorwort
Prof.em.Dr.med. Bruno Müller-Oerlinghausen Klett-Cotta 2016,
www.depression-heute.de
(1) Siehe auch "publication bias", "Placebo", "Doppelblind",
", "Randomisierung", "Design" usw. unter INFOS: Statistik Glossar & Allerlei
>>>
(2) Simone Schächtele, Thomas Tümena, Karl-Günter Gaßmann, Martin F. Fromm, Renke Maas: "Umsetzung von Rote-Hand-Briefen
-
Eine Analyse von Medikationsdaten aus einer großen Kohorte geriatrischer
Patienten" Deutsches Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 15, 11. April 2014
www.aerzteblatt.de/pdf/111/15/m255.pdf
Brian L. Strom: "How the US Drug Safety System
Should Be Changed" JAMA. 2006 May 3;295(17):2072-5
http://courses.washington.edu/pharm309/StromJAMA.pdf
Lisa Cosgrove, Steven Vannoy, Barbara Mintzes, Allen F.Shaughnessy: "Under the Influence: The Interplay amongIndustry, Publishing,
and Drug Regulation" Account Res. 2016;23(5):257-79
(3) Jaakko Seikkula, Birgitta Alakare, Jukka Aaltonen: "The Comprehensive Open-Dialogue Approach in Western Lapland: II. Long-term stability
of acute
psychosis outcomes in advanced community care" Psychological, Social and Integrative Approaches 3(3):192-204, October 2011 [siehe Links]
Sami Timimi: "No more psychiatric labels: Why formal psychiatric diagnostic systems should be abolished" International Journal of Clinical
and Health Psychology, Volume 14, Issue 3, Pages 208-215, 2014
OPEN DIALOGUE: An alternative Finnish approach to healing psychosis (COMPLETE FILM):
www.youtube.com/watch?v=HDVhZHJagfQ
[Meine Ergänzungen]
"Zusammenfassend möchte ich sagen,
dass wir viel zu wenig wissen, wie manche Krankheiten ohne ärztliche
Eingriffe verlaufen, und daß wir, soweit wir es wissen, diese
Kenntnis in autistischer Weise (1) von unserem medizinischen Überlegungen absperren, statt sie zur Basis unserer therapeutischen Handlungen und Forschungen zu machen.
Wir verschreiben den Patienten
auf Rezepten und den Ärzten in Lehrbüchern eine Menge Mittel, von
denen wir nicht wissen, ob sie nötig oder nützlich, ja oft nicht
recht, ob sie schädlich sind und stellen sie häufig nebeneinander,
ohne den relativen Wert derselben zu kennen.
Und was das Schlimmste
ist, wir tun nicht alles Erdenkliche, um aus diesem Zustande
herauszukommen. Deshalb ist es keine Entschuldigung, wenn man sagen
wollte, man könne nicht anders, oder wenn man vom Verlangen des
Patienten nach Trost redet; das "ut aliquid fieri videatur" (2)
scheint mir höchstens entschuldbar als Notbehelf im einzelnen Falle,
als allgemeiner Grundsatz aber unwürdig der Wissenschaft und ihrer
Vertreter ..."
Paul Eugen Bleuler (1857-1939) Schweizer Psychiater (Zürich) "Schizophrenie-Forscher" ("Mb.Bleuler") Aus: „Das
autistisch-undisziplinierte Denken in der Medizin und seine
Überwindung“ B. Vom Autismus in Behandlung und Vorbeugung S.17
SPRINGER 5.Neudruck der 5.Auflage1962 (1921, 1.Auflage 1919). (1)
gr.autos = selbst, "auf sich selbst bezogen" (2) ut aliquid fieri
videatur = „Um es so aussehen zu lassen (Um den Anschein zu
erwecken), es werde etwas getan“
|
"Vor vielen Jahren,
bevor der massive Missbrauch von Psychopharmaka begann, war die Depression
eine selbstlimitierende Krankheit, die meist innerhalb weniger Monate vorbei
war. Selbst heute dauert
eine durchschnittliche, unbehandelte Depression nur
drei Monate ... (5) [5e]
Unsere verrückte Gesellschaft ignoriert die Tatsache vollständig, dass unsere
verschreibungspflichtigen Medikamente nach Herzkrankheit und Krebs
die
dritthäufigste Todesursache sind ... (5) (11)
"Die Pharmakonzerne bestimmen nicht nur das Land, die Klinik, die Ärzte und die
Teilnehmer, sie gestalten
auch das Design der Studie. Der Aufbau muss
wissenschaftlichen Standards genügen. Dennoch lässt die
Durchführung viel
Spielraum. Die Bewertung ist immer eine subjektive Einschätzung des
durchführenden Arztes.
Er entscheidet zum Beispiel, ob eine auftretende
[Symptomaik] Nebenwirkung durch das Medikament oder die
Krankheit des
Patienten verursacht wurde. Ebenso erfolgt die Einschätzung der Besserung anhand
von subjektiven
Berwertungs-Skalen ...
Die Verblindung [sog. Randomisierte
kontrollierte Studie/Doppelblind-Studie
[(1) oben]
funktioniert nur theoretisch.
Die
Patienten können anhand der Nebenwirkungen erkennen, ob sie sich in der
Medikamentengruppe [Verum] befinden. Dieses Wissen beeinflusst den
Heilungsprozess (13). Die Hoffnung,
ein neues Wundermittel zu erhalten,
löst eine Heilerwartung aus, die sich positiv auf die Gesundung auswirk.
In der
Placebogruppe passiert das Gegenteil. Durch das Ausbleiben von Nebenwirkungen
vermuten die Patienten,
keinen Wirkstoff zu erhalten. Dies senkt ihre
Hoffnung auf Besserung und wirkt sich negativ auf den Gesundungs-
prozess aus.
Es ist schwierig, die Menschen während der gesamten Studie zu täuschen.
Gerade
Antidepressiva
verursachen typische Symptome [Nebenwirkungen] wie
Mundtrockenheit, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit
und Schwindel. Die
Teilnehmer berichten dem [Studien] Arzt darüber, wodurch dieser Hinweise erhält, ob der
Patient ein Placebo oder die zu testende Substanz [Verum] bekommt ...
Der [dänische] Bestsellerautor
und Arzt Peter Gotzsche (55) hat über viele
Jahre Zulassungsstudien durchgeführt.
Heute bemüht er sich
um neue Richtlinien
und Mindeststandards ... Die Auswertung der Studien findet beim Auftraggeber
statt.
Die beteiligten Ärzte haben anschließend keinen Einblick und auch
keinen Einfluss mehr.
Peter Gotzsche
hält es für verwerflich, dass "die
einzigen Personen auf der Welt, die sämtliche Daten zu Gesicht be-
kommen,
Firmenvertreter sind." (55) ... "Der Unterschied zwischen einer
ehrlichen und weniger ehrlichen
Datenanalyse kann auf dem Weltmarkt
Milliarden von Euros ausmachen."" (55)... (17)
Menschen denen es gelungen ist, Psychopharmaka loszuwerden und zu
einem normalen Leben
zurückzukehren, bezeichnen sich oft als
"Psychiatrie-Überlebende". Das ist ein sehr treffender
Begriff. Einer von
ihnen, der Rechtsanwalt Jim Gottstein [5f], gibt Patienten diesen Rat:
"Sie müssen
die Verantwortung für Ihre geistige Gesundheit und für Ihr Verhalten
übernehmen. Sie müssen lernen,
Ihre Symptome zu erkennen. Sie müssen lernen,
was gut für Sie ist." ...
"Wann werden die Psychiater endlich akzeptieren, dass wir es mit empfindsamen
menschlichen Wesen
mit einer heiklen psychischen Balance zu tun haben, nicht
mit Maschinen zum Herumpfuschen, und dass
Selbstorganisation und
Selbstmanagement integrale Bestandteile der Definition des Lebens sind? Ein
echter
und dauerhafter Wandel ist nur möglich, wenn wir einem Menschen
helfen, die schmerzhafte Arbeit
und Veränderung in sich selbst zu
bewerkstelligen."
(Ivor Browne) (5) [5g]
"Psychopharmaka sind viel, viel gefährlicher, als die Ärzte, die sie verschreiben, Ihnen gegenüber jemals
zugeben würden.
Ich bin fest davon überzeugt, dass sie meisten Menschen niemals Psychopharmaka
einnehmen
würden, wenn sie wüssten, wie gefährlich sie wirklich sind, und ich
bin ebenfalls davon überzeugt, dass die meisten Ärzte
aufhören würden, sie zu
verschreiben, wenn sie auch nur die leiseste Vorstellung davon hätten, wie
gefährlich sie sind.
Wie kommt es, dass so viele Menschen nichts über
Psychopharmaka wissen? Nun, die Wahrheit ist, dass alle
ihre Informationen
von den Pharmaunternehmen bekommen." (Peter Breggin) (5) [5h]
...
"Anstatt zu versuchen, die Patienten zu verstehen,
hat sich die Psychiatrie zu einer Checklistenübung (55.1)
["Ausfüllen
standardisierter Fragebögen", "Standardisiertes u./o. strukturiertes Interview"] entwickelt,
die man
ebenso gut einer Sekretärin oder den Patienten selbst [PHQ-9 u.a.]
überlassen könnte. Diagnosen werden oft
nach einem Gespräch selbst gestellt,
das zehn oder fünfzehn Minuten dauert. Dann bekommen die Patienten
zu hören,
dass sie bis ans Ende ihres Leben ein Medikament einnehmen müssen, um ein
"chemisches
Ungleichgewicht" im Gehirn zu beseitigen."
(Peter. C. Gotzsche) (55)
"Die DSM-Definitionen [Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorders] suchen den gemeinsamen Nenner
bei
allen von einer bestimmten psychischen Störung
Betroffenen und müssen daher alles Individuelle und Abweich-
ende ausblenden.
Sie können unmöglich Faktoren der Persönlichkeit und des Umfeldes
berücksichtigen, so etwa
die Frage, ob die depressiven Symptome eine
verständliche Reaktion auf einen Verlust, eine schreckliche Lebens-
lage oder
auf psychologische Konflikte sind oder ob sie mit der Persönlichkeit der
Betroffenen zu tun haben ... Das
DSM muss einfach bleiben, aber die
Psychiatrie muss es nicht ... Allerdings war die Vorgangsweise des DSM
viel
zu einflussreich und beherrscht inzwischen das Fachgebiet, wie wir es nicht
beabsichtigt hatten. Aus einer
nuancierten Psychiatrie ist eine
Checklisten-Psychiatrie geworden, die individuelle Unterschiede einebnet und
maßgeschneiderte Therapien vereinheitlicht ... Wir vergessen gern die Einsicht
des Hippokrates, der meinte,
wichtiger als die Frage, welche Krankheit ein
Mensch habe, sei die Frage, welche Art Mensch von einer
bestimmten Krankheit
befallen werde. Natürlich ist es immer das Beste, aufmerksam für beides zu sein.
Die Diagnostik nach dem DSM hat ihren Platz bei jeder Begutachtung, aber sie
erzählt uns nicht die
ganze Geschichte." ... Das Fehlen biologischer
Tests ist ein gewaltiger Nachteil für die Psychiatrie.
Es bedeutet, dass alle
unsere Diagnosen auf subjektiven Urteilen beruhen, die naturgemäß
fehlbar
sind." ...
(Allen J. Frances: unter weiterf.Lit.)
"Wenn Psychiater und Psychologen neue seelische
Störungen ins Leben rufen, dann sitzt die Pharmaindustrie
gleichsam mit am
Tisch.
So ist es zuletzt gewesen, als die Kernmannschaft von 160 Experten das DSM-5 [Allen
J. Frances:
"Normal" 2013 unter weiterf.Lit.]
geschrieben hat. Mehr als die Hälfte dieser DSM-Autoren mussten
einräumen,
dass sie finanziell mit der Industrie verbunden sind:
Rund 70% von ihnen arbeiten als Berater oder Redner
für pharmazeutische
Firmen und nahmen von diesen dafür Honorare an.
Der Leiter der Taskforce
David Kupfer war Eli Lilly
and Company, Forest
Pharmaceuticals, Pfizer, Johnson & Johnson, Servier Amerique, Hoffmann-LaRoche,
Lundbeck,
Novartis und Solvay Wyeth zu Diensten. Der ... Dresdner Psychologe Hans-Ulrich Wittchen,
Mitglied der Arbeitsgruppe
für Ängste, Zwangsstörungen und Dissoziative
Störungen, arbeitete für Firmen wie Organon, Pfizer, Novartis und Servier.
Die Nähe der Industrie war besonders groß bei den Psychiatern und Psychologen,
die sich mit Störungen befassten,
die typischerweise pharmakologisch
behandelt werden.
Bei den psychologischen Störungen waren 83% der
Gruppen-
mitglieder finanziell mit der Industrie verbunden, bei den
Schlafstörungen waren es 100%.
Das ist eine Seelsorge für die Industrie. Sie steht für eine Denkweise, die
sich im DSM-5 widerspiegelt.
Ein Mensch mit psych-
ischen Problemen hat demnach ein chemisches
Ungleichgewicht im Gehirn - das man mit Psychopharmaka behandeln kann.
"Die finanziellen Verstrickungen der DSM-Autoren seien besorgniserregend",
sagt der Arzt und Sozialwissenschaftler David
Klemperer [b.1953] von der Hochschule
Regensburg.
Er erforscht, wie finanzielle Anreize das Verhalten von Medizinern
verändern.
Generell sei der Einfluss der Pharmaindustrie auf Ärzte immer wirksam.
Eigentlich müssen sie ein besonderes
Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten
haben. Aber
wenn sie für Nebentätigkeiten persönliche Honorare von Firmen an-
nehmen,
dann verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit und ihre Unabhängigkeit. Sie könnten die
Medikamente ihrer finanziellen
Partner bevorzugen und deren Wirksamkeit
verzerrt darstellen.
Und sie könnten versucht sein, die Verbreitung von Krank-
heiten
aufzubauschen oder sogar
neue Syndrome zu erfinden.
Besonders heikel bewertet Klemperer
die Zusatzeinkünfte
der DSM-Autoren.
Er sagt:
"Sie bewerten ja nicht nur Medikamente, sondern sie bestimmen, wie seelische
Störungen
definiert werden."
Wie stark der Einfluss der Pharmafirmen auf die Nervenheilkunde ist,das könne
man kaum ermessen, urteilen unab-
hängige Forscher im Fachblatt European
Psychiatry. Das
"Konstruieren neuer Diagnosen oder das Herabsetzen der
Schwellen bereits
bestehender Diagnosen, um den Markt für psychopharmakologische Behandlungen
aufzublähen"(1),
dürfte ganz gewiss dazugehören. Zahlungen von Pharmafirmen an Ärzte gibt es
in vielen Bereichen der Medizin.
Aber in nur wenigen sind sie derart
selbstverständlich geworden wie in der Nervenheilkunde. Es sind die Psychiater,
die einer Studie aus Minnesota zufolge die höchsten Zuwendungen aus der
Industrie kassieren. Und auch in
Deutschland ist gerade die Elite des Fachs
mit den Konzernen verflochten. Von 37 Leitern der Kliniken
für Psychiatrie an
deutschen Universitätskliniken nahmen offenbar mindestens 35 auf ihrem Berufsweg
finanzielle Zuwendungen von Pharmafirmen an (2)
...
Wenn Psychiater und Psychologen von angesehenen Universitäten erst einmal auf
den Lohnlisten pharma-
zeutischer Unternehmen stehen, dann ist ihre
Unabhängigkeit gefährdet.
Sie entzaubern sich. Sie machen
sich angreifbar. Die Kollegen lästern hinter
vorgehaltener Hand und spotten über die
"Mietmäuler".
Die
Industrie nennt sie lieber "Meinungsbildner".
Diese sollen den Interessen
ihrer Auftraggeber dienen, sprich:
den Firmen Glaubwürdigkeit verleihen, die
öffentliche Meinung über Krankheiten beeinflussen und für hohe
Verschreibungszahlen sorgen.
Gerade in der Psychiatrie können Meinungsbildner Gold wert sein, zumal
Psychopharmaka zu den Medikamentengruppen gehören, die am meisten Umsatz machen
...
Von diesen Zahlungen haben Bürger kaum eine Vorstellung - und auch nicht von den
Nachteilen, die sich
daraus für sie ergeben könnten, wenn sie an einen
industrienahen Psychiater
[Arzt] geraten.
Ein Arzt ist
dem Patienten verpflichtet - ein Meinungsbildner [Mietmaul]
seinem Auftraggeber.
Das ist ein Interessens-
konflikt, der zu einer schlechteren Versorgung
führen kann:
Der von der Industrie alimentierte Mediziner lobt
und verschreibt womöglich
Medikamente, für die er sich sonst niemals eingesetzt hätte.
Dabei spielen auch
psychologische Aspekte eine wichtige Rolle. Selbst wenn
ein betreffender Meinungsbildner seine Auftrag-
geber in der Industrie
persönlich nicht besonders mag, fühlt er sich ihnen verbunden.
Diese Verbundenheit beeinflusst nicht zuletzt die öffentliche Meinung über
Themen der Seelenheilkunde.
Gerade die Leiter der Abteilungen für Psychiatrie
werden von Journalisten gerne um Einschätzungen gebeten
und vergleichsweise
häufig in den Medien zitiert.
Dass die meisten dieser Experten in Wahrheit befangen
sind, das bleibt so gut
wie immer unerwähnt.
Ihre Nähe zur Industrie bedeutet nicht in jedem Fall, dass diese
Meinungsbildner gegen ihre innere Überzeugung sprechen. Aber sie führt dazu,
dass Zweifel unterdrückt
werden, wie folgende Überlegung zeigt. Wenn ein
bestimmtes Psychopharmakon wegen schlimmer Neben-
wirkungen zu Recht in die
Diskussion geriete, dann wird ein Psychiater, der mit der Herstellerfirma
finanziell
verbunden ist, das Mittel vielleicht nicht unbedingt verteidigen.
Aber er wird mit öffentlicher Kritik daran
zurückhalten und lieber auf
Tauchstation gehen, wenn ihn Journalisten um eine Einschätzung bitten."
(Jörg Blech "Die Psychofalle"
2014 S.63ff, S.68f, 70f)
(1) Brian C. Pilecki , J.W. Clegg, Dean McKay: "The influence of corporate and political interests
on models of illness in the evolution of the DSM" Eur Psychiatry 2011 Apr;26(3):194-200
(2)
Jörg Blech: "Seelsorge für die Industrie" Der Spiegel Nr.20/2011
www.spiegel.de/spiegel/print/d-78522323.html
Offenlegung von Zahlungen an die Ärzteschaft durch die Pharmaindustrie = Disclosures:
www.ti-austria.at
Die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA):
Europäischer Dachverband der nationalen Verbände forschender Pharma-
unternehmen
sowie einzelner Pharmaunternehmen.
http://transparency.efpia.eu
http://transparency.efpia.eu/the-efpia-code-2
www.terrapinn.com/conference/evidence-us
"Die Psychiatrie muss auf den
Erfahrungen
der Betroffenen
beruhen; sonst ist sie
keine
"empirische" Wissenschaft."
Dorothea Sophie Buck Zerchin
(1917-2019)
Deutsche Bildhauerin, Autorin
Mit 19 Jahren (1936) "erkrankt" sie an
Schiziphrenie;
Opfer des totalitären NS-Regimes - Zwangssterilisation
Dorothea Sophie Buck Zerchin: „Auf der Spur des Morgensterns – Psychose als Selbstfindung“
Hrsg. Hans Krieger; mit Anhang: „Wie es weiterging“ erzählt von D.S. Buck Zerchin
PARANUS 5. Auflage 2014 (1990)
"Ich hab' Angst. Was denken die andern über mich? Mich mag niemand. Ich fühle mich so allein. Ich möchte Erfolg haben,
bewundert werden - ich mag nicht mehr. Was will ich eigentlich? Schule, Beruf, Liebe - nein, ich mag das nicht. So anstreng-
end,
das Leben. Lohnt es sich denn überhaupt zu arbeiten? Geld, ja Geld braucht es schon. Da kann ich mir was leisten.
Das Leben ist so schwierig, so öd. Ich bin so allein, so einsam. Ich möcht' so sein wie die andern. Die haben's gut.
Ich hab' Angst. Was wollen sie von mir? Ich bring' es. Mir gelingt nie etwas.
Dabei könnte ich es schon. Schließlich bin ich auch jemand. Die erbärmlichen Stümper um mich herum, was wollen
die denn? Was meinen die denn? Die sollen mich doch in Ruhe lassen. Ich schaff’’s auch allein. Ich schaue fern,
geh’ ins Kino, ins Konzert, hör’ Musik – zu Hause.
Immer soll ich was leisten. Immer ich. Niemand nimmt mich so, wie ich bin.
Ich bin müde, so unsäglich müde. Ist das noch normal,
so wie ich bin? Ich bin anders. Irgend etwas stimmt nicht. Was mach’ ich falsch? Ich kann machen, was ich will, alles misslingt.
Immer will jemand etwas von mir. Immer von mir. Das ist so schwer, zu schwer. Ich habe Angst. Ich kann das doch nicht.
Wenn’s drauf ankommt, versage ich. Wenn ich mich zeige, wie ich bin, dann werd’ ich verstoßen. Ich halt’s nicht mehr aus.
Ständig bin ich gereizt, missmutig, mürrisch. Ich muss was tun, so geht es nicht mehr weiter. Versteht mich denn niemand?
Ich brauch’ etwas, ich brauch’ Hilfe. Ich werde tun, was alle andern tun. Ich brauch’ ’ne Pille. Was soll ich verzichten?
Wenn’s den andern guttut, wieso nicht auch mir? Ich will dabeisein, will’s gut haben. Ich mag nicht mehr so allein sein.
Ich muss was unternehmen, ich muss, ich will. Da sind viele Leute. Was Schönes erleben, ich brauch’ das.
Es braucht gute Momente, schlechte gibt es genug. Ein wenig Glück. Ich geh’ mit. Ich versuch’s. Was kann
denn dabei Schlimmes geschehen? Und wenn auch. Ist doch alles egal.“
Heute ... zu leben ist nicht einfach. Eine schnelllebige Zeit, eine hektische
Zeit. Wohin führt uns der Weg?
Orientierungslosigkeit greift um sich. Nur
noch der äußere Schein ist wichtig. So tun, als ob - als ob alles
sehr gut
wäre, als ob wir die Sache im Griff hätten - den Beruf, die Liebe, den Erfolg.
Es kostet viel Kraft,
die Verzweiflung, die Ängste, die irgendwo auch da
sind, zu verbergen, zu überspielen. Wer's nicht schafft,
gilt als Versager.
Dabei gibt es heute wahrlich Gründe genug, verzweifelt zu sein. Doch
kaum
jemand wagt es noch hinzuschauen.
Kollektive Verdrängung ist Trumpf.
Immer mehr Menschen nehmen psychoaktive
Substanzen zu sich: Alkohol, Psychopharmaka,
Drogen. Wirkstoffe, die unsere psychische Befindlichkeit, unser Erleben
verändern. Der Mensch genügt
sich offensichtlich nicht mehr, so wie er ist.
Seine Seele wird manipuliert, zurechtgebogen. Einem Leitbild
wird
nachgeeifert - erfolgreich, tüchtig, immerfort tätig sollten wir sein. Eine
leistungsfähige Psyche in
einem perfekten, straffen und gestählten Körper
- das ist das Ziel. Kaum eine, kaum einer schafft das.
Doch es gibt Möglichkeiten, der Natur nachzuhelfen. Chemisch. Es gibt Mittel, die die
Psyche verändern,
die uns dazu verhelfen, die Erwartungen zu erfüllen. Das ist
ein offenes Geheimnis.
Heute sind antreibende Substanzen im Trend ..."
Aus: Marc Rufer (b.1942, Schweizer Arzt u. Psychiater): "Glückspillen - Ecstasy,
Procac und das Comeback der Psychopharmaka" Einleitung S.13f, Knaur 1995
Modell des typischen Verlaufes einer depressiven Störung und deren Behandlung
n. Prof. Dr. David J. Kupfer
Aus: Edith Holsboer-Trachsler, Josef Hättenschwiler, Johannes Beck et al.:
"Die somatische Behandlung der unipolaren depressiven Störungen 1.Teil"
Abb.2, S.805, Schweiz Med Forum 2010;10(46):802–809
"Depressive Menschen sind keine kranken Menschen.
Vielmehr sind es Menschen, die sich auf eine überfordernde Weise ans Leben
angepasst haben
und jetzt darunter leiden und zu zerbrechen drohen, und zwar so
sehr, dass dieses Leiden
Krankheitswert hat. Mit anderen Worten:
auch wenn die Depression keine Krankheit ist, bringt
sie für die Betroffenen
oder den Betroffenen ein hohes Maß an Leiden mit sich. Dass es sich
bei der
Depression um keine Krankheit im herkömmlichen Sinn handelt
["ein belastetes,
schwieriges, freudloses und anstrengendes Leben" (S.35)], ist für mein Depressions-
verständnis wichtig und zentral. Für viele mag das tröstlich klingen,
nicht krank, sondern
"normal" zu sein. Andere
wiederum sind enttäuscht. Wenn man krank ist, dann hat man
etwas, dann weiß
man, woran man ist. Und es gibt Ärzte, die dafür zuständig sind, und
Medikamente, die es für einen
richten.
"Depression bedeutet depressive Entwicklung und ist immer mit einer zunehmenden
Überforderung
und Ermüdung verbunden. Geradezu zwangsläufig hat eine solche Entwicklung, die weder krank
noch abnorm ist, eine wachsende
Isolierung und Einsamkeit zur Folge. Aber es
gibt Wege,
diesen Zustand zu verändern, Wege, die alle gehen können
und die
zum Ziel führen ..."
(1. S.10)
"Leiden, Schmerz, Trauer und ebenso
die Depression sind menschliche Erlebensformen und keine
krankhaften Zustände.
Es so zu sehen bedeutet, unbelastet und vorurteilsfrei an
den jeweiligen Menschen heranzugehen ... Krankheit gehört
wie die Gesundheit
zum Leben ... Depressives Erleben ist leidvolles, aber auch normales und
gesundes Erleben.
Gesund ist gesund und krank ist krank und beides sind
urmenschliche Lebensformen. So, wie Gesundheit nicht
einfach die Kehrseite
der Krankheit ist, so ist die Krankheit nicht einfach die Abwesenheit von
Gesundheit.
Und mit Krankheit hat nicht zu tun, was normale und
selbstverständliche Entwicklungen hervorbringen.
Krankheit ist
eine Abweichung von selbstverständlichen und gewohnten Abläufen und Zuständen,
häufig verbunden mit Schmerzen und Leiden. Auch
wenn sie dazu führt, dass die Betroffenen sich
überfordern und
vernachlässigen und immer mehr leiden, stellt die Depression
eine solche
Abweichung nicht dar ... (1. S.11f)
"Depressive Menschen sind über Jahre geformte
Persönlichkeiten mit einem sehr beschwerlichen Leben,
das die Betroffenen
unter schwierigsten Bedingungen bestmöglich zu leben versuchen. Eine
Persönlichkeits-
entwicklung, auch eine depressive, ist kein pathologischer
Vorgang ["So, wie ich bin, ist es nicht richtig, ist es
nicht normal. Ich bin
nicht normal, ich bin nicht wie die anderen, ich bin daneben" (1. S.12)] und die Persönlichkeit,
die sich daraus entwickelt hat, ist
nicht
krank ..." (1. S.13)
"Menschen, die sich
depressiv entwickeln, haben sich in ihrer Kindheit aufgrund ihrer persönlichen
Disposition
und ihrer Auseinandersetzung mit der damaligen Familien- und Lebenssituation
["mangelnde Sicherheit, Verläss-
lichkeit, Wärme und Geborgenheit", "familiäres
Klima ständiger Unsicherheit und diffuser Bedrohung", "Erfahrung
der
Brüchigkeit", "Angst", "mangelnde Verbundenheit mit dem Leben"] bestimmte
Verhaltensweisen angewöhnt und
diese gelernt. - "Den Eltern geht es
nicht gut, wir sind ihnen eine Belastung. Wir müssen alles tun, damit es ihnen
besser geht."
Mögliche Ursachen dieser elterlichen Überforderung: eheliche
Spannungen, finanzielle Dauersorgen,
Arbeitslosigkeit, krankes oder behindertes
Geschwisterkind, Todesfälle in der Familie, allgemeine Unzufriedenheit
mit Leben, Beruf, Wohnsituation, lieblose und kalte Erziehung (2. S.32)
Dazu gehören etwa:
sich übergehen und überfordern, hart und verständnislos mit sich umgehen, nicht Nein sagen
können: "Jetzt oder nie", "Alles auf einmal", "Alles oder
nichts", oder auch, sich keine Bedeutung zu geben,
Gefühle des
Ungenügens, der Verunsicherung, Angst und Einsamkeit =
depressive Muster: "so handeln und
denken müssen" =
"Zwang". Sie haben diese Verhaltensmuster in ihrer persönlichen Entwicklung geübt und
perfektioniert und sich dabei ständig überfordert und erschöpft. Deswegen ist die
Depression
aber noch lange
kein krankhaftes Erleben, sondern
Ergebnis und Ausdruck eben
dieser
in der Kindheit gelernten Überlebens-
strategie [depressive Entwicklung = "latent
depressiver Mensch", eine Anpassungsleistung über viele
Jahre oder Jahrzehnte! - "verborgen und
noch Kraft zum Funktionieren" - "Sie laufen auf Eis, ohne zu wissen,
wann es einbricht"].
(2. S.22) ...
Das ist ihre Lebensauffassung und darin
fühlen sie sich jeden Tag von Neuem bestärkt ... "Sie sind nach außen
gut aufgestellt, ausgeglichen und voller Kraft, innerlich aber fühlen sie sich
unsicher, schlecht und kraftlos
(2. S.30)
Irgendetwas kann die Depression sichtbar ["manifest" - "offensichtlich, leer und kraftlos"] werden lassen, allmählich
oder plötzlich.
"Der letzte Strohhalm lässt das Kamel
zusammenbrechen!" (Englisches Sprichwort) ... Und vielfach
lässt sich mit einem
auslösenden Ereignis (innere und/ oder äußere Erlebnisse/Stressoren) ein
Zusammenhang
herstellen ..."
(1. S.14)
"Depression bedeutet depressive Entwicklung und damit chronischer Stress, der
im
Laufe der Zeit zunehmend körperliche Spuren hinterlässt ..."
(1. S.15)
"Depressive Menschen würden zum Beispiel sich
und ihr Leben folgendermaßen beschreiben:
"Ich arbeite nur, es geht immer
weiter wie bisher, nichts ändert sich. Ich habe keine Ruhe, die Gedanken kreisen
fortwährend
und landen immer beim "worst case", dem schlimmstmöglichen
Ausgang. Ich muss nur funktionieren und fühle mich nie frei
und gelöst. Das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, sein eigener Herr und Meister zu sein und selber entscheiden zu
können, kenne ich nicht. Ich mache alles ohne Feuer und Begeisterung und muss mich immer wieder von neuem aufraffen,
bin ständig mit der Frage beschäftigt, mache ich es richtig, schaffe ich es. Zufriedenheit kenne ich nicht, alles kostet unendlich
viel Energie, ohne dass sich das auszahlt oder dass es mir besser geht." ...
"Nichts ist richtig, alles ist nicht so, wie es für mich richtig wäre. Nichts ist recht, nichts genügt, nie ist etwas genug und gut.
Immer gibt es etwas, was ich zu bemängeln habe. Nie ist etwas so, dass ich
mit mir zufrieden bin. Mir passt es nicht,
wie ich bin, wie ich denke und mein
Leben handhabe. Ich gefalle mir nicht. Ich mag nicht mehr, alles ist mir zu
viel.
Ich mache nur noch das Nötigste und ich habe immer Angst, Angst, nicht zu
genügen, nicht fertig zu werden und
keine Kraft mehr zu haben. Ständig gehen
diese Gedanken in meinem Kopf herum."(2. S.29)
In meiner therapeutischen Tätigkeit erfahre ich jedoch immer wieder von Neuem,
dass man die Depression verstehen
kann, dass es sich um
nachvollziehbare Schritte handelt, die zu dpressiven Zuständen führen. Aus
diesem Verständnis
heraus lassen sich dann nachvollziehbare Wege ableiten, wie
man aus der Depression aussteigen kann, ob zusammen
mit professioneller
Hilfe und Unterstützung oder allein. Aussteigen bedeutet, neue
Verhaltensweisen zu lernen. Die bis-
herigen haben diese Menschen dorthin
geführt, wo sie heute stehen, und zu dem gemacht, was sie heute sind. Lernen
aber heißt Umlernen, heißt auch, neue Gewichte setzen, neue Einstellungen
finden. Das jedoch ist nur möglich, weil
die alten Denk- und Verhaltensmuster
nicht gottgegeben oder angeboren waren, sondern so gelernt wurden. Das
so
zu sehen ist deshalb wichtig, weil viele depressive Menschen von
Fachleuten im Glauben gelassen oder gar bestärkt
werden, mit diesem Leiden
und mit diesem Schmerz weiterhin leben zu müssen, und die einzige
Erleichterungs-
möglichkeit darin besteht, bis ans Lebensende Medikamente zu
schlucken.
Mein Ansatz unterscheidet sich von dieser Sichtweise grundlegend:
Der depressive Mensch soll wissen,
dass er nicht krank ist, dass er
nicht weiter leiden muss und dass es darum geht, sich zu verstehen und
nachzuvollziehen, weshalb welche Schritte beim Ausstieg wichtig und
erfolgreich sind. Wissen, warum
man etwas tut, und warum man es gerade so
macht, gibt Sicherheit und Vertrauen. Nachvollziehbar
und einleuchtend sollen
die Schritte des Ausstieges sein, und die Folgerungen daraus palusibel,
logisch und umsetzbar. Vor allem aber müssen die vorgeschlagenen Schritte
bringen, was sie
versprechen. Sonst nützen die besten Erklärungen nichts ...
Der Ausstieg
(Generalthema: "Jetzt geht es um mich."; "Veränderung",
"Lernen einer neuen Einstellung",
"Sichaneignen eines neuen Umgangs mit
sich selbst") ist nicht nur beschwerlich und erfordert viel Ausdauer
und
Geduld, sondern es ist auch spannend, neue Gefühle bei sich wahrzunehmen und
auszuhalten, zu
erfahren, wie das Selbstbewusstsein wächst und die Angst vor Rückschlägen immer kleiner wird ...
Das eigentliche Geheimnis jedes erfolgreichen
Ausstieges lautet:
"Die
depressiven Muster sind erworbene und
gelernte
Verhaltensweisen. Der depressive Mensch kann sie daher aus eigener Kraft
verändern"
(1. S.192) ...
Sich ernst nehmen, auf sich hören und das tun, was für
einen stimmt ... kleine Schritte, kleine Portionen, immer
wieder die Rückfrage, ob der Schritt und das Maß und der Zeitpunkt stimmen ...
Die Ungeduld wird zu
einem riesigen
Problem: "Jetzt bin ich schon so lange drin und dran und bin
noch nicht weiter" ... es geht um Langsamkeit und Zeit-
haben"
(S.21)
... "ZULASSEN - ANNEHMEN - DAZUSTEHEN und AUSHALTEN, ohne
gleich etwas unternehmen,
verändern oder etwas dagegen tun zu wollen"
(1. S.194)
... "Jetzt geht es um mich - Was will ich, was tut mir
gut,
was brauche ich jetzt und was traue ich mir im Moment zu?"
(1. S.196) ...Vergiss
dich nicht
und kümmere dich um dich! ...
"Ziel des Ausstieges ist es, immer
weniger am Leben zu leiden, vermehrt sein eigenes Leben zu leben
und
zufriedener zu werden, mit der Zeit immer mehr fähig zu werden, den
Augenblick auszukosten und
sogar zu genießen ... Der depressive Mensch muss
nichts. Er entscheidet und er ist maßgebend ..."
(1. S.23)
"Kinder in der Familie und der Einzelne in der Gesellschaft [müssen] wieder
Werte wie Fairness,
Gerechtigkeit und Respekt erfahren. Je mehr eine
Gesellschaft sich in diese Richtung entwickelt,
umso weniger Menschen werden
eine depressive Entwicklung einschlagen."
(1. S.24)
""Jetzt geht es um mich
[mit meinem Körper]." Jetzt will und darf ich mich wichtig nehmen und
auf mich schauen.
Ich muss gar nichts. Ich kann und darf, wenn ich will
und wenn es mir entspricht. Es ist meine Entscheidung und
mein freier Wille. Ich bin wichtig und deshalb will ich achtsam und verlässlich mit mir umgehen
und mir
all das erlauben, was mir guttut, mich stärkt und bestätigt.
Ich entscheide, wo's langgeht ...
Ich will mir ein guter Freund sein und
auf eine verständnisvolle und aufbauende Art mit mir sprechen. Wenn etwas
nicht so läuft und ich enttäuscht und traurig bin, möchte ich, dass es mir
gelingt, aufmunternd und tröstend mit mir
zu sprechen. Meine Gewohnheit, mich
fertig zu machen, wenn etwas nicht so läuft, wie ich meine, und keine
Ent-
schuldigung zuzulassen, möchte ich ablegen. Auch, wenn ich mit mir nicht
zufrieden bin, noch nett und aufbauend
zu mir zu sein ist ein Riesending, das
ich nur mit sehr viel Aufwand und Überredungskünsten einigermaßen schaffe.
Da
werde ich lange dran zu beißen haben, gerade in schwierigen Momenten mir
zuzureden und Verständnis für
mich aufzubringen. Ich werde aber daran
arbeiten. Es leuchtet ein ... Langsam ist schneller,
sich zurücknehmen ist hilfreicher als etwas erzwingen wollen ...
Ich will aufhören, mich unter
Druck zu setzen, indem ich meine, alles müsse noch schneller, noch besser, noch
perfekter und noch souveräner vonstattengehen. Ich will aufhören, zu meinen,
alles allein machen und mit allem
allein fertig werden zu müssen. Ich weiß,
dass ich das, was ich mir vornehme, erreichen kann. Nur muss ich
jetzt alles
auf eine Art machen, die ich mir bisher verboten und über die ich mich geärgert
habe: einen Gang
zurückschalten, langsam und bedächtig vorangehen, immer wieder
Pausen machen und sich befragen und
die Ungeduld zähmen. Das ist so anders,
als ich bisher gelebt habe, dass ich mich
wirklich um Geduld, Nachsicht und
Verständnis bemühen muss ...
Ich werde immer wieder in die alten Muster
fallen, mich vergessen und übergehen. Das gehört dazu und
hat nichts mit mir zu
tun oder damit, dass ich nicht in der Lage bin, den Weg zu gehen. Ich nehme
mir vor,
falls ich überhaupt daran denken werde, diese Einbrüche und die
Gefühle der Trauer und der Enttäuschung
zu verstehen und anzunehmen. Ich gehe
einen Weg des Lernens und der Veränderung. Das braucht Zeit
und geht nicht
gradlinig. Der Weg wird mich ermüden und ich will mir genügend Zeit und Raum zur
Er-
holung geben. Ich werde nicht immer motiviert sein, ich werde mich unter
Druck setzen, mich antreiben,
mir zu wenig Zeit und Erholung geben. All das
wird passieren. Ich werde daran zu denken versuchen,
dass ich immer auch
aufhören und unterbrechen kann und darf. Es liegt an mir, wie ich dann
entscheide.
Ich versuche, immer daran zu denken, dass es um mich geht und
nicht darum, dass ich den Weg um
jeden Preis gehe. Es geht auch nicht um die
festsitzenden und tief liegenden Prinzipien, etwas Begon-
nenes auf jeden Fall
zu beenden, darum, dass es keine Entschuldigung gibt, etwas nicht zu Ende
zu führen, dass man alle Kräfte mobilisiert und weitergeht, auch wenn man nicht
mehr will, nicht
mehr kann und nicht mehr mag. Ich bin mir wichtig und nicht
die Veränderung.
Es geht um mich [mit meinem Körper], Punkt
...
Mein Körper braucht ganz viel Pflege und Aufmerksamkeit, sonst hält er
das nicht durch. Ich möchte
versuchen, ihn nicht zu vergessen und mit ihm
nicht so umzugehen, als würde er über endlose Kraft-
reserven und eine
Topkonstitution verfügen. Er ist angeschlagen und braucht deshalb besondere Für-
sorge. Ich weiß, das wird schwierig werden, aber im Kopf habe ich es auf
jeden Fall. Ich muss und
will wachsam und sensibel bezüglich all den Zeichen
und Signalen, die er aussendete, sein. Ich will
versuchen, achtsam auf seine
Zeichen - "Es ist zu viel, ich komme nicht mehr mit, hör auf oder mach
langsam." - zu achten und diese auch ernst nehmen. Wenn ich mir das vor- nehme,
will ich aber auch
versuchen, Verständnis mit mir zu haben, wenn das nicht immer
gelingt, wenn ich die Zeichen über-
sehe und den Körper ausbeute. Ich weiß schon,
dass das nicht gut ist, aber ich kenne nichts anderes
und deshalb werde ich
häufig in die Falle der Missachtung - "Lass mich in Ruhe, ich will das gar
nicht
hören, du störst." - tappen, was ich denn auch postwendend
[sofort] werde büßen müssen ... im
neuen, sorgfältigen und behutsamen Umgang
mit dem Körper ist der wesentlichste Teil des Aus-
stieges [aus der
"depressiven" Coping-Strategie (Verhalten)] - "Mach kleine Schritte, nimm
dir Zeit und geh vorsichtig vorwärts." - enthalten." (2. S.76-78,87,91,94,97f)
Lern- und Merksätze:
als die "Leitplanken des Ausstieges",
geben den Rahmen und die Richtung an, wie Leuchttürme und Orientierungspunkte, an
denen Sie
sich halten und
orientieren, sich an ihnen aufrichten, sich neu finden, sammeln und motivieren
können
...
sich versöhnen mit der eigenen
Fehlerhaftigkeit, Ängstlichkeit und
Empfindlichkeit, und nur soviel machen, wie im Moment geht, es gibt kein
Müssen und keinen
Zwang, sich ernst nehmen, auf sich hören und das tun, was
für einen stimmt, durch sie holen Sie sich Verständnis, Trost
und Orientierung ... Sie bestimmen ihren Weg ganz allein ...
"Du musst nichts. Es kommt auch nicht darauf an,
möglichst viel zu lernen und zu verändern.
Alles, was du tust,
genügt, wenn es für dich stimmt. Und du allein weißt, was
für dich stimmt. Erlaube dir, so zu denken und danach
zu handeln. Es geht um
dich, du bist gefragt und auf dich kommt es an. Das ist Thema des Ausstieges
und
Thema deines neuen Lebens. Mache, was du gerne machst, was du dir
zutraust und was dich freut. Es ist
dein Weg und dein Leben. Du entscheidest,
wo es langgeht" ...
Niemand ist der Depression ausgeliefert, und ein anderes Leben ist möglich!"
"Es geht zuerst um mich und dann um den Weg. Zuerst komme ich. Ich
will mich nicht vergessen,
mich nicht übergehen und mich auch nicht überfordern.
Ich muss nicht etwas Bestimmtes lernen und eine neue
Strategie anwenden,
sondern im Moment ganz einfach versuchen, das zu machen, was mir möglich ist
und mir hilft.
Das zu lernen und irgendwann einmal auch zu leben ist meine
Aufgabe. Das sind die Schritte aus der Depression,
anders geht es nicht." ...
"Jetzt geht es um mich."
Ich muss nicht irgendwelchen Anforderungen genügen und auch nicht bestimmte
Kriterien erfüllen. Alles, was ich mache, wenn ich es machen will und es mir
guttut, ist gut und richtig. ...
"Jetzt geht es um mich" Es geht darum, dass ich mir mit Respekt und Achtung begegne und sorgfältig
mit mir umgehe. Es ist mein Leben und ich will es so leben, dass es für mich stimmt und ich die Ver-
antwortung dafür übernehmen kann. Ich habe nur dieses eine Leben und das will ich auf eine
gute Weise leben."
...
"Jetzt geht es um mich" Jetzt will und darf ich mich wichtig
nehmen und auf mich schauen. Deshalb will ich
achtsam und verlässlich mit mir
umgehen und mir all das erlauben, was mir guttut, mich stärkt und be-
stätigt. Es
geht darum, dass ich mich nie mehr aus den Augen verliere und mich in meinen
Gedanken
und Handlungen einbeziehe" ...
"Stimmt diese Fromulierung,
passt sie zu mir, bringt sie etwas in mir zum Erklingen, kann ich
etwas mit
ihr anfangen? Bin ich jetzt sicherer, trittfester auf dem Weg und auch
ruhiger? Und:
Verstehe ich damit besser, was mit dem Geschriebenen gemeint ist,
macht es mir den Weg und die
einzelnen Schritte verständlicher und machbarer?
Verstehe ich mich besser, werde ich sorgfältiger und
aufmerksamer zu mir,
geduldiger und zuversichtlicher für den Weg und die zu machenden Schritte?" ...
"Mache,
was du willst und kannst. Sich das zu erlauben, daran zu glauben und im
Alltag umzusetzen
ist die schwierige Aufgabe, die der depressive Mensch für den
Ausstieg zu leisten hat und
die mit Sicherheit zum Ziel führt." ...
"Menschen
sind depressiv, die ihr Leben lang geleitet sind, das zu machen, was andere von ihnen
erwarten, die immer auf die andern ausgerichtet sind, die sich
zurückstellen, sich übergehen, sich
nicht spüren und nicht ernst nehmen, die
ständig im Gefühl leben, etwas zu müssen, und sich
deshalb ständig
verpflichtet fühlen. Sie geraten in einen Zustand ständiger Überforderung und
zunehmender Erschöpfung,
den man als Depression
bezeichnet." ...
"Ich will
meine Müdigkeit ernst nehmen, sie nicht bagatellisieren und gering schätzen. Ich
möchte
lernen, auf die Signale des Körpers zu hören, und mich bemühen, sie zu
verstehen und danach
zu handeln. Ich möchte nicht die immer gleichen Fehler und Unterlassungen wiederholen und
auch dem Körper nicht mehr die Erholung,
die er braucht, vorenthalten. Ich weiß, da habe ich
große Fehler gemacht. Ich
kann nicht ungestraft den Körper schwächen und gleichzeitig
Höchstleistungen von
ihm verlangen. In Zukunft will ich mit ihm und nicht gegen ihn arbeiten.
Ich
will lernen, geduldig mit mir zu sein, mir und dem Körper Zeit geben, ihn
nicht immer
antreiben und über ihn verfügen. Damit, dass ich lerne, den
Körper zu achten und meine
Ungeduld und Rastlosigkeit zu zügeln, nehme ich eine
wichtige Weichenstellung
in Richtung Veränderung und Ausstieg aus der
Depression vor."
(2. S.14ff,19,21f,24,26)
"Es geht wesentlich darum, dass der depressive Mensch sich einen Wert gibt, sich selbst
als wertvoll erlebt und dieses Erleben auch wirklich, tief und ganzheitlich spürt und lebt.
Sich wertvoll zu fühlen kann das Gefühl und das Bewusstsein von sich selbst verändern.
Sie/Er kann spüren:
"Ich bin jemand, ich bin jetzt jemand anderes als vorher, auch wenn die anderen dies nicht feststellen können.
Ich bin ich und erlebe mich als mich selbst, als jemand, der einen Wert hat, der zu sich stehen und sich
den
anderen als der, der er ist, zeigen kann und will. Ich bin jetzt jemand, der auf sich baut, auf sich zählt
und mit
dem auch die anderen rechnen müssen. Ich bin nicht mehr so pflegeleicht und möchte trotzdem geschätzt und
anerkannt werden, ich habe meine Meinung und ihr sollt sie auch wissen, ich möchte ernst genommen werden,
wenn ich einmal etwas nicht spüre, etwas nicht verstehe, wenn ich kompliziert, langsam oder schwierig bin.
Ich bin auch nicht immer ausgeglichen und geduldig, manchmal bin ich gereizt, in schlechter Stimmung,
und ich möchte, dass auch das seinen Platz haben darf."
...
(3. S.234f)
(Aus: Josef Giger Bütler: unter weiterf. Lit. 1. + 2. + 3.)
(1) SNRI: Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
(2)
Robbie Williams, Chris Heath: "Feel: Robbie Williams" Rowohlt 2004
(3) www.stern.de/kultur/musik/robbie-williams-im-stern-interview--ich-bin-sehr-gluecklich--3447792.html
(4) SSRI: Selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
(5) P.C. Gotzsche: "Tödliche Psychopharmaka und organisiertes Leugnen -
Wie Ärzte und Pharmaindustrie die Gesundheit der Patienten vorsätzlich
aufs Spiel setzen“ („Deadly Psychiatry and Organised Denial“ ArtPeople 2015)
Abhängigkeit von Psychopharmaka S.247, Das Absetzen von Psycho-
pharmaka. Die
schlimmste Arzneimittelepidemie aller Zeiten S.265, 267, Wie soll man vorgehen
S.273, Tödliche Psychiatrie und Sackgasse.
Wie viele Menschen sterben durch
Psychopharmaka S.317, Zwangsbehandlung und zwangsweise Unterbringung müssen
verboten werden
S.323 RIVA 1. Auflage 2016, www.deadlymedicines.dk/http://www.deadlymedicines.dk
(55)
Peter C. Gotzsche: „Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität: Wie die Pharmaindustrie unser Gesundheitswesen korrumpiert“
Übersetzung:
Martin Rometsch ("Deadly Medicines and Organised Crime: How Big Pharma has Corrupted Healthcare" Radcliffe 2013)
5. Klinische Studien: ein gebrochener Gesellschaftsvertrag mit Patienten S.104,
S.99, 17. Die Psychiatrie, das Paradies der Pharma-
industrie. Der Schwindel
mit dem chemischen Ungleichgewicht s.303f, 1. Auflage RIVA 2015
(55.1) Paul Rodney McHugh, Phillip Richard Slavney: "Mental illness--comprehensive evaluation or checklist?" N Engl J Med. 2012 May 17;366(20):1853-5
[5a] Peter Roger Breggin:"Psychiatric Drug Withdrawal: A Guide for Prescribers, Therapists, Patients and their Families"
Springer 2013 http://breggin.com
[5b] Margrethe Nielsen, Ebba Holme Hansen, Peter C. Gotzsche: "What is the difference between dependence and withdrawal reactions? A comparison of
benzodiazepines and selective serotonin re-uptake inhibitors"
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[5c] Lars Kessing, HV Hansen, K. Demyttenaere, P. Bech: "Depressive and bipolar disorders: patients' attitudes and beliefs towards depression
and antidepressants" Psychol Med. 2005 Aug;35(8):1205-13
[5d] John Read, Claire Cartwright, Kerry Gibson:"Adverse emotional and interpersonal effects reported by 1829 New Zealanders while taking antidepressants"
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Claire Cartwright, Kerry Gibson, John Read, Ondria Cowan, Tamsin Dehar: "Long-term antidepressant use: patient perspectives of benefits and adverse effects"
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[5e] Michael A. Posternak, D.A. Solomon, A.C. Leon, T.I. Mueller, M.T. Shea, J. Endicott, M.B. Keller: "The naturalistic course of unipolar major depression
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[5f] RA Jim Gottstein: http://akmhcweb.org/recovery/jgrec.htm
[5g] Ivor Browne: "The Writings of Ivor Browne: Steps Along the Road, the Evolution of a Slow Learner" Atrium, Cork University Press, 2013
[5h] Peter Breggin: "Psychiatric Drugs: More Dangerous Than You Ever Imagined"
Video 2014 unter CEP- The Council for Evidence-based Psychiatry:
http://cepuk.org/2014/11/12/video-psychiatric-drugs-dangerous-ever-imagined-dr-peter-breggin
(6) www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2016/index.htm
(7) Laura A. Pratt, Debra J. Brody,
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(NCHS) Data Brief No.76
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(8) W. Coryell, J. Endicott, G. Winokur et al.: "Characteristics and significance of untreated major depressive disorder" Am J Psychiatry
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(9) Keith S. Dobson, Steven D. Hollon, Sona Dimidjian, Karen B. Schmaling, Robert J. Kohlenberg, Robert Gallop, Shireen L. Rizvi, Jackie K.
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"Pillen lösen keine Probleme ... Medikamente könnten womöglich einen Patienten stabilisieren, aber sie reichten nicht aus, das Leiden zu überwinden.
Gerade Menschen mit moderaten Depressionen
erleiden nach Absetzen von Antidepressiva häufig Rückfälle ... 76 Prozent
innerhalb eines Jahres.
Nach einer kognitiven Verhaltenstherapie erlitten
dagegen nur 31 Prozent einen Rückfall. Ähnlich große Unterschiede beobachten
Psychologen
immer wieder: Nach guten Verhaltenstherapien erleiden nur halb so
viele Patienten einen Rückfall wie nach der Einnahme von Pillen gegen
Depressionen
... Liegt es daran, dass die Medikamente das Grübeln [Sinnieren, Ruminieren]
unterdrücken - und es dem Patienten auf diese
Weise erschweren, sein Problem
zu lösen? Wenn es also so ist, dass Depressionen einen Sinn haben und die
gängigen Medikamente
[Psychopharmaka] nicht recht wirken, dann liegt die
Erklärung auf der Hand: Die Medikamente stören einen Vorgang, der auch nützliche
Seiten hat - das Grübeln. Ebenso würde dies erklären, warum die Bilanz der
Antidepressiva so durchwachsen ist. Die klinische Wirksamkeit
liegt in vielen
Fällen kaum höher als der Effekt von Scheinmedikamenten (Placebos), weshalb
etliche Psychiater Antidepressiva nur zur
Behandlung wirklich schwerer
Depressionen empfehlen. Mediziner bauschten Daten aus Studien zur Wirksamkeit dieser Mittel
[Antidepressiva]
auf, um die angebliche Wirksamkeit besonders groß erscheinen
zu lassen. Das ging so: Die positiven Effekte
präsentierten sie in Fachartikeln -
während sie die negativen in der
Schublade verschwinden ließen [sog. "Publikationsbias" n. Theodore Sterling (1959)].
So ist ein Zerrbild ent-
standen: 94 Prozent der veröffentlichten Studien
bescheinigen den Antidepressiva eine bessere Wirksamkeit als Placebos. Doch wenn
man
[die] unveröffentlichte Studien hinzunimmt, dann zeigen nur 51 Prozent der
Daten einen Vorteil für das Antidepressivum. Eine sorgfältige
Analyse von
Daten aus Studien [ (X) Pigoott et al. 2010] der staatlichen Gesundheitsbehörde FDA
in den Vereinigten Staaten von Amerika
ergab ein ernüchterndes Bild: Demnach
wirken Antidepressiva nicht nennenswert besser als Tabletten aus Zucker
[Placebos]."
Aus: Jörg Blech: "Die
Psycho-Falle" S.Fischer 2014 S.178ff [Meine Ergänzungen]
Wolfgang Gaebel et al.: "Relapse prevention in first-episode schizophrenia--maintenance vs intermittent drug treatment with prodrome-based early intervention:
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(X) H. Edmund Pigott, Allan M. Leventhal, Gregory S. Alter, John J. Boren:
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postwithdrawal anxiety and mood disorders" Psychother Psychosom. 2012;81(6):386-388
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(BNF) Britisch National Formulary (Britisches Arzneimittelverzeichnis) Basingstoke: Pharmaceutical Press,
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(10c) Ross J. Baldessarini, Nassir S. Ghaemi, Adele C. Viguera: "Tolerance in Antidepressant Treatment" Psychother Psychosom 2002;71:177-179
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(10j) Guy Chouinard, Virginie-Anne Chouinard: "New Classification of Selective Serotonin Reuptake Inhibitor Withdrawal" Psychother Psychosom 2015;84:63-71
(11) Jörg Zittlau: "So
gefährlich sind die beliebtesten Medikamente" Die Welt, 19.3.2015
www.welt.de/gesundheit/article138568439/So-gefaehrlich-sind-die-beliebtesten-Medikamente.html
(12) Irving Kirsch, Thomas J. Moore, Alan Scoboria, Sarah S. Nicholls: "The Emperor's New Drugs: An Analysis of Antidepressant Medication Data
Submitted to the U.S. Food and Drug Administration"
Prevention and Treatment, Volume 5, Article 23, posted July 15, 2002
(13)
Irving Kirsch: "The Emperor's New Drugs: Exploding the Antidepressant Myth"
Random House Group 2009
(14) Irving Kirsch, Guy Sapirstein: "Listening to
Prozac [Fluoxetin] but Hearing Placebo - A Meta-Analysis of Antidepressant Medication"
Prevention and Treatment, Volume 1, Article 2a, posted June 26, 1998
(15) FDA
= Food and Drug Administration = Die staatliche Arzneimittelbehörde in den USA
(16) Irving Kirsch, Brett J. Deacon, Tania B. Huedo-Medina, Alan Scoboria, Thomas J. Moore, Blair T. Johnson: "Initial Severity and Antidepressant Benefits:
A Meta-Analysis
of Data Submitted to the Food and Drug Administration" PLoS Med. 2008 Feb;5(2):e45
(17) Peter Ansari, Sabine Ansari: „Unglück auf Rezept - Die Antidepressiva-Lüge und ihre Folgen“
Pharmaskandale. Lügen bei der Zulassung
von Antidepressiva S.124f, Vorwort Prof.em.Dr.med. Bruno Müller-Oerlinghausen, Klett-Cotta 2016, www.depression-heute.de
[Meine Ergänzungen]
"Was bei Heinrich Hoffmanns [1809-1894,
dtsch.Psychiater] Zappelphilipp ["Der Struwwelpeter" 1846 (1845)] als
Unart
galt, wurde entlang seinem theoretischen Deutungsweg zur Neuropathie, zur
Psychopathie, zur Neurasthenie,
zum Kinderfehler, zum
Hirnschaden, wurde zweierlei Neurosenkonzepten unterworfen, als
Krankheit, Störung und
Behinderung bezeichnet und endet vorläufig bei den
Genen und der Neurotransmitter-Chemie."
Prof.Dr.med. Eduard Seidler (b.1929, deutscher Medizinhistoriker): "Von der Unart zur Krankheit - "Zappelphilipp" und
ADHS"
S.243, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 101, Heft 5, 30. Jänuar 2004. www.aerzteblatt.de/studieren/archiv/40288/
Zappelphilipp-und-ADHS-Von-der-Unart-zur-Krankheit
Paul W. Andrews, J.Anderson Thomson:
"The bright side of being blue: Depression as an adaptation for analyzing complex problems"
pdf
>>>
[AR = Analytical Rumination Hypothesis = "Grübelsucht" = Ruminieren
verbunden mit einer analytischen Denkarbeit]
Psychological Review 2009
Prof. Dr. med. Asmus Finzen (b.1940, Prof. f.Sozialpsychiatrie, Wissenschaftspublizist):
"Neuroleptika für Kinder? Ein Lehrstück"
Soziale Psychiatrie 1/10 pdf
>>>
Jörg Blech (b.1966, dtsch. Wissenschaftsjournalist):
"Schwermut ohne Scham"
Der Spiegel 6/2012 pdf
>>>
Prof. Dr. rer. nat. Kerstin Konrad et al.:
"Hirnentwicklung in der Adoleszenz [12. bis 24.Lj.]- Neurowissenschaftliche Befunde
zum Verständnis dieser Entwicklungsphase"
Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 25, 21. Juni 2013 pdf
>>>
Prof. Dr. Beate Herpertz-Dahlmann et al.: "Erwachsenwerden ist schwer - Psychische Störungen in der Adoleszenz" pdf
>>>
Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 25, S.432-443, 21. Juni 2013
PD Dr. Thomas Bock, Dorothea Buck, Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner, Susanne Heim,
Cornelia Schäfer, Eva Schmitt, Prof. Dr. Peter Stolz, Ursula Zingler :
"Verständnis und Behandlung von Psychosen" - "Es ist normal,
verschieden zu sein!"
erstellt im Dialog von Psychoseerfahrenen, Angehörigen und
Therapeuten/Wissenschaftlern in der AG der Psychoseseminare (Hrsg.) pdf
>>>
Jörg Blech (b.1966, dtsch. Wissenschaftsjournalist):
"Heilen mit dem Geist - Meditieren, Yoga, positives Denken" Der Spiegel 21/2013 pdf
>>>
"Wenn der Mathematikdidaktiker [Prof. Dr.]
Wolfram Meyerhöfer [b.1970,
Paderborn] in einer Grundschule
[Altersstufen von sechs bis zwölf Jahren] Praktika betreut, dann erlebt er bei jedem zweiten Besuch dieselbe
Szene: "Der betreuende Lehrer begrüßt mich und weist dann auf verschiedene Schüler der Klasse.
'Die beiden
dort haben Rechenschwäche, die dort LRS [Lese-Rechtschreibschwäche, Legasthenie], die beiden dort
haben ADHS [Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung], und der dort ist lernbehindert.'
Was zwischen
den Zeilen als eigentliche Botschaft des Lehrers bei mir
ankommt, ist:
'Diese Schüler sind krank, ich als Lehrer
kann nichts dafür, wenn sie etwas nicht können.'"
(1)
Dafür würden sie schließlich von der Medizin therapiert.
Und genau das löst
nicht das Problem. Denn die meisten Entwicklungsverzögerungen von Schülern gehen
nicht auf eine hirnorganische Störung zurück, sondern auf eine
"Anregungsarmut",
wie es der Berliner Kinder-
arzt Ulrich Fegeler [b.1948] ausdrückt. Die
Kinder stammen oftmals aus sozial schwierigen Familien, in denen
sie nicht
ausreichend gefördert werden. Wenn engagierte Lehrer die Eltern auf mögliche
Defizite in der Familien-
struktur hinweisen und Vorschläge machen, dann wird
ihnen das selten gedankt. Da bleibt häufig nur der Ausweg
in die Medizin:
Statt den Eltern und Kindern zu helfen, dichtet man den Kindern eine psychische
Krankheit an."
Aus: Jörg Blech (b.1966, dtsch. Wissenschaftsjournalist): „Die Psychofalle: Wie die Seelenindustrie uns zu Patienten macht“
Kapitel 6: Das letzte normale Kind. DMDD [Disruptive Mood Dysregulation
Disorder n. Ellen Leibenluft], ODD [Oppositional
Defiant Disorder] und ADHS [ADHD: Attention
Deficit Hyperactivity Disorder] - jedem Kind seine
diagnostische Heimat,
S.124,
FISCHER 2014
(1) Wolfram Meyerhöfer: "Vom Konstrukt der Rechenschwäche zum Konstrukt der nicht bearbeiteten stofflichen Hürden
(nbsH)"
Pädagogische Rundschau 2011, 65.Jhg, S.401-426.
https://lama.uni-paderborn.de/fileadmin/Mathematik/MathematikDidaktik/
Personen/Meyerhoefer/Meyerh%C3%B6fer_2011_Heft4_P%C3%A4dagogischeRundschau_401-426.pdf
LINKS:
OPEN DIALOGUE: An alternative Finnish approach to healing psychosis (COMPLETE FILM):
www.youtube.com/watch?v=HDVhZHJagfQ
www.psychiatrie-erfahrene-nrw.de/psychopharmaka/wie_man_von_psychopharmaka_herunterkommt.html
www.kulturkritik.net/psychiatrie/absetzen/text_absetzen.html
Harm Reduction-Leitfaden zum risikoarmen Absetzen von Psychopharmaka - The Icarus Project und Freedom Center:
http://soziale-inklusion.com/data/documents/HarmReductionLeitfadenzumrisikoarmenAbsetzenvonPsychopharmaka1EdOnline.pdf
Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP e.V.):
"Neuroleptika reduzieren und absetzen -
Eine Broschüre für Psychose-Erfahrene, Angehörige und
Professionelle aller Berufsgruppen":
"Es gibt jedenfalls viele gute Gründe, einer dauerhaften Einnahme von
Neuroleptika ("Nervendämpfungsmittel") gegenüber skeptisch
zu sein. Um es deutlich zu sagen: Wir sind nicht
grundsätzlich gegen Neuroleptika, wir halten Neuroleptika für einen Teil der
Patientinnen
und Patienten für einen
echten Fortschritt in der Behandlung von Psychosen [bipolare Störung (MDK),
Schizophrenie]. Wir sind aber aufgrund
unserer langjährigen Erfahrung und des Forschungsstandes davon überzeugt, dass
Neuroleptika in ihrer Wirksamkeit überschätzt, bei den Neben-
wirkungen oft unterschätzt und in ihrer
inflationären Verwendung für ganz unterschiedliche Störungen fahrlässig
eingesetzt werden. Wir sind
davon
überzeugt, dass ein verantwortlicher, skeptischer Umgang mit Neuroleptika als
gemeinsames Vorgehen zwischen Arzt/Ärztin und
Patient/Patientin erfolgen sollte und dass
Betroffene so weit wie möglicj zu Experten ihrer Behandlung werden sollten. Zum
Glück hat
sich inzwischen auch
herumgesprochen, dass sich die Einbeziehung von Angehörigen oder anderen
vertrauten Personen als Dritte
im Bunde
für alle Beteiligten sehr oft als förderlich erweist ..." (Einleitung S.6)
"Menschen, die wegen einer psychischen Beeinträchtigung eine ambulante
psychosoziale Betreuung oder Pflege erhalten oder die im Heim
leben, werden oft durch die Institutionsroutine in
eine Situation gebracht, in der sie sich zur regelmäßigen Einnahme der
Medikation ver-
pflichtet fühlen. Aber
auch in dieser Situation haben Menschen das gleiche Recht auf einen
Reduktionsversuch ihrer Medikamente.
Leider sagen psychiatrisch Tätige aus diesem Bereich noch viel zu häufig: "Die
Medikation ist Arztsache, da mische ich mich nicht ein."
Andere hingegen ermutigen ihre Klientinnen und
Klienten zu Reduktionsschritten und begleiten sie gegebenenfalls auch zum Arzt-
gespräch, falls sie sich dies nicht allein zutrauen.
Manchmal lässt sich in den Leitlinien und Qualitätsberichten der Einrichtung
nach-
lesen, wie sie zu Medikationsfragen
steht. Rein rechtlich kann niemand zur Einnahme einer betimmten Medikation
genötigt werden,
nur weil er oder sie
ambulante Unterstützung in Anspruch nimmt. Ambulante Zwangsmedikation ist in
Deutschland [auch in AUT]
bis heute nicht
erlaubt."
(Kapitel 1: Rechtliche Aspekte. Ambulante Pflege - Nötigung zur Medikation S.9)
Aus: DGSP 2014: "Neuroleptika reduzieren und absetzen - Eine Broschüre für Psychose-Erfahrene,
Angehörige und
Professionelle aller Berufsgruppen"www.paranus.de/datei_upload/PDF_News/DGSP_ReduktionNeuroleptika_2014_web.pdf
Deutsche Gesellschaft für
Soziale Psychiatrie (DGSP e.V.): "Memorandum zur Anwendung von Neuroleptika"
www.dgsp-ev.de/fileadmin/user_files/dgsp/pdfs/Flyer_Infoblatt_KuFo-Programme_Broschueren/Brosch.Memorand_Neurol_2012_web.pdf
CCHR - The Citizens Commission on Human Rights International -
Weltweit im Einsatz für Menschenrechte in der Psychiatrie:
www.cchrvictoria.org.au/ect-electroconvulsive-therapy/
www.cchr.org/ www.cchr.de/
www.cchrint.org/electroshock/
www.aerzteblatt.de/archiv/475/Elektrokrampftherapie-Schocktherapie-oder-ein-differenziertes-Behandlungsverfahren
Helma Sommer: "Die aktive psychiatrische Therapie unter Berücksichtigung tierexperimenteller Untersuchungen" Gustav Fischer Verlag 1971
John Read, Richard Bentall: "The effectiveness of electroconvulsive therapy: A literature review" Epidemiol Psichiatr Soc. 2010 Oct-Dec;19(4):333-47
"CONCLUSIONS: Given the strong evidence (summarised here) of persistent and, for some, permanent brain dysfunction, primarily evidenced in
the form of retrograde and anterograde amnesia, and the evidence of a slight but significant increased risk of death, the cost-benefit analysis
for ECT is so poor that its use cannot be scientifically justified."
Harold Robertson, Robin Pryor: "Memory and cognitive effects of ECT: informing and assessing patients" BJPsych Advances 2006, 12:228–238
"Conclusions: Evaluation and re-evaluation of ECT’s risks and benefits by SURE, NICE and the Royal College of Psychiatrists, and the
growing recognition of the extent and importance of research by and involving people who have experienced ECT, as well as increased
interest in qualitative data, should lead to improvement in both patient care and research. In light of alarming findings that 50%
of patients report receiving inadequate warnings of the potential sideeffects of ECT, informed consent practices need to be revised.
In particular, prospective patients should be warned of the significant risk of permanent amnesia and the possibility of permanent
memory and cognitive disability. Research to adequately assess the nature and longevity of these effects should be undertaken,
‘incorporating patients’ perspectives on the impact of ECT into future RCTs’ (Greenhalgh et al, 2005: p. 78).
By all
accounts this is long overdue.
Michael Grözinger, Andreas Conca, Thomas Nickl-Jockschat, Jan Di Pauli (Hrsg):
"Elektrokonvulsionstherapie kompakt -
Für Zuweiser und Anwender" Vorwort
S. VI Springer Verlag 2013
"... Ebenso wie Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik sich heute zu recht nicht
mehr als Heil- und Pflegeanstalten bezeichnen, sollte es auch der Elektro-
konvulsionstherapie [EKT] erlaubt sein, sich von überkommenen Assoziationen
zu lösen. Begriffe wie Elektroschock oder
Elektrokrampftherapie werden von den Patienten, aber auch zum Teil von uns selbst, unwillkürlich mit Zwang,
rüder Gewalt
und Schädigung von Nervengewebe in Verbindung gebracht. Tatsächlich ist EKT genauso wenig mit Zwang und Gewalt in
Verbindung zu bringen wie andere aufklärungspflichtige Eingriffe.
Statt Hirngewebe zu
schädigen, stimuliert sie [die EKT]
im Gegenteil
die Entstehung von Nervenzellen und den Aufbau von neuen Verbindungen zwischen ihnen
..."
"Wir sehen, dass Psychiater in ihren Fachpublikationen chronische Hirnstörungen nach Elektroschocks [EKT, ECT]
erwähnen, die
speziell als Folge anhaltender epileptischer Anfälle oder wiederholter
Verabreichung auftreten können.
Dass die Neubildung von Nervenzellen lediglich eine Reaktion des Gehirns auf
diese Schäden ist und letztlich die Be-
stätigung darstellt, dass
Elektroschocks Hirnschäden verursachen, interessiert sie offenbar wenig.
Erkennbar ist einzig
die Sorge, dass die Betroffenen weitere Elektroschocks
ablehnen."