"Fühle mit allem Leid der Welt,
aber richte deine Kräfte nicht dorthin,
wo du machtlos bist,
sondern zum Nächsten,
dem du helfen, den du lieben
und erfreuen kannst."

Hermann Hesse
(1877- 1962 Montagnola, Schweiz)
War ein deutsch-schweizerischer Dichter, Schriftsteller und Freizeitmaler.


Seine bekanntesten Werke sind:
"Peter Camenzind" (1904), "Unterm Rad" (1906), "Demian" (1919), "Siddhartha" (1922),
"Der Steppenwolf" (1927), "Narziss und Goldmund" (1930) und "Das Glasperlenspiel" (1943),
welche die Suche des Individuums nach Spiritualität
außerhalb der Gesellschaft zum Inhalt haben.


1946 Nobelpreis für Literatur
1955 Friedensklasse des Ordens „Pour le Mérite”
[„für das Verdienst”, von Friedrich dem Großen
(1712–1786) eingeführt]



"Wir finden Tröstungen,
wir finden Betäubungen,
wir lernen Kunstfertigkeiten,
mit denen wir uns täuschen.

Das Wesentliche aber,
den Weg der Wege,
finden wir nicht."


Siddhartha 1922



"Bestimmte seelische Vorgänge, die sich in mir unerkannt abspielen,
projiziere ich nach außen und erkenne sie beim anderen.
Oft sind es Gefühle und Impulse, die ich mir nicht eingestehen mag,
die nicht in mein Selbstbild passen, die ich dann übersensibel
beim anderen entdecke und nicht selten
dann mit großer Heftigkeit bekämpfe.

So schreibt Hermann Hesse in in "Demian" (1919):


"Wenn wir einen Menschen hassen,
so hassen wir in seinem Bild etwas,
was in uns selber sitzt.
Was nicht in uns selber ist,
das regt uns nicht auf."


Aus: Friedemann Schulz von Thun (b.1944 deutscher Psychologe, Kommunikationswissenschaftler):
„Miteinander reden: 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation“ (1981) Band 1.
Teil B: Ausgewählte Probleme der zwischenmenschlichen Kommunikation. III. Beziehungsseite der Nachricht..
3.Das Bild vom anderen: Projektion Seite 202. 3 Bände. ROWOHLT Sonderausgabe 2011




"Was das ist, ein wirklich lebender Mensch,
das weiß man heute allerdings weniger als jemals,
und man schießt denn auch die Menschen,
deren jeder ein kostbarer, einmaliger Versuch
der Natur ist, zu Mengen tot.

Wären wir nicht noch mehr als einmalige Menschen,
könnte man jeden von uns wirklich
mit einer Flintenkugel ganz und gar aus der Welt schaffen,
so hätte es keinen Sinn mehr, Geschichten zu erzählen.

Jeder Mensch aber ist nicht nur er selber,
er ist auch der einmalige, ganz besondere,
in jedem Fall wichtige und merkwürdige Punkt,
wo die Erscheinungen der Welt sich kreuzen,
nur einmal so und nie wieder.

Darum ist jedes Menschen Geschichte wichtig,
ewig, göttlich, darum ist jeder Mensch,
solange er irgend lebt und den Willen der Natur erfüllt,
wunderbar und jeder Aufmerksamkeit würdig.

In jedem ist der Geist Gestalt geworden,
in jedem leidet die Kreatur,
in jedem wird ein Erlöser gekreuzigt"


"Demian" (1919)



Hermann Hesse


Ein kurzer Überblick über Hesses Werk


Hermann Hesse
(1877-1962) hat als Substanz seines gesamten Schaffens einen volkhaften, zudem noch schwäbisch stammlich betonten Gehalt. Er vergegenwärtigt ihn dichterischer als Thomas Mann (1875-1955): weniger in seinen Versen als in der Prosa. Hesse ist niemals Romancier, sondern dichterischer Erzähler. Schien es anfangs, als ob er ein liebenswerter, neuromantischer Nachfahr einer edlen, ein wenig heimatlich engen Überlieferung sei, so enthüllte sich der wahre Hesse seit dem nach dem Weltkrieg zuerst pseudonym veröffentlichten "Demian" (1919) als eine schöpferische Natur von gefährlicher Gefühls- und Geistesspannung: Rausch und Klarheit, Morgenländisches und Abend-ländisches miteinander, widereinander, ineinander verbindend.

Radikaler Individualist, Hasser aller Uniformität auf jedem Gebiete, als "Steppenwolf" (1927) die Gehege der Bürgerlichkeit bösartig, aber auch sehnsüchtig umkreisend: das ist die eine Seite - die andere jedoch unterwirft sich den Gesetzen hoher Form, voller Lust an der erlauchten Ordenshierarchie musischer Geistesdiener und Geistesvirtuosen. Er ist, im Gleichnis gesprochen, Lustmörder und Mönch: voll träumerischer, hellsichtiger, bacchantischer Liebesmythologie - erfüllt zugleich vom strengen Gebot des Appolinischen. Er trachtet nach einem Dichtertum, das "ein großes, kühnes Lied der Sehnsucht und des Lebens" sei: hymnischer Preis der Männer- und Geistesfreundschaft, Vision vom eiskalt hellen Göttergelächter über den Wahn der Irdischen, bereit auch zum liedertrunkenen Untergang des »sterbenwollenden Europamenschen«, wie ihn "Klingsors letzter Sommer" (1920) austönt. Er ersann zuletzt die phantasmagorische, abendländisch-weite, geisteskultische Gemeinschaft der »Glasperlenspieler« in dem zusammenfassenden und umfangreichsten Werke überlegener und eingeweihter Alterserfahrung; doch zeigt "Das Glasperlenspiel" (1943) Hesses Lebensmitgift einer unaufhörlichen Daseinstragik, vorher gebannt durch Geistesmacht, nunmehr ausgedehnt auch auf das Reich des Musischen, das in seiner Herrlichkeit und zugleich mit dem Todeskeim der Selbstverzweiflung erscheint.

Zwischen den einander ausschließenden Rausch- und Geist-Sphären vermittelt zuweilen der Humor. Sein Humor ist minder ironisch als die Parodie Thomas Manns, und so kommt er wohl nicht so apart zu Worte, dafür jedoch lebensnäher und wärmer. Dem Urtyp deutschen Erzählertums gehört Hesse an mit seiner Neigung zu jugendlichen, jünglinghaften Figuren, deren seelisches Erleben und Erleiden im Kontakt zur Landschaft, zur Natur stehen.
Die dichteste Gestaltung seiner zwar auch personalen, aber ebenso menschheitlichen Polarität von Logos und Eros gab er in "Narziß und Goldmund" (1930); sein originalstes Buch, "Der Steppenwolf" (1927), erneuert den romantischen Roman auf zeitgenössisch-psychologischer Ebene.
Aus: Knauers Geschichte der Weltliteratur, S.728-729 und von mir ergänzt.