"Ständig
entscheiden
wir,
ohne es zu merken,
prinzipiell
unentscheidbare
Fragen.
Deswegen
kriegen sich die Leute immer in die Haare;
denn jeder behauptet: „Ich habe Recht“.
Dass
da eine Freiheit existiert,
wenn man
unbeantwortbare,
unentscheidbare Fragen beantwortet,
sehen nur sehr wenige Leute;
dass man da eine Entscheidung fällt,
entweder so, so, so oder so zu entscheiden.
Vielen
Leuten fällt gar nicht auf,
dass sie eine
Entscheidung
getroffen haben.
Daher
glauben sie,
sie sind im Besitz der wirklichen Wahrheit.
Sie
haben nicht gemerkt, dass da eine Freiheit bestand,
in der sie das Spiel („Lehrmeinung“) entschieden haben,
welches sie von jetzt an spielen wollen.
Ich
nenne jene menschliche Aktivität,
die unentscheidbare Fragen entscheidet,
eine metaphysische Aktivität.
Ich
nenne Metaphysik, die Tätigkeit,
bei der Menschen aus irgendwelchen Gründen,
die sie nicht sagen können,
eine
unentscheidbare Frage entscheiden.
„Soll ich dieses oder jenes als
meine Haltung akzeptieren?“
Das
Interessante ist, dass wir überhaupt
unentscheidbare Fragen haben.
Ja, wie kommt das? Wieso haben wir das?
Das kann doch nur durch die Sprache entstanden sein!
Nur
die Sprache produziert Fragen wie:
„Um Himmels willen,
wie kann ich jetzt entscheiden?“
Plötzlich
zwickt einen eine Schwierigkeit,
die nur durch die Sprache generiert (erzeugt) wird;
weil ich eine Frage stelle, die, wenn man sie näher anschaut,
unentscheidbar ist.
Wenn
ich eine prinzipiell unentscheidbare Frage entscheide,
habe ich mit dieser Entscheidung
die Verantwortung
für diese
Entscheidung übernommen".
Aus: Heinz von Foerster, Monika
Bröcker:
„Teil der Welt – Fraktale einer Ethik – ein Drama in drei Akten“
CARL AUER SYSTEME VERLAG 2002
Heinz von Foerster
[13. November 1911 Wien - 2. Oktober
2002 in Pescadero, Kalifornien]
Österreichischer Physiker, Professor für Biophysik
Langjähriger
Direktor des legendären "Biological Computer Laboratory"
in Illinois (1958-1975)
Er gilt als Mitbegründer der kybernetischen Wissenschaft und
ist
philosophisch dem Konstruktivismus zuzuordnen.
www.youtube.com/watch?v=2KnPBg-tanE&ab_channel=fred63you
www.youtube.com/watch?v=ANpjg7mfDq4&ab_channel=wholelottalova
https://www.youtube.com/watch?v=t0MbjFqX3mE&ab_channel=wholelottalova
"Objektivität ist die Wahnvorstellung, Beobachtungen könnten
ohne Beobachter gemacht werden. Die Berufung auf Objektivität ist
die Verweigerung der Verantwortung - daher auch ihre
Beliebtheit!"
Aus: Heinz von Foerster, Bernhard Pörksen: "Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners -
Gespräche für Skeptiker" V. Erkenntnis und Ethik. Ethik ist keine Theorie, S.154
Carl Auer Verlag 7.Auflage 2006 (1998)
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Kybernetik
(altgr. kybernetiké téchne: „Steuermannskunst“,
kybernétes: "Steuermann", lat. kybernesis: "Leitung")
ist die Wissenschaft von der Struktur komplexer Systeme, insbesondere
der Kommunikation und Steuerung
einer Rückkopplung
(engl. Feedback)
bzw. eines Regelkreises.
"Es steht
uns immer frei,
entsprechend der Zukunft zu handeln,
die wir uns schaffen wollen."
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Die Hauptvertreter des Radikalen Konstruktivismus sind:
Ernst von Glasersfeld (1917-2010, Österr.Philosoph)
Heinz von Foerster
(1911-2002)
Humberto Maturana (1928-2021 , chilenischer Neurobiologe)
Francisco Varela (1946 - 2001, chilenischer Neurobiologe,
Philosoph).
Ernst von Glasersfeld war ein
österreichisch-amerikanischer Philosoph, Kommunikationswissenschaftler
und gilt mit Heinz von Foerster als Begründer des radikalen
Konstruktivismus.
Ernst von Glasersfeld wurde als Österreicher geboren, nach dem ersten
Weltkrieg ließen sich seine Eltern in Norditalien nieder.
Glasersfeld
wuchs dreisprachig auf (deutsch, englisch, italienisch) und lernte in
einem Internat in der Schweiz (Zuoz)
eine vierte Sprache
(französisch). Er studierte ein Semester in Zürich und ein Semester in
Wien Mathematik,
bevor Hitler durch die Annektierung Österreichs
seiner akademischen Laufbahn ein Ende bereitete.
Den „Nazis in Gängen und Vorlesungsräumen“ wollte er ausweichen und
nahm daher 1937 –
noch vor dem Ende des 2. Semesters – einen Winterjob
als Skilehrer in Australien an.
Er heiratete seine erste Frau Isabel, eine Australiern mit britischer
Mutter,
und lebte während des Zweiten Weltkrieges als staatenloser
Ausländer in Irland.
Er bekam keine Arbeitserlaubnis und arbeitete
daher freiberuflich als Farmer.
Nach dem Krieg zog er nach Meran in Südtirol, wo Glasersfeld (1947) am
Gardasee Silvio Ceccato (1914-1997,
ital. Philosoph, Linguist) kennenlernt.
Ceccato befasste sich mit
Theorien der Semantik und gründete 1945
einen interdisziplinären Kreis
(Logiker, Linguisten, Psychologen, Physiker, Ingenieure,
Computerspezialisten)
die „Italienische operationistische Schule“.
Diese Gruppe beschäftigte sich damit,
Semantik auf mentale Operationen
zurückzuführen.
Seit 1965 war er Leiter eines US-Projekts der Airforce über
computergestützte Linguisitik in Athens (Georgia).
Ab 1966 in USA bei Harold Wooster (1919-2005,
US-Computerwissenschaftler) und Rowena Swanson,
die ihn mit Ernst von Glasersfeld bekannt machte, wodurch er Mitglied der
American Society
of Cybernetics wurde.
1970 Professur für kognitive Psychologie an der University of Georgia.
1974 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Seit der
Emeritierung (1987) war er mehrere Jahre bei Jack Lochhead
Scientific
Reasoning Research Institute,
Physics Department,
University of
Massachusetts tätig.
1991 Warren McCulloch (1898-1972, "Neuronale Netze") Memorial Award
der American Society of Cybernetics.
Ernst von Glasersfeld Hauptinteressen: Sprachanalyse, Epistemologie,
Kybernetik,
Didaktik der Wissenschaft und Mathematik.
"Konstruktivismus ist keine Erkenntnistheorie.
Der Konstruktivismus schlägt vor, das
Wort "Erkenntnis"
und alle Ambitionen, die damit verknüpft sind,
aufzugeben und anstelle der Erkenntnistheorie
eine Wissenstheorie
zu entwickeln,
die ein annehmbares Modell unserer Fähigkeiten liefert,
das Wissen aufzubauen, das wir in unserer Erfahrungswelt
ja mit
einigem Erfolg verwenden"
Ernst von Glasersfeld
(1917-2010)
„Wege des Wissens – Konstruktivistische Erkundungen durch unser
Denken“
CARL AUER 1997, Hrsg. Hans Rudi Fischer
|
Nicht "Cogito
ergo sum"- „Ich denke, also bin ich“
[Rene Descartes
(1596-1650)] sondern
"Ich nehme wahr, dass ich denke,
daher bin ich"
...
Der Unterschied zu Sir Karl Popper
(1902-1994) -
("Vermutungen und Widerlegungen" 1963) liegt darin:
"Wir legen unseren
Hauptakzent auf die Viabilität der
Vermutungen
(Brauchbarkeit, Realisierbarkeit),
nicht so sehr auf ihre Widerlegungen.
Der entscheidende Aspekt unserer Theorie des Wissens liegt darin,
dass
die Idee der Übereinstimmung mit der Wirklichkeit
durch die Idee
des Passens ersetzt wird.
Wissen ist dann gut,
wenn es zu den
einschränkenden Bedingungen
der Realität passt
und nicht mit ihnen
kollidiert.
Dieses Wissen muss nicht nur so erreicht werden,
dass
kognitive Strukturen,
Schemas und Theorien gegenüber neuen Erfahrungen
und Experimenten viabel
(brauchbar) bleiben, sondern
auch insofern,
als sie mit anderen benutzten Schemas
und Theorien vereinbar sind"
...
Die Kunst des Lehrens hat wenig mit der Übertragung von Wissen zu tun,
ihr grundlegendes Ziel muss darin bestehen,
die Kunst des Lernens
auszubilden."
Aus: Ernst von Glasersfeld: „Radikaler
Konstruktivismus - Ideen, Ergebnisse, Probleme“
SUHRKAMP 2005 (1998)
"Band ohne Ende" (1956)
Maurits Cornelis Escher
(1898-1972)