Du, lass dich nicht verhärten,
in dieser harten Zeit
Die allzu hart sind, brechen – die allzu spitz sind, stechen
Und brechen ab sogleich, und brechen ab sogleich.


Du, lass dich nicht verbittern,
in dieser bitteren Zeit
Die Herrschenden erzittern, sitzt du erst hinter Gittern
Doch nicht vor deinem Leid, doch nicht vor deinem Leid.

Du, lass dich nicht erschrecken,
in dieser Schreckenszeit
Das wollen sie doch bezwecken, dass wir die Waffen strecken
Schon vor dem großen Streit, schon vor dem großen Streit.

Du, lass dich nicht verbrauchen,
gebrauche deine Zeit
Du kannst nicht untertauchen, du brauchst uns und wir brauchen
Grad deine Heiterkeit, grad deine Heiterkeit.


Wir wolln es nicht verschweigen,
in dieser Schweigezeit
Das Grün bricht aus den Zweigen, wir wolln es allen zeigen,
dann wissen sie Bescheid, dann wissen sie Bescheid.





Karl Wolf Biermann
(b. 15. November 1936 in Hamburg)
Deutscher Liedermacher und Lyriker

www.hdg.de/lemo/html/biografien/BiermannWolf/index.html

Der Vater, der auf einer Hamburger Werft arbeitete, war nach 1933 im kommunistischen Widerstand engagiert
und wurde 1943 im KZ Auschwitz ermordet. 1953 übersiedelte Biermann in die DDR.
Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Biermann den "Jungen Pionieren" (Politische Massenorganisation für Kinder in der DDR) bei
und war 1950 Leiter einer Pionierbrigade beim Weltjugendtreffen in Ostberlin.
Als eines der wenigen Arbeiterkinder besuchte er bis 1953 das Heinrich-Hertz-Gymnasium in Hamburg,
dann ein Internat bei Schwerin.

An der Berliner Humboldt-Universität studierte er anschließend Politische Ökonomie und in den Jahren 1959-1963 Philosophie
sowie Mathematik. Die Theaterarbeit machte Biermann zu seinem Beruf. 1957-1959 war er als Regieassistent am
"Berliner Ensemble" tätig. Gefördert wurde er durch den Komponisten Hanns Eisler (1898-1962).

Mit Schreiben und Komponieren befasste sich Biermann ab 1960.
Frühe Gedichte veröffentlichte er in DDR-Zeitungen und in Anthologien
wie "Liebesgedichte" (1962) oder "Sonnenpferde und Astronauten" (1964).

Mit Freunden baute Biermann 1961/1962 ein altes Hinterhofkino
zum "Berliner Arbeiter- und Studententheater" (B.A.T.) um,
das bereits vor der Premiere geschlossen wurde.

Ein erstes Auftrittsverbot für Biermann dauerte bis Juni 1963.

Nach zweijähriger Kandidatenzeit wurde Biermann nicht als Mitglied in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)
aufgenommen (1963). 1964 war Biermann Gaststar des Ostberliner Kabaretts "Die Distel" und unternahm eine Konzertreise
durch die Bundesrepublik. In Westberlin trat er zusammen mit Wolfgang Neuss (1923-1989) in dessen "Asyl" auf.

Als 1965 (Neuauflage 1976) im Westberliner Wagenbach Verlag Biermanns Gedichtband "Die Drahtharfe" erschien,
erhielt er von den DDR-Behörden Auftritts-, Publikations- und Ausreiseverbot.

Damit war ein vorläufiger Schlussstrich unter eine Kampagne gesetzt, die schon vor dem 11. Plenum des Zentralkomitee (ZK)
der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) im Dez. 1965 ihren Anfang genommen hatte:
Man warf Biermann u. a. Klassenverrat und Obszönität vor.

Erst im Sept. 1976, elf Jahre nach Inkrafttreten des Berufsverbotes, hörte das DDR-Publikum
den verfemten Protestsänger erstmals wieder in der evangelischen Kirchengemeinde in Prenzlau.

Im Nov. 1976 erhielt Biermann ein Visum für eine Tournee durch die Bundesrepublik,
die am 13. Nov. in Köln begann.




Die Deutsche Demokratische Republik (DDR)
war eine zentralistisch regierter realsozialistischer Staat in Mitteleuropa.
Am 9. November 1989 sog. "Friedliche Revolution" mit Grenzöffnung an der Berliner Mauer.
Die DDR bestand vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990.
Am 3.Oktober 1990 Wiedervereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland.


Am 17. Nov. 1976 berichtete die Ostberliner Nachrichtenagentur ADN (Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst),
dass die zuständigen Behörden Biermann das Recht auf einen weiteren Aufenthalt in der DDR entzogen hätten.
In der Begründung hieß es unter Hinweis auf Biermanns Auftritt in Köln, er hätte in einem kapitalistischen Land ein Programm gestaltet,
das sich ganz bewusst und gezielt gegen die DDR und gegen den Sozialismus gerichtet habe. Biermanns Ausbürgerung löste
Proteste vieler Künstler in der Bundesrepublik und Solidaritätsbekundungen einer Reihe namhafter DDR-Schriftsteller und -Künstler aus.
Viele verließen in der Folge das Land, manche mussten ins Gefängnis, wie der später freigekaufte Autor Jürgen Fuchs (1950-99).




Bundesrepublik Deutschland (BRD)


Im März 1977 kamen auch Biermanns Frau und sein Sohn Benjamin in die Bundesrepublik.

Im Westen setzte Biermann, der nicht "den Berufsdissidenten spielen", "öffentlich seine Ostwunden lecken" wollte, seine Künstlerkarriere fort.
Zwischen Geschichtslektionen und autobiographischen Anekdoten, zwischen Heine-Liedern und Hölderlin-Versen suchte sich
der "Troubadour der deutschen Zerrissenheit" (SZ, 2.10.1987) seinen Weg zum Erfolg.

Mit Trauer, Wut und Heiterkeit brachte er auf den vielen in- und ausländischen Tourneen die Schatten der Vergangenheit zur Sprache,
rechnete er mit der DDR ab, artikulierte er die Unzufriedenheit mit dem neuen Lebensraum und bekundete er
nimmermüde seine sozialistische Einstellung.

Es gelang Biermann in den Westjahren, sich das Image eines Kritikers anzueignen, der zu vielen Phänomenen
in der Gesellschaft etwas sagen kann und dies nicht mehr nur vor einem "alternativen" Publikum.

Scharfsinn, Wortgewalt und Poesie - sie erhoben ihn nach Kritikermeinung über viele andere Liedermacher in der Bundesrepublik.
Und wenn es in den späten 80er Jahren ab und an den Anschein gehabt hatte, der Barde sei "so hundemüde von all der Menschheitsretterei",
wie es in dem Biermann-Lied "Melancholie" hieß, so änderte sich das schlagartig im Spätherbst 1989 mit der friedlichen Revolution in der DDR.
"Was in Moll jaulte, jauchzt nun in Dur" kommentierte die Süddeutsche Zeitung (4.12.1989) Biermanns ersten öffentlichen Auftritt in der Noch-DDR
(Leipzig und Ostberlin) nach 25 Jahren.

Auf Einladung von DDR-Liedermachern war er Anfang Dez. 1989 eingereist; mehrmalige Versuche im Nov. 1989 waren noch gescheitert,
da er auf der Begleitung von Autor Jürgen Fuchs und des abgeschobenen Friedenskämpfers Roland Jahn (B.1953) bestand.

"Als Mensch gewordener Mythos" (FAZ, 4.12.1989) und als eine Legende zumindest für die Älteren wurde der Dichter und Sänger
im Osten begrüßt.
In den folgenden Monaten (1990/1991) mischte sich Biermann mit Aktionen und Aufsätzen in die Tagespolitik
ein - als Besetzer des Stasi-Hauptquartiers, Schiedsrichter im Literaturstreit und Befürworter der US-Intervention am Golf.

Eine Aufsehen erregende Diskussion über den Einfluss der Stasi auf die DDR-Kulturschaffenden löste er im Okt. 1991
mit seiner Dankesrede zur Verleihung des Büchner-Preises aus: Er führte darin "eine sehr unakademische Attacke
auf die Oppositionsgruppen der DDR im allgemeinen ("von Stasi-Metastasen zerfressen") und auf den Lyriker
Sascha Anderson (b.1953, "Stasi-Spitzel") im besonderen, der in der DDR als führender regimekritischer Literat
gegolten hatte. Nach der ersten Einsicht (15.1.1992) der eigenen Stasi-Akten in der Berliner Gauck-Behörde
erklärte Biermann seine öffentliche Auseinandersetzung mit der Stasi für beendet und verzichtete darauf,
weitere Spitzel zu enttarnen.
[Quelle: Internet]