Jedes Werden
in der Natur
,
im Menschen,
in der Liebe


muss abwarten,
geduldig sein,


bis
seine Zeit
zum Blühen
kommt.




Von guten Mächten treu und still umgeben,

behütet und getröstet wunderbar, –
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr;

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern auf geschreckten Seelen das Heil,
für das Du uns geschaffen hast.

Und reichst Du uns den schweren Kelch,
den bittern, des Leids,
gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll'n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!
wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt,
die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.


Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Sei mit Eltern und Geschwistern
in großer Liebe und Dankbarkeit gegrüßt

Aus: Brautbriefe Zelle 92 – Dietrich Bonhoeffer – Maria Wedemeyer 1943-45
Seite 208-210, herausgegeben von seiner Schwägerin Ruth Alice von Bismarck (b.1920),
der Schwester von Maria von Wedemeyer (1924-1977) und Ulrich Kabitz (b.1920)
C. H. BECK 5.Auflage 2006 (1992)

Pfarrer Priv.-Doz. Dr.

Dietrich Bonhoeffer

(geb. 4. Februar 1906 in Breslau; † 9. April 1945 ermordet im KZ Flossenbürg/Oberpfalz/Bayern)
Deutscher evangelisch-lutherischer Theologe, Vertreter der Bekennenden Kirche,
Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Die Bekennende Kirche (BK) war eine Oppositionsbewegung evangelischer Christen
gegen Versuche einer Gleichschaltung von Lehre und Organisation
der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK)
mit dem Nationalsozialismus.

Vom 19. Dezember 1944 datiert ein Brief Dietrich Bonhoeffers aus dem Gefängnis,
dessen Beigabe dieses obig angeführte Gedicht war,
das heute als Kirchenliedtext berühmt geworden ist
.

Das Gedicht war ein Gruß Bonhoeffers an seine Mutter [Paula Bonhoeffer, geb. von Hase (1876–1951)]
zu ihrem 70. Geburtstag und an seine Verlobte Maria von Wedemeyer (1924-1977), seinen Vater
[Prof. Dr. med. Karl Ludwig Bonhoeffer, Neurologe, Psychiater, (1868-1948 Berlin)]
und seine Geschwister [Karl Friedrich (1899–1957) , Klaus (1901–1945), Ursula Schleicher (1902–1983),
Christine von Dohnanyi (1903–1965), Zwillingsschwester Sabine Leibholz (1906–1999)
und Susanne Dress(1909–1991)].


An diesem Weihnachtsfest 1944 dachten die damit Gegrüßten an die zwei inhaftierten Söhne Klaus
(1901-1945 von Gestapo in Berlin ermordet; deutscher Jurist und Widerstandskämpfer) und Dietrich,
an die zwei inhaftierten Schwiegersöhne Hans von Dohnanyi (1902- 1945 KZ Sachsenhausen; deutscher
Jurist und Widerstandskämpfer) und Rüdiger Schleicher (1895-1945 von Gestapo in Berlin ermordet),
an die Tochter Sabine (1906-1999), Dietrichs Zwillingsschwester, die wegen ihres jüdischen Mannes
Gerhard Leibholz (1901-1982, deutscher Jurist und Richter) ins Ausland gegangen war und nun
wegen der nationalsozialistischen Diktatur gleichfalls nicht anwesend sein konnte,
sowie an den gefallenen Sohn Walter (1899-1918).




Das Todesurteil

Am 5. April 1945 ordnete Adolf Hitler die Hinrichtung aller noch nicht exekutierten

„Verschwörer“ des 20. Juli 1944 an und damit auch die Dietrich Bonhoeffers.

Ein SS-Gericht, verurteilte daraufhin neben Dietrich Bonhoeffer
auch andere Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus -

Walther Wilhelm Canaris (1887-1945, dtsch. Marineoffizier),
Hans Oster (1887-1945, dtsch. General),
Karl Sack (1896-1945, dtsch. Jurist),
Theodor Strünck (1895-1945, dtsch. Jurist) und
Ludwig Gehre (1895-1945, dtsch. Offizier) -

am 8. April 1945 zum Tode durch den Strang.

Der Prozess war ein reiner Scheinprozess.

Zur Erniedrigung der Angeklagten und Belustigung des SS-Personals mussten sich alle
zur Hinrichtung Bestimmten zuvor völlig entkleiden und nackt zum Galgen gehen.
Der Lagerarzt beobachtete die Szene und berichtete später,
Bonhoeffer habe völlig ruhig und gesammelt gewirkt,
sich von allen Mithäftlingen verabschiedet
und ein kurzes Gebet gesprochen.

Dietrich Bonhoeffer wurde in der Morgendämmerung
des
9. April 1945 erhängt.